Flaubert im Bade

Flaubertforscher im Roman: Colombe Schneck

À la fin de ce roman, comme à la fin de tous les romans de Flaubert, le texte se vide, on a l’impression qu’il s’est troué et ça s’écoule à toute vitesse, pour qu’il ne reste plus rien : « C’est là ce que nous avons eu de meilleur. » Et c’est comme si c’était la vie de Flaubert.

Alain Robbe-Grillet, Le Voyageur 1

Am 12. Dezember 2021 wurde der 200. Geburtstag von Gustave Flaubert begangen. Ganz im Sinne von Robbe-Grillet erscheint unser Autor in einer ganzen Zahl an Romanen als „Textfigur“. In Robbe-Grillets Text über Barthes vergleicht er diesen mit Flaubert – der überhaupt für den Nouveau Roman ein Bürge wurde, für eine Literatur, die ihre bürgerliche Natürlichkeit, die Naivität erzählerischer Fülle à la Balzac verloren hat: „Barthes nimmt somit die Gestalt eines Romanciers an. Er bildet diese Textfigur, die für mich z.B. Flaubert sehr nahe steht: Ich kann die Gestalt Flauberts nicht von seinen Texten trennen. Dies gelingt mir bei einem Denker, d. h. bei jemandem, dessen Produktion rein begrifflich wäre, aber nicht bei einem Romancier.“ 2 Yann Plougastel schrieb aus Anlass des Jubiläums 2021 in Le Monde, Flaubert habe gar nicht eigentlich gelebt, sondern habe versucht, dem Dasein zu entgehen, aus Hingabe an die Kunst: „Der erleuchtete Zwangsarbeiter des Schreibens, der „akademische Wilde“, wie ihn seine Freunde, die Brüder Goncourt, bezeichneten, der „traumartige Gelehrte“, wie Michel Foucault es formulierte, der unzeitgemäße Einsiedler, der sein Leben eingeschlossen in seinem Büro in Croisset verbrachte, in dem ein Buddha thronte, erfüllte Gustave Flaubert zwar nicht seine Träume, war aber – wenn ich so sagen darf – der Schriftsteller, der mit einer Handvoll Romane sowohl die französische als auch die Weltliteratur des 19. Jahrhunderts revolutionierte.“ 3

Eine besondere Gestalt in unserem Kontext ist der Flaubertforscher als Protagonist, hier wird die Textfigur Flaubert um eine Kommunikationsebene erweitert. Im Fall von Colombe Schnecks Nuits d’été à Brooklyn (2020) heißt dieser Protagonist auch noch Frederick Armitage, ist also Namensgenosse von Frédéric Moreau, dem Anti-Helden aus Flauberts Éducation sentimentale (1869). Der Roman nimmt die antirassistischen Proteste der 1990er Jahre in Brooklyn zum Ausgangspunkt einer tragischen Liebe zwischen ihm und der jungen jüdischen Französin Esther, die sich bei einem Interview in den älteren, verheirateten Frederick verliebt. Sein Name Armitage hat durchaus Anklänge an die Einsiedelei (ermitage) und die Waffen (armes).

Besonders irritierend ist, wie Frederick im Roman immer wieder auf seine Hautfarbe reduziert wird, wenn etwa ein akademischer Kollege ihm einen Mantel über den Arm hängt oder wenn ein Kompliment rassistisch vergiftet ist: „Professor Frederick Armitage, dieser Flaubert-Spezialist, der für einen Schwarzen so originell ist, meint Ellis, der immer elegant und maßvoll ist, ist der ideale Gast.“ 4 Sein unzeitgemäßes Bekenntnis zu Flaubert, als Forscher schwarzer Hautfarbe, macht eine tiefe Umstrukturierung der amerikanischen Literaturwissenschaft sichtbar:

