Guillaume Dustans Abdriften und Christophe Beaux’ literarische Befreiung

Christophe Beaux’ „Un tombeau pour Dustan“ ist eine autobiografische Liebeserinnerung und zugleich ein literarischer Nachruf auf Guillaume Dustan, der einst William Baranès hieß. Beaux schildert ihre Beziehung im Paris der späten 1980er Jahre, gezeichnet von Faszination, Dominanz und Schuld, vor dem Hintergrund der AIDS-Krise. Aus dem intellektuellen und sexuellen Einfluss Williams auf den jüngeren Christophe entsteht eine ungleiche Beziehung, die zugleich prägte und zerstörte. Nach der Trennung und Williams HIV-Diagnose verwandelt sich dieser in den provokativen Schriftsteller Guillaume Dustan, der mit radikaler Offenheit über Sexualität, Krankheit und gesellschaftliche Doppelmoral schreibt. Das Buch dient Beaux als „Grabmal“ und Exorzismus zugleich: Er versucht, die jahrzehntelange Schuld und Faszination zu bannen, indem er die gemeinsame Vergangenheit mit literarischer Klarheit neu erzählt und sich so symbolisch von dem Geliebten befreit, der sein Leben beherrschte. – Die Rezension deutet Beaux’ Text als doppelte Befreiung – biografisch wie literarisch. Sie liest „Un tombeau pour Dustan“ nicht bloß als private Beichte, sondern als dialogischen Gegenentwurf zu Dustans radikalem Werk: Beaux übernimmt dessen Poetik der Wahrhaftigkeit („véracité“), aber verwandelt sie von einer destruktiven zu einer heilenden Kraft. Der Rezensent betont die Spannung zwischen Bewunderung und Abrechnung, zwischen Liebe und Rache, die das Buch strukturiert. Beaux’ Schreiben wird als Akt der Parrhesia – einer mutigen, schonungslosen Rede – gedeutet, der zugleich psychoanalytische und ästhetische Funktion erfüllt. Die Rezension verknüpft das Werk mit den historischen Diskursen über AIDS, Sexualität und gesellschaftliche Rebellion, um es als literarische Antwort auf Dustans Skandalästhetik zu positionieren: Wo Dustan provozierte, reflektiert Beaux; wo jener den Tabubruch suchte, sucht dieser Versöhnung. Das „Tombeau“ erscheint so als Requiem für eine Epoche und als Selbsttherapie eines Überlebenden, der seine Stimme durch das Schreiben wiederfindet.

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