Gärten der Verwandlung: Marivaux und Emmanuelle Bayamack-Tam
Der Artikel verbindet Pierre de Marivaux’ „Le Triomphe de l’amour“ (1732) mit zwei zeitgenössischen Werken von Emmanuelle Bayamack-Tam, der Theateradaption „À l’abordage!“ (2021) und dem Roman „Arcadie“ (2018). Gemeinsamer Kern ist eine dramaturgische Grundkonstellation: Eine junge Figur dringt in eine abgeschottete Welt ein – sei es die philosophische Enklave Hermocrates, die sektenhafte Gemeinschaft Kinbotes oder die utopische Kommune Arcadys. In allen Fällen wird die Ordnung durch Liebe, Begehren und Verwandlung herausgefordert. Dabei variiert der Modus: Marivaux’ Komödie inszeniert eine strategische Maskerade zur Wiederherstellung der Ordnung; Bayamack-Tam transformiert dieses Modell in „À l’abordage!“ zur queeren Farce und in „Arcadie“ zur melancholischen Selbstsuche. Die Maske wird zur Identität, das theatrale Spiel zur existenziellen Transformation. Der Artikel zeigt, wie Bayamack-Tam Marivaux nicht nur aktualisiert, sondern auch radikal umcodiert: Statt einer binären Welt aus Vernunft und Gefühl entwirft sie fluide Identitäten, deren Begehren nicht normativ gezähmt, sondern politisch befreit ist. Während Marivaux die Liebe als Mittel der Restauration inszeniert, wird sie in „À l’abordage!“ zur lustvollen Destabilisierung und in „Arcadie“ zum Prüfstein utopischer Heilsversprechen. Farah ist dabei nicht mehr nur Subjekt der Verkleidung, sondern der Verwandlung selbst. Der Aufsatz liest Bayamack-Tams Werke als Hommage an Marivaux durch subversive Fortschreibung – ein queerer Humanismus, der Masken nicht fallen lässt, um Wahrheit freizulegen, sondern um Identität als offenes Werden zu behaupten.