Parataxe und Labyrinth: Traumapoetik bei Olivia Rosenthal

Olivia Rosenthals „Une femme sur le fil“ ist eine radikale literarische Reflexion über die Sprache, in der die Fragmentierung von Erinnerung, das Wiederholungsprinzip und die Unmöglichkeit eines linearen Erzählens die Zerrissenheit traumatischer Erfahrung erfahrbar machen. Zoés Geschichte wird in nummerierten Fragmenten erzählt, die oft abrupt abbrechen und keine klare narrative Kontinuität aufweisen. Dies spiegelt nicht nur ihre innere Zerrissenheit wider, sondern thematisiert auch die Grenzen der Sprache selbst. Zoé wird in ihrer Kindheit von ihrem Onkel missbraucht, was sie in ein Leben der Unsicherheit und Angst stürzt. Ihr Alltag ist geprägt von dem Versuch, der bedrängenden Erinnerung zu entkommen, indem sie sich Strategien des Vermeidens aneignet: Während Zoé versucht, ihre Vergangenheit zu verarbeiten, reflektiert sie über die Mechanismen von Erinnerung und Erzählung. Sie erkennt, dass Sprache eine begrenzte Möglichkeit bietet, Traumata auszudrücken, und bewegt sich zwischen Fragmenten von Mythen, Literatur und persönlichen Erfahrungen. Durch Wiederholung und Variation ihrer eigenen Geschichte versucht Zoé, ihr Trauma erzählbar zu machen.

Gaslighting und Autofiktion: Camille Laurens

Camille Laurens’ Roman „Ta promesse“ greift auf ihre Erfahrung im Bereich der Autofiktion zurück, um eine packende Geschichte von Liebe, Verrat und toxischen Abhängigkeiten zu entfalten. Der Roman schildert nicht nur eine leidenschaftliche Beziehung, sondern seziert auch die Dynamiken von Macht und Manipulation und bietet schlussendlich eine Reflexion über die kreative Schaffenskraft. Im Zentrum der Handlung stehen Claire, eine gefeierte Schriftstellerin, und der charismatische Gilles. Gilles entpuppt sich zunehmend als manipulativer Narzisst, der Claire emotional isoliert und zermürbt. Die Protagonistin Claire steht im Mittelpunkt einer Geschichte, die von Manipulationen und Lügen geprägt ist, was sie schließlich vor Gericht bringt. Die Suche nach der Wahrheit wird zur Hauptmotivation ihres Schreibens und ihrer Reflexionen. Die Eskalation gipfelt in einem Gerichtsdrama, das Laurens mit der Präzision einer Thriller-Autorin entfaltet.