Rimbaud-Fiktionen: Philippe Lemaire

Philippe Lemaires Roman „L’Arpenteur de rêves“ (2021) lässt sich nicht als bloße Biographie oder historischer Bericht über den Dichter Arthur Rimbaud lesen. Der Text präsentiert vielmehr eine poetische Konstruktion, die auf verschiedenen Ebenen mit der Figur spielt: Rimbaud wird zugleich erzählt, beschworen und neu erfunden. Schon der Titel verweist auf eine doppelte Bewegung: der „Vermesser der Träume“ ist jemand, der das Unmessbare kartographiert, der das Unmögliche in Sprache fasst und zugleich in der Schwebe belässt. Lemaire erzählt Rimbaud, indem er ihn fiktionalisiert, um sein Bild für den Leser neu sichtbar zu machen.

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Rimbaud-Fiktionen: Alain Blottière

Alain Blottières Roman „Azur noir“ (2020) lässt sich als „Rimbaud-Fiktion“ interpretieren, in der der Protagonist Léo eine obsessive und transformative Verbindung zum französischen Dichter Arthur Rimbaud eingeht. Rimbaud ist für Léo nicht bloß eine literarische Figur, sondern wird zu einem zentralen Element seiner persönlichen Erfahrung, seiner Wahrnehmung der Welt und seiner kreativen Entfaltung, insbesondere in einem apokalyptischen Szenario des „Endes der Welt“. Der Roman entfaltet eine reiche Intertextualität, die sich auf biographische Details, poetische Konzepte und thematische Parallelen erstreckt. Die Erzählung ist in einem Kontext eines Endes der Welt („fin du monde“) angesiedelt, geprägt von extremen Hitzewellen, Bränden, Überschwemmungen und Umweltkatastrophen. Léo empfindet diese Gegenwart als unerträglich, und die „Rimbaud-Fiktion“ wird zu seinem „ultime refuge“. Rimbauds Welt, so wie Léo sie in seinen Visionen wahrnimmt, ist ein „Paradies“ ohne die Schrecken der Gegenwart – ein Paris vor der Industrialisierung, voller Pferde, sauberer Luft und unberührter Natur.

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Rimbaud-Fiktionen: Philippe Besson

Philippe Bessons Roman „Les jours fragiles“ (Julliard, 2004) geht von den letzten Lebensjahren des Dichters Arthur Rimbaud aus und zeichnet ein intimes Porträt aus der Perspektive seiner Schwester Isabelle. Der Roman ist eine suggestive Rimbaud-Fiktion, die die komplexen Beziehungen innerhalb der Familie und Isabelles innere Welt beleuchtet, während sie sich dem Mythos ihres Bruders nähert.

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Rimbaud-Fiktionen: Jean-Michel Lecocq

„Le squelette de Rimbaud“ von Jean-Michel Lecocq ist eine Kriminalgeschichte, die sich um die rätselhafte Entdeckung von Arthur Rimbauds Grab dreht und dabei in die Legenden und das Erbe des Dichters eintaucht. Der Roman spielt in Charleville-Mézières, der Heimatstadt Rimbauds, die in einer Phase kultureller Trägheit und wirtschaftlicher Sparsamkeit verharrt. Diese Lethargie wird jäh unterbrochen, als Georges Hermelin, der kulturverantwortliche stellvertretende Bürgermeister, eine gewagte und provokante Idee vorschlägt: die Erweiterung des Rimbaud-Museums um eine spezielle Ausstellung, deren Herzstück Rimbauds Schenkelknochen sein soll. Der Schock ist jedoch unermesslich, als bei der Öffnung des Sarges festgestellt wird, dass das darin befindliche Skelett beide Beine intakt besitzt und somit nicht Rimbaud gehören kann.

