Der jüngste Roman „La chambre à brouillard“ („Die Nebelkammer“, Minuit 2023) von Eric Chevillard gibt Anlass, die poetologische Funktion des Nebels in seinen Texten näher in Augenschein zu nehmen.
LesenAufblitzen im Augenblick einer Gefahr: Walter Benjamin bei Aurélien Bellanger
„Als Scholem seinen Freund 1938 nach mehr als zehn Jahren wiedersah, stellte er fest, dass sein Haar weiß geworden war und er an Gewicht zugenommen hatte. Ich kann nicht anders, als mir die groteske Figur eines Benjamin vorzustellen, der überproportional gewachsen ist und das gesamte Volumen der Nationalbibliothek einnimmt – ein Benjamin aus Pappmaché oder Wachsschmelze, der den Negativabdruck der Bibliothek bildet, aber in extremis Notausgänge aus dem Albtraum von Babel gefunden hätte, ohne sie leider für sich selbst nutzen zu können.“
LesenFamilienepos in acht Zeugungsakten: Laurent Quintreau
Laurent Quintreaus „Ève et Adam“ erzählt Familienhistorie über die kontingente Vereinigung von Sexualpartnern in acht Generationen von 1852 bis in das Jahr 2046. Dieses Epos der Zeugungen ist nicht zuletzt eine Geschichte der Geschlechter im Verhältnis der Reproduktionen.
LesenVél d’Hiv als Kinderantlitz: Cloé Korman
Cloé Korman gibt drei Großcousinen ein Gesicht, die als jüdische Kinder in Auschwitz umkamen: Mireille, Jacqueline und Henriette.
LesenPerlmutt und Bataille: Yannick Haenel
„Le Trésorier-payeur“ (2022) von Yannick Haenel lässt einen Philosophen mit Namen Georges Bataille Bankier werden. Eine Ökonomie der Verschwendung und der Verausgabung, auch für die Kunst.
LesenAufblühen der Bedeutung selbst: Jean-Michel Maulpoix
Goncourt-Preisträger 2022 für Poesie ist Jean-Michel Maulpoix, mit dem jüngsten Gedichtband „Rue des fleurs“
LesenAction directe im Roman: Vanessa Schneider und Monica Sabolo
Mit Joëlle Aubron (1959–2006) in Vanessa Schneiders „La fille de Deauville“ (Grasset) und mit Nathalie Ménigon (geb. 1957) in Monica Sabolos „La vie clandestine“ (Gallimard) werden zwei Mitglieder der linksradikalen Action directe 2022 zu Romanfiguren.
LesenRussland als Albtraummaschine des Westens
Der Roman nimmt Putins Berater Wladislaw Surkow als Vorbild für seine Politfiktion, die es auf die erste Auswahlliste des Goncourtpreises geschafft hat, als Roman über das gegenwärtige Russland.
LesenStillstand und Vollendung: Jean-Philippe Toussaint
Stillstand und Vollendung: Jean-Philippe Toussaint, „La disparition du paysage“ und „L’instant précis où Monet entre dans l’atelier“. Die beiden Kurztexte sind explizite Auseinandersetzungen mit dem Sterben und dem aufgeschobenen Abschluss des eigenen Werks.
LesenVerheißung und Entfremdung des Fastfood
„En salle“ ist der Bereich, in dem niemand aus dem Team arbeiten möchte. Es ist der Essensbereich der Systemgastronomie – und der Titel des ersten Romans von Claire Baglin, geboren 1998. Die zwei Teile des Textes gehören auf desillusionierende Weise zusammen: Verheißung und Entfremdung, die Kindheit als Tochter eines Arbeiter-Vaters und die Jahre in einer Restaurantkette.
LesenKindheit zwischen den Sprachen
Aus kindlicher Perspektive ein Leben zwischen zwei Sprachen zu erzählen, diese per se poetische Erfahrung bietet uns Polina Panassenko in ihrem autofiktional grundierten Text Tenir sa langue.
LesenPoesie der Körpertechniken: Aby Warburg tanzt
Die beiden Bücher „Voguer“ (2019) und „Aby“ (2022) von Marie de Quatrebarbes lesen den Tanz der Körper poetisch. Der Beitrag deutet insbesondere den Roman über Aby Warburg als Poetisierung seiner theoretischen Arbeit als Kunstgeschichtler und Kulturwissenschaftler.
LesenFlaubert im Bade
Am 12. Dezember 2021 wurde der 200. Geburtstag von Gustave Flaubert begangen. Ganz im Sinne von Robbe-Grillet erscheint unser Autor in einer ganzen Zahl an Romanen als „Textfigur“.
LesenEuropa als Schicksalsgemeinschaft? Zur Anthologie von Olivier Guez
Die Vielfalt Europas literarisch darzustellen hat sich die von Olivier Guez besorgte Anthologie Le Grand Tour: autoportrait de l’Europe par ses écrivains vorgenommen, ihrerseits ein Nebenprodukt der französischen Ratspräsidentschaft in der ersten Jahreshälfte 2022.
LesenBanalität des Bösen? Subjektivität bei Pierre Sautreuil
Pierre Sautreuil arbeitet seit 2014 als Journalist im Bereich der Russland- und Ukraine-Berichterstattung, zunächst für den Nouvel Observateur, später bei Le Figaro und La Croix. Der Text beruht auf Sautreuils realer Begegnung mit einem russischen Söldner im ostukrainischen Gebiet Donbass.
LesenUkraineroman zwischen Europa und Putin
„Donbass“ (2020) ist ein roman noir über die gleichnamige ostukrainische Kriegsregion, wo sich pro-russische Separatisten seit 2014 gegen die neue Macht in Kiew wendeten. – Im neuesten Roman „Les loups“ von 2022 zeigt uns Benoît Vitkine die Ukraine der Oligarchen, einige Monate vor der Maidan-Revolution und der Einsetzung einer pro-europäischen Regierung.
LesenZur Gattung des Präsidialromans
Eine beiderseitige Verquickung gilt es zu untersuchen zwischen politischer Macht und kulturell-ästhetischer, hier fiktionaler Repräsentation in Form von Dichterlob, Mäzenatentum, copinage oder eben eines französischen Präsidialromans der letzten Amtszeiten und bereits für 2027 (in Houellebecqs neuestem Roman „Anéantir“).
LesenNiemandem den Krieg erklärt
Vuillard traut sich an die tabuisierte Darstellung „einer der größten militärischen Niederlagen Frankreichs, von den in der Senke von Điện Biên Phủ eingeschlossenen Truppen, vom Zusammenbruch einer Strategie, vom Chaos, vom Schrecken der Soldaten […].“ Dieses nationale Trauma incl. seiner Vorbereitung wie auch der Konsequenzen ist ein Erzählzentrum des Buchs.
LesenAutofiktion im Irrealis
Constance Debrés „Nom“ formuliert ein politisches Programm, die radikale Moderne einer Welt ohne Abstammung, Familiennamen, ohne Kindheit und elterliche Autorität, ohne Erbschaft, Vermögen oder Staatsangehörigkeit.
LesenHippies in Marokko
Die aus Marokko stammende Goncourt-Preisträgerin von 2016, Leïla Slimani, legt 2022 mit Regardez-nous danser den zweiten Band ihrer Trilogie „Le pays des autres“ vor, die nach Abschluss Marokkos Geschichte von 1945 bis 2015 behandeln wird.
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