À l’université, le domaine de la littérature française est en pleine rénovation et intéresse les politiques, la presse, il agite l’administration, les intellectuels, c’est la réforme du canon, il faut faire de la place à des auteurs francophones, issus des Caraïbes, d’Afrique du Nord, il trouve la question nécessaire, mais il refuse la posture victimaire de certains de ses collègues, le rejet de la littérature classique qui l’a nourri. Il refuse de jouer une littérature contre une autre et il s’oppose à ceux qui clament qu’il y aurait une oppression ou un impérialisme d’une littérature, d’une langue, le français. Il a 41 ans, refuse d’appartenir à un clan. C’est ce qu’il est, par sa naissance, son enfance en France, sa classe sociale, cette bourgeoisie noire de Chicago, par le choix même son domaine : il ne s’est pas spécialisé en études afro-américaines, mais en littérature française. On lui a reproché sa fraternité avec Flaubert. Dans quel camp êtes-vous ? lui demande-t-on. Celui des Blancs ?

Colombe Schneck, Nuits d’été à Brooklyn

An der Universität ist der Bereich der französischen Literatur in vollem Umbruch und interessiert die Politiker und die Presse, treibt die Verwaltung und die Intellektuellen um, es geht um die Reform des Kanons, es muss Platz für frankophone Autoren aus der Karibik und Nordafrika geschaffen werden, er hält die Frage für notwendig, lehnt aber die Opferhaltung einiger seiner Kollegen ab, die Ablehnung der klassischen Literatur, die ihn ernährt hat. Er lehnt es ab, eine Literatur gegen eine andere auszuspielen, und widersetzt sich denjenigen, die behaupten, es gäbe eine Unterdrückung oder einen Imperialismus einer Literatur, einer Sprache, nämlich des Französischen. Er ist 41 Jahre alt und weigert sich, einer Clique anzugehören. Er ist das, was er ist, durch seine Geburt, seine Kindheit in Frankreich, seine soziale Klasse, die schwarze Bourgeoisie in Chicago, und durch die Wahl seines Fachgebiets: Er hat sich nicht auf afroamerikanische Studien, sondern auf französische Literatur spezialisiert. Man hat ihm seine Verbundenheit mit Flaubert vorgeworfen. Auf welcher Seite stehen Sie? wurde er gefragt. Auf der Seite der Weißen?

Skandalös ist das Auseinanderfallen der akademischen Diskurse um Rassismus und weiße Privilegien und des tatsächlichen Rassismus, dem Esther und Frederick begegnen. Ariane Singer zieht das Fazit: „Die Subtilität des Romans besteht darin, dass er anhand der von vornherein zum Scheitern verurteilten Liebesgeschichte zwischen Frederick und Esther zeigt, was Juden und Schwarze verbindet: „Die gleiche Angst. Die, aufgrund dessen, was wir sind, zu sterben.“ Der Versuch, sie zu überwinden, indem man verschüttete Geschichten ans Licht bringt: Das ist es, was dieser schöne Bildungsroman erfolgreich versucht, der von der Dringlichkeit erzählt, sich selbst zu kennen, bevor man den anderen verstehen kann.“ 5 Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten, ein „Unfall“ wird zum zeitlichen Bezugspunkt der Erzählstruktur. Und nach der Begegnung mit Esther liest Frederick auch Flaubert anders:

Tous les étés, Frederick relit Madame Bovary, il y a toujours un détail, une couleur, un sentiment qui lui échappe. Son cours qui a le plus de succès a pour titre « Sexualité, littérature et société à la fin du XIXe siècle ». Il se sait démodé, son approche est si classique. On le lui reproche, il n’est pas moderne. Il a décidé de persévérer dans ses goûts mais, pour qu’on le laisse tranquille, il a choisi ce titre se pliant à cette obligation de conceptualiser la littérature, de déconstruire, d’appliquer les abstractions de la théorie littéraire. Il sait aussi qu’avant la rentrée la plupart des étudiants l’auront jugé d’avance, il est le professeur noir, celui que l’on a nommé au nom de la diversité. Il a une certaine joie à modifier leur opinion, à voir l’air étonné de ses étudiants, Frederick Armitage est un bon professeur, ils ne s’y attendent pas. Il commence le premier cours par la lecture à haute voix de cet extrait de Madame Bovary.