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Rimbaud-Fiktionen: Samuel Benchetrit

Der Roman „Le coeur en dehors“ (Grasset, 2009) von Samuel Benchetrit führt uns in die Welt von Charlie Traoré, einem zehnjährigen Jungen malisch-schwarzer Herkunft, der in einer französischen Banlieue-Siedlung, einer „Cité“, aufwächst. Sein tägliches Leben ist geprägt von der Zuneigung seiner Mutter Joséphine, seiner Schwärmerei für Mélanie, der Freundschaft zu seinen Kameraden und der Sorge um seinen drogenabhängigen älteren Bruder Henry. Die Handlung setzt dramatisch ein, als Charlies Mutter von der Polizei festgenommen wird, da ihre Papiere nicht in Ordnung sind. Der Roman schildert daraufhin einen einzigen, prägenden Tag in Charlies Leben, während er durch seine Cité streift, um seinen Bruder Henry zu finden und die Geschehnisse um die Verhaftung seiner Mutter zu ergründen. Diese Odyssee führt ihn durch die nach Dichtern benannten Türme, verfallene Einkaufszentren und trostlose Viertel seiner Umgebung. – Charlie selbst kann als eine Art moderner „Seher“ (voyant) im Rimbaud’schen Sinne verstanden werden, auch wenn er selbst keine Verse schreibt.

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Was wirklich neu war in Literatur, Malerei und Musik: Jacques Rivière

Anlässlich seines hundertsten Todestages wird Jacques Rivière in die Sammlung Bouquins aufgenommen, mit einem Band, der sein Werk als Schriftsteller, Kritiker und Essayist beleuchtet, herausgegeben von Robert Kopp in Zusammenarbeit mit Ariane Charton, mit Vorwort von Jean-Yves Tadié. Jacques Rivière (1886–1925), oft als ein „Kritiker von Genie“ beschrieben, der „durch andere lebte“, war eine zentrale …

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Rimbaud-Fiktionen: Pierre Michon und William Marx

In „Rimbaud le fils“ (Gallimard, 1991) verfolgt Pierre Michon nicht das traditionelle Ziel eines Biografen, neue Fakten über Arthur Rimbaud zu enthüllen oder bestehende Studien zu ergänzen. Vielmehr dringt er in die Persönlichkeit und Intimität des Schreibens des Dichters ein, um letztlich zu seiner eigenen schriftstellerischen Stimme zu finden. William Marx (Minuit, 2005) betrachtet das Schweigen Rimbauds als einen Punkt, an dem sich eine Ära des Glaubens an die absolute Macht der Literatur endgültig schließt und die moderne Literatur in eine existenzielle Krise gerät, aus der sie bis heute nicht vollständig herausgefunden hat. – Das bedeutet, dass Michons Buch selbst zu einem Objekt der Marx’schen Analyse werden könnte: als ein Werk, das die „Mythologisierung“ Rimbauds fortsetzt und so zur Aufrechterhaltung des Diskurses über das „Adieu à la littérature“ beiträgt, auch wenn es dies auf eine persönlich-künstlerische und nicht auf eine historisch-soziologische Weise tut.

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Rimbaud-Fiktionen: Yves Bonnefoy

Yves Bonnefoys Werk „Rimbaud“, dessen erste Ausgabe 1961 erschien und 1994 neu aufgelegt wurde, ist gewiss mehr als eine konventionelle Biografie; es ist eine Interpretation von Arthur Rimbauds Leben und Schaffen, die sich auch als „Rimbaud-Dichtung“ verstehen lässt. Bonnefoy verfolgt das explizite Ziel, Rimbauds ureigene „Stimme wiederzufinden, seinen Willen zu entschlüsseln, seinen Akzent wiederzubeleben“.

