Laure Gouraige und eine nicht komische Komödie

„Ich schreibe eine Komödie. Eine nicht komische Komödie. Einen leichten und heiteren Text, aber ohne Humor.“ Laure Gouraiges dritter Roman über den Versuch, heute einen Roman mit Leichtigkeit zu schreiben: „Le livre que je n’ai pas écrit“ (2024).

Die Jungfrau im lebendigen Diesseits: Kamel Daouds Doppelroman

„Am Verhältnis zur Frau zeichnet sich das Verhältnis zur Fantasie, zum Begehren, zum Körper, zum Leben ab.“ Kamel Daouds Roman „Houris“ (2024) lässt sich als Gegengeschichte zu seinem Museumsdialog „Le peintre dévorant la femme“ (2018) lesen: Während hier ein fiktiver körperfeindlicher Djihadist mit der erotischen westlichen Malerei von Pablo Picasso konfrontiert ist, lässt in „Houris“ Daoud eine schwangere Überlebende des algerischen Bürgerkriegs über die Stummheit der Frauen nachdenken, als Geschichte einer einzelnen und kollektiven Wiederauferstehung.

Wenn man sagt, dass man nichts mehr sagen kann

Alain Robbe-Grillet bei Emmanuelle Lambert

Eine junge Frau kommt nach Paris und entdeckt ein intellektuelles Milieu, eine Männerkaste: den Papst des Nouveau Roman, Alain Robbe-Grillet, und seine Ehefrau Catherine, die eine radikale Freiheit von Sexualität und von Literatur vertreten. Lambert hatte schon das Nachwort zu Catherines Buch Alain geschrieben, 2009 eine Erzählung über ihre Zusammenarbeit mit Robbe-Grillet ein Jahr nach seinem Tod veröffentlicht, Mon grand écrivain. Raphaëlle Leyris interpretiert in Le Monde dieses neuerliche Buch nach 15 Jahren so, dass sich Lambert nicht mehr versteckt, es wird ein Bildungsroman in weiblicher Perspektive, etwa im Kapitel „Heldinnen“. Claire Devarrieux in Libération lobt die Schwebe zwischen Komik und Zuneigung, Empathie und Distanzierung. So wagt Lambert Widerspruch, als Robbe-Grillets letztes Buch Pädophilie und Inzest feiert: Fantasie ist keine Ausrede. Lambert konzediert im Nouvel Observateur aber auch: „Es gibt immer eine Kluft zwischen der Erinnerung an einen Schriftsteller und der Realität seiner Bücher.“ Die Autorin erzählt u.a. vom Bewusstsein des „Rock-Stars der Avantgarde“ für Besitz, Hierarchie und Macht, von den Strukturen der Mitarbeiter am Institut und den feinen akademischen Unterschieden, von den unangemessenen sexuellen Fragen Robbe-Grillets bei ihrer ersten Begegnung im normannischen Schloss, die 36 Kapitel enden mit einem ambivalenten Fest.

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Unheil der Reisenden: Jérôme Ferrari

Der Goncourt-Preisträger Jérôme Ferrari eröffnet 2024 mit „Nord Sentinelle“ eine Trilogie über die Begegnung mit dem Anderssein. Der Korsikaroman der Sippe Romani nimmt einen Mord zum Gegenstand, erweist sich aber zugleich als Gegenüberstellung einer traditional-archaischen Inselwelt mit einer vom Overtourism ruinierten Landschaft und Gesellschaft.

Woher kommt also die Freude?

Tanguy Viel publiziert 2024 bei Minuit ein Vivarium, also eine Anlage für Lebewesen. Der Verlag kündigt diese Fragmente an als „verglaste Schutzräume für das sich bewegende Denken“, eine Lebensumgebung also, in der wir uns aufhalten können, „im unaufhörlichen Austausch des Lebendigen und des Benannten, wo man manchmal am Rande aller Dinge flüchtige Entschlüsse und Sprachausfälle entdeckt“. Tiphaine Samoyault schreibt in Le Monde: „Das Ergebnis ist ein Buch, das sich sehr von seinen üblichen Büchern unterscheidet, weit entfernt vom Roman, wie er ihn überwiegend geschrieben hat, von Cinéma bis La Fille qu’on appelle (Minuit, 1999 und 2021), und der Vertrauen in die Fiktion, ihre Figuren und ihre Szenerien hat.“ Im Gespräche mit Nathalie Crom in Télérama bekennt Viel: „Der Roman scheint mir nicht mehr die Fähigkeit zu besitzen, die neuen Komplexitäten der Welt zu absorbieren – wie er es im 19. und 20. Jahrhundert getan hatte.“

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