« J’ai un amant ! un amant ! » se délectant à cette idée comme à celle d’une autre puberté qui lui serait survenue. Elle allait donc posséder enfin ces joies de l’amour, cette fièvre du bonheur dont elle avait désespéré. Elle entrait dans quelque chose de merveilleux où tout serait passion, extase, délire ; une immensité bleuâtre l’entourait, les sommets du sentiment étincelaient sous sa pensée et l’existence ordinaire n’apparaissait qu’au loin, tout en bas, dans l’ombre, entre les intervalles de ces hauteurs. Alors elle se rappela les héroïnes des livres qu’elle avait lus et la légion lyrique de ces femmes adultères se mit à chanter dans sa mémoire avec des voix de sœurs qui la charmaient.

Frederick déploie chacun des mots, il insiste sur ceux qu’il préfère, qui résonnent le plus, « amant », « immensité bleuâtre », « étincelaient », « ombre ». Il aime la langue française, les rythmes des phrases. Il propose aux étudiants de choisir leur mot préféré, de le prononcer à leur tour. Il souhaite que ces jeunes gens sérieux, étudiants dans une grande université, n’oublient pas le plaisir d’avaler les mots, de se laisser porter par leur rythme, de les déplier, de se laisser emporter par les phrases, l’excitation d’être mené par une histoire, sans réfléchir, sans être intelligent. Il sait qu’on va les assommer de concepts, de théories, de structuralisme, de formalisme, alors il lit à voix haute, comme il s’adonne à la joie d’entendre et de faire entendre à Lizzie, à Ruth, puis à Esther, que Gustave Flaubert, mort il y a un siècle, vous parle directement.

Colombe Schneck, Nuits d’été à Brooklyn

Jeden Sommer liest Frederick erneut Madame Bovary, und es gibt immer ein Detail, eine Nuance oder ein Gefühl, das ihm entgangen war. Sein erfolgreichstes Seminar trägt den Titel „Sexualität, Literatur und Gesellschaft am Ende des 19. Jahrhunderts“. Er weiß, dass er altmodisch ist, mit einem so klassischen Ansatz. Man wirft ihm vor, dass er nicht modern sei. Er hat beschlossen, auf seinem Geschmack zu beharren, aber damit man ihn in Ruhe lässt, hat er diesen Titel gewählt, indem er sich der Verpflichtung beugt, Literatur zu konzeptualisieren, zu dekonstruieren und die Abstraktionen der Literaturtheorie anzuwenden. Er weiß auch, dass die meisten Studenten ihn schon vor Studienbeginn als schwarzen Professor, der im Namen der Vielfalt ernannt wurde, beurteilt haben werden. Er hat eine gewisse Freude daran, ihre Meinung zu ändern, die erstaunten Gesichter seiner Studenten zu sehen – Frederick Armitage ist ein guter Lehrer, sie haben das nicht erwartet. Er beginnt die erste Stunde mit dem lauten Vorlesen dieses Auszugs aus Madame Bovary.

„Ich habe einen Geliebten, einen Geliebten!“ und schwelgte in diesem Gedanken wie in dem an eine weitere Pubertät, die ihr widerfahren war. Sie würde also endlich die Freuden der Liebe und das fiebrige Glück erleben, an dem sie so verzweifelt war. Sie trat in etwas Wunderbares ein, wo alles Leidenschaft war, Ekstase und Delirium; eine bläuliche Unermesslichkeit umgab sie, die Gipfel der Gefühle funkelten unter ihren Gedanken, und das gewöhnliche Leben erschien nur in der Ferne, ganz unten, im Schatten, in den Zwischenräumen dieser Höhen. Dann erinnerte sie sich an die Heldinnen der Bücher, die sie gelesen hatte, und die lyrische Heerschar dieser ehebrecherischen Frauen begann mit bezaubernden schwesterlichen Stimmen in ihrer Erinnerung zu singen.