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Rimbaud-Fiktionen: Victor Kathémo

Der Roman „Le descendant africain d’Arthur Rimbaud“ von Victor Kathémo erzählt die Geschichte des Ich-Erzählers Racho, der in Äthiopien, genauer gesagt in Dirédoua nahe Harar, geboren wurde. Sein Leben nimmt eine unerwartete Wendung, als seine Identitätspapiere gestohlen werden und der Dieb bei einem Unfall ums Leben kommt. Rachos Familie, die sich auf die Adresse in den gestohlenen Dokumenten beruft, hält den Toten für Racho selbst und veranstaltet eine Beerdigung zu seinen Ungunsten. Von seinen Angehörigen als „Wiedergänger“ oder „bösartiger Geist“ missverstanden und gefürchtet, verlässt Racho sein Dorf und begibt sich auf eine schwierige Reise, die er als sein „Kreuzweg“ bezeichnet. Im Verlauf seiner Odyssee entdeckt Racho, dass er ein entfernter Nachfahre Arthur Rimbauds ist. Seine Ururgroßmutter, eine Amhara-Frau und Gewürzhändlerin, hatte in Harar eine „kurze und diskrete Liaison“ mit Rimbaud, aus der nach dessen plötzlicher Abreise ein Kind hervorging.

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Rimbaud-Fiktionen: Sigolène Vinson

Der Roman „Courir après les ombres“ (2015) von Sigolène Vinson entwirft eine komplexe und tragische Erzählung, die sich um die Obsession des Protagonisten Paul Deville mit dem französischen Dichter Arthur Rimbaud dreht. Diese Obsession ist nicht nur ein zentrales Motiv, sondern auch der tragische Angelpunkt, der Pauls Handlungen, seine Rechtfertigungen und letztlich sein Scheitern in einer globalisierten Welt bestimmt. Rimbaud dient dabei als Projektionsfläche für Pauls idealistische Sehnsüchte, die sich jedoch unweigerlich mit den brutalen Realitäten des internationalen Handels und imperialistischer Machtpolitik verflechten.

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Rimbaud-Fiktionen: Thierry Beinstingel

Der vorliegende Roman „Vie prolongée d’Arthur Rimbaud“ (Fayard, 2016) von Beinstingel inszeniert eine provozierende Uchronie, indem er die literarische Legende Arthur Rimbauds als eine Fortsetzung seines Lebens jenseits des offiziell bekannten Todesjahres 1891 neu erzählt. Im Zentrum steht die Doppelidentität des Dichters, der unter dem Namen Nicolas Cabanis seine Krankheit überlebt und ein neues, scheinbar profanes Leben als Unternehmer und Familienvater beginnt, während der „tote“ Arthur Rimbaud in der europäischen Literaturszene zur Legende wird. Der Roman erkundet die Spannung zwischen dem „lebenden“ Nicolas, der sein dichterisches Erbe verleugnet, und dem „toten“ Arthur, dessen Ruhm von Literaturkritikern und seiner Schwester Isabelle posthum konstruiert wird.

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Rimbaud-Fiktionen: Guillaume Meurice

In Guillaume Meurices Rimbaud-Fiktion „Cosme“ (2018) ist der Protagonist Sohn spanischer Einwanderer, der in Biarritz geboren wurde und seine Kindheit verbrachte. Sein Leben ist eine bewegte Reise, die ihn von Jugenddelinquenz in den Pariser Vorstädten über einen Militärdienst, bei dem er Geheimnachrichten entschlüsselt, bis hin zu endlosen Stunden in Schachklubs führt. Cosme ist ein freier Geist, ein Dichter und potenziell ein „Seher“ („Voyant“), der Freundschaft schätzt und eine Existenz zwischen geteilten Leidenschaften, unendlicher Einsamkeit, Schwindelgefühlen und einer „langen Entfesselung der Sinne“ führt. Ein zentrales Thema in Cosmes Leben ist seine beharrliche und fast obsessive Suche nach dem verborgenen Sinn von Arthur Rimbauds rätselhaftem Gedicht „Voyelles“, das er als den „Gral der französischen Poesie“ betrachtet. Er ist unbeirrbar in seiner Entschlossenheit, Geheimnisse zu lüften, auch wenn dies bedeutet, unkonventionelle Wege zu gehen und sich der sozialen Gewalt, der Obdachlosigkeit oder der Missachtung von Autorität zu stellen. Letztendlich ist Cosme ein selbstlernender Alchemist der Worte, der das bestgehütete Geheimnis der französischen Literatur lüften will.

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