Was aus Texten wird, wenn der Mensch verschwunden ist: François Gagey
François Gageys Erstlingsroman „Combustions“ (2025) erzählt von drei Freunden, die nach der Explosion des Atomkraftwerks Flamanville in einer verstrahlten Zone ums Überleben kämpfen und dabei mit den Trümmern ihres eigenen Lebens konfrontiert werden. Zwischen Rückblenden in die Pariser Haute Finance, gescheiterten Beziehungen und existenziellen Verlusten entfaltet der Roman ein vielschichtiges Panorama gesellschaftlicher und individueller Erschöpfung: Paul, der dekadente Investmentbanker, Darko, der desillusionierte Suchende, und Baptiste, dessen private Katastrophe die äußere überlagert. Während die Katastrophe das Land physisch verwüstet, legt der Roman zugleich die geistige und moralische Auszehrung einer ganzen Zivilisation offen. Am Ende schreibt Baptiste, isoliert auf dem Mont Saint-Michel, die Geschichte seiner Gefährten nieder – im Bewusstsein, dass vielleicht niemand sie je lesen wird –, und findet in der Geste des Erzählens den letzten möglichen Widerstand gegen Sinnverlust und Vergessen. – Der Artikel deutet Combustions als Gesellschaftsroman, der die nukleare Katastrophe als radikale Offenlegung eines bereits im Inneren kollabierten Systems einsetzt. Seine Argumentation folgt der These, dass physische Zerstörung und moralische Dekadenz miteinander verschränkt sind: Die Explosion erscheint als sichtbare Manifestation eines lange schwelenden inneren Abbrennens von Elite, Staat und sozialen Bindungen. Die Rezension arbeitet heraus, wie der Roman über existenzielle Motive – Isolation, ungelebte Authentizität, die Erosion des Sinns von Literatur und Kommunikation – eine Diagnose der Gegenwart formuliert, die zugleich poetologisch ist: Schreiben wird zur letzten menschlichen Geste, die sich dem Nichts entgegensetzt. So erzählt der Roman weniger von der Katastrophe, als davon, was von Menschen, Beziehungen und Geschichten bleibt, wenn die Welt um sie herum verbrennt.
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