Frederick entfaltet jedes einzelne Wort, er betont die Wörter, die ihm am besten gefallen, die am meisten nachklingen, „Geliebter“, „bläuliche Unermesslichkeit“, „funkelten“, „Schatten“. Er liebt die französische Sprache und den Rhythmus der Sätze. Er schlägt den Schülern vor, ihr Lieblingswort zu wählen und es ihrerseits auszusprechen. Er wünscht sich, dass diese ernsthaften jungen Leute, die an einer großen Universität studieren, nicht das Vergnügen vergessen, Wörter zu verschlingen, sich von ihrem Rhythmus tragen zu lassen, sie zu entfalten, sich von den Sätzen mitreißen zu lassen, die Aufregung, durch eine Geschichte geführt zu werden, ohne nachzudenken, ohne klug zu sein. Er weiß, dass man sie mit Konzepten, Theorien, Strukturalismus und Formalismus erschlagen wird, also liest er laut vor, so wie er sich der Freude zu hören hingibt und Lizzie, Ruth und später Esther hören zu lassen, dass Gustave Flaubert, der vor einem Jahrhundert gestorben ist, direkt zu Ihnen spricht.

Diesmal wird sich Fredericks Lektüre grundlegend verändern, seine Begegnung mit Esther lässt den Sinn von Flauberts Emma Bovary in neuem Licht erscheinen. Man lese selbst.

Des bains sans être sale

« Qu’on me donne de la râpure de marbre, du schiste de Naxos, de l’eau de mer, n’importe quoi ! Si je prenais un bain ? »

Gustave Flaubert, Hérodias

„Man gebe mir Marmorstaub, Schiefer aus Naxos, Meerwasser, irgendetwas! Was, wenn ich ein Bad nehme?“

Zwei aktuelle Flaubertromane von Alexandre Postel und Régis Jauffret stellen einen Bezug zu Flauberts Vorliebe für das Bad her – Bad in den Urgewalten des Meeres oder täglicher Rückzug in die Badewanne. Das Bad ist nicht nur Zeit der Muße und Ort der Reinigung, sondern sittengeschichtlich immer auch Gelegenheit für sinnliche Körperbegegnung, in Flauberts Jugendwerk Les Mémoires d’un fou löst der Anblick einer Frau, die aus dem Bad steigt, „als wäre eine Venus von ihrem Sockel herabgestiegen“, einen intensiven mystischen Moment des Erzählers aus. Er nennt ihn mystisch, nicht wollüstig, wie Michel Winnock in seiner Flaubert-Biographie betont. 6 Bei seiner Begegnung mit arabischer Bäderkultur faszinieren den Autor aber ebenso die Männerkörper:

Plusieurs passages des lettres à Bouilhet posent une fois encore la question de l’homosexualité de Flaubert. Celui-ci lui raconte que la sodomie est en Égypte une pratique « bien portée », tout le monde en parle comme d’une chose naturelle. C’est aux bains que cela se pratique, car « tous les garçons de bain sont des bardaches ».

Michel Winnock, Flaubert 7

Mehrere Passagen in den Briefen an Bouilhet werfen erneut die Frage nach Flauberts Homosexualität auf. Dieser erzählt ihm, dass Sex zwischen Männern in Ägypten eine „weit verbreitete“ Praxis ist, alle sprechen davon wie von einer natürlichen Sache. Sie wird in den Bädern praktiziert, denn „alle Jungs im Bad sind schwul“.

Das Bad ist Zuflucht, Ausnahmezustand, Heterotopie, Ort der Selbstsorge, Metapher der Säuberung und als Jungbrunnen ein Ort der Wiedergeburt. Man muss sich Flaubert als einen badenden Menschen vorstellen.

Flauberts Familie besaß an der normannischen Küste im Badort Deauville ein Grundstück, er hat beim Bad im Meer sein Wohlergehen gesucht wie Emma Bovary:

Elle se plaignit d’éprouver, depuis le commencement de la saison, des étourdissements ; elle demanda si les bains de mer lui seraient utiles ; elle se mit à causer du couvent, Charles de son collège, les phrases leur vinrent.

Gustave Flaubert, Madame Bovary

Sie klagte, dass ihr seit Beginn der Saison schwindelig sei; sie fragte, ob ihr das Baden im Meer helfen würde; sie fing an, über das Kloster zu plaudern, Charles über seine Schule, die Sätze kamen ihnen über die Lippen.

Man sagte dem Autor einen Reinlichkeitstick nach, so soll er auch zuhause täglich ein Bad genommen haben, in einem der Briefe an seine Geliebte Louise Colet riet er ihr:

Écoute ici un conseil médical : prends beaucoup de bains. Il y a quelque temps, j’étais fort irrité (c’était le résultat d’une grande colère qui m’avait duré plusieurs jours). Je me suis mis à ce régime et je m’en suis fort bien trouvé.

Gustave Flaubert, Lettre à Louise Colet, Rouen, mardi midi [1847] 8

Hör hier meinen medizinischen Rat: Nimm viele Bäder. Vor einiger Zeit war ich sehr gereizt (das war das Ergebnis eines großen Zorns, der mehrere Tage angedauert hatte). Ich habe diese Kur begonnen, und sie tat mir sehr gut.

Als Flaubert von der Erkrankung Colets in seiner Abwesenheit hört, klingt sein Rat mehr wie ein Bekenntnis, dass sein Leben ihm entgleitet. Die eigene Befindlichkeit zwischen körperlichen und psychischen Problemen und seine unerfüllbare Sehnsucht nach einer umfassenden inneren Erneuerung, nach einem Seelen-Bad, machen ihn zu einem schwer erträglichen Zeitgenossen, schreibt er. Der erkrankten Freundin rät Flaubert, sie solle sich vor dem Reiz der Traurigkeit und der Halluzinationen in Acht nehmen, allzuleicht werde man verrückt:

La mort doit être quelque chose de semblable, quand on en a conscience. Je ne vais pas non plus parfaitement bien, mais la machine est bonne, et, quoique les rouages grincent, faite pour durer longtemps. Je deviens de plus en plus sombre, de plus en plus âcre et hargneux. Je suis insupportable, je le sens. Tout me blesse et me froisse ; j’aurais besoin de quitter tout, d’aller vivre ailleurs, d’aspirer une bonne bouffée d’air. Il me faudrait de la brise. J’ai besoin de voir des arbres à grande chevelure et de chevaucher sur une grande route d’Asie, en plein soleil, dans de la lumière rouge. De même qu’on prend des bains sans être sale, une grande lessive intérieure me serait utile.

Gustave Flaubert, Lettre à Louise Colet, Croisset, vendredi, minuit [1847] 9

Der Tod muss etwas Ähnliches sein, wenn man sich dessen bewusst ist. Mir geht es auch nicht besonders gut, aber die Maschine arbeitet gut und ist, obwohl die Räder knirschen, für eine lange Zeit gebaut. Ich werde immer düsterer, immer verbissener und grimmiger. Ich bin unerträglich, das spüre ich. Alles verletzt mich und kränkt mich; ich müsste alles hinter mir lassen, woanders leben, einen kräftigen Atemzug nehmen. Ich brauche eine Brise. Ich müsste Bäume mit großen Kronen sehen und auf einer großen Straße gen Asien reiten, in der Sonne, in rotem Licht. So wie man ein Bad nimmt, auch ohne schmutzig zu sein, würde mir eine große innere Reinigung helfen.

Übermäßige Reinlichkeit und Sehnsucht nach innerer Revitalisierung kippen in Flauberts Bildlichkeit des Badens auch in die Grausamkeit menschlicher Jungbrunnen, wie er anlässlich der Heirat eines Freundes mit einer jüngeren Frau ausführt. Man denkt bei diesem Ausschnitt unwillkürlich an die berühmte Karikatur Flauberts als kühlem Sezierer von Emma Bovarys Herz, von dem der Lebenssaft noch tropft:

A. Lemot, Flaubert (1821–1880) disséquant Emma Bovary (1857). 

J’ai appris hier le mariage de mon ami Cloquet. Il épouse une jeune Anglaise qui a plusieurs « H » à son nom. J’en ai eu pitié, de cette pauvre fille, quoique je ne la connaisse pas. Il y avait autrefois en médecine un remède que l’on employait pour les rois en décrépitude : ils prenaient des bains de sang d’enfant. Beaucoup d’hommes encore, pour se rajeunir, s’immolent quelque cœur vierge, afin de récréer leur vieillesse et de réchauffer leurs membres froids. Et on appelle ces gens-là des âmes tendres, qui ne peuvent pas se passer d’affection.

Gustave Flaubert, Lettre à Louise Colet, 28 septembre 1846 10

Ich habe gestern von der Hochzeit meines Freundes Cloquet erfahren. Er heiratet eine junge Engländerin, die mehrere „H“ in ihrem Namen hat. Ich hatte Mitleid mit dem armen Mädchen, obwohl ich sie nicht kenne. Früher gab es in der Medizin ein Mittel, das man bei verfallenden Königen anwandte: Sie badeten im Blut von Kindern. Viele Männer opfern, um sich zu verjüngen, ein jungfräuliches Herz, um ihr Alter zu regenerieren und ihre kalten Glieder zu erwärmen. Und man nennt die Menschen zärtliche Seelen, welche ohne Zuneigung nicht auskommen können.

Legende zweiten Grades: Alexandre Postel

I never find myself, fatigue in the voice, reminding Flaubert to hang up the bathmat or use the lavatory brush. […] Look, writers aren’t perfect, I want to cry, any more than husbands and wives are perfect. The only unfailing rule is, If they seem so, they can’t be. 11

Julian Barnes, Flaubert’s Parrot

Alexandre Postel hat, vielleicht schon in Erwartung des nahen Jahrestags von Flaubert, im Jahr 2020 Un automne de Flaubert publiziert: Er zeigt uns den Dichter 1875 als Mann, der am liebsten tot sein möchte, 53-jährig, mit finanziellen und anderen Sorgen, mit der Unfähigkeit zu schreiben. Das Buch zeigt ihn im Versuch, sich wiederherzustellen bei einem Freund in Concarneau, an der Meeresküste, mit langen Bädern. Das Buch lässt Flauberts Gesunden zusammenfallen mit dem Beginn der Arbeit an La Légende de Saint Julien l’Hospitalier: „Ausgehend von diesen verbürgten Elementen habe ich mir den Roman seines Müßiggangs, den Traum seiner Träumerei und die Legende seiner Heilung ausgedacht.“ 12 Eine Legende zweiten Grades demnach wird uns mit Un automne de Flaubert erzählt, die autobiographische Grundierung der zweiten der Trois contes, alle drei sind ja besondere, säkular-moderne Formen der Heiligenerzählung. Die Geschichte des grausamen Julien, der Tiere tötete, seine Eltern erstach und schließlich in der Umarmung des Pestkranken Jesus begegnet, nannte Köhler „eine eigentümliche Mischung aus mittelalterlicher Rittersage, biblischer Geschichte und griechischem Drama“. 13

La lenteur de sa progression ne doit rien aux réquisitions du style, à la torturante recherche du mot, aux savants complots de la syntaxe et du rythme. Au contraire, à ce stade, Flaubert ne rature presque rien. Son travail ne consiste pas à inventer mais, ce qui est la seule manière de créer du vrai, à se ressouvenir ; à se ressouvenir des images qu’il avait déjà en tête lorsqu’il envisageait vingt ans plus tôt de conter cette légende, et qui ont toujours hanté son esprit puisque tout Moderne porte en lui, aux côtés d’une Antiquité fantasmée, un Moyen Âge rêvé – âge d’exaltation, de vitalité, de brutalité, où l’ardeur et l’impétuosité de la jeunesse côtoient la maturité la plus lasse.

Alexandre Postel, Un automne de Flaubert

Die Langsamkeit seines Fortschritts ist nicht den Forderungen des Stils, der quälenden Suche nach dem Wort, den geschickten Komplotten der Syntax und des Rhythmus geschuldet. Im Gegenteil, in diesem Stadium streicht Flaubert so gut wie nichts. Seine Arbeit besteht nicht darin, etwas zu erfinden, sondern – und das ist die einzige Möglichkeit, Wahres zu schaffen – sich zu erinnern; sich an die Bilder zu erinnern, die er bereits im Kopf hatte, als er zwanzig Jahre zuvor plante, diese Legende zu erzählen, und die immer in seinem Kopf herumspukten, da jeder Moderne neben einer phantasierten Antike auch ein erträumtes Mittelalter in sich trägt – ein Zeitalter der Exaltiertheit, der Vitalität und der Brutalität, in dem die Glut und das Ungestüm der Jugend neben der müdesten Reife stehen.

Postel versucht nicht, wie Flaubert zu schreiben, er arbeitet biographisch verbürgte Episoden fiktional aus. So ist dieser Lebenszeitpunkt sein Kampf, an der Küste aus der Depression und der Schreibblockade herauszukommen. Das skrupulöse Schreiben löst sich im täglich ersehnten Fünf-Uhr-Bad, das vitalisierend wirkt:

Il semble à Flaubert qu’on cherche à lui cacher quelque chose, qu’on le traite en enfant que les grandes personnes maintiennent dans l’ignorance de leurs affaires. Cette impuissance qu’on lui suppose le contrarie ; il prend la plume et exerce l’unique pouvoir dont disposent les enfants frustrés, celui de geindre. Animé d’une hargne sournoise, il évoque ses tremblements, ses étouffements, les songes qui troublent ses nuits, la tristesse de ses réveils. Il se relit ; un scrupule le retient. Alors il biffe, transforme, ajoute, et vante, pour rassurer sa nièce, le charme des lieux et la gaieté de ses compagnons, si bien que sa lettre, tiraillée entre deux humeurs contradictoires, ne ressemble en fin de compte à rien, sinon peut-être à un homard entre deux carapaces.

Il signe en hâte, Ton Vieux, car il entend sous sa fenêtre les deux Georges qui l’appellent : cinq heures, c’est l’heure du bain, ce bain qu’il ne manquerait pour rien au monde puisqu’il y fait, parmi les vagues, sous le vol rasant des mouettes et les nuages bas que le vent chasse vers le continent, l’expérience simple, ténue, chaque jour reconquise, du plaisir d’exister.

Alexandre Postel, Un automne de Flaubert

Flaubert hat den Eindruck, dass man versucht, etwas vor ihm zu verbergen, dass man ihn wie ein Kind behandelt, das von den großen Leuten über ihre Angelegenheiten im Unklaren gelassen wird. Die ihm unterstellte Hilflosigkeit ärgert ihn. Er greift zur Feder und macht von der einzigen Macht Gebrauch, die frustrierten Kindern zur Verfügung steht: dem Jammern. Mit hinterhältigem Unmut berichtet er von seinem Zittern und Ersticken, von den Träumen, die seine Nächte trüben, und von der Traurigkeit seines Erwachens. Er liest noch einmal; ein Skrupel hält ihn zurück. Er streicht, verändert, fügt hinzu und preist, um seine Nichte zu beruhigen, den Charme der Umgebung und die Fröhlichkeit seiner Gefährten, sodass sein Brief, der zwischen zwei widersprüchlichen Stimmungen hin und her gerissen ist, am Ende nach nichts aussieht, außer vielleicht nach einem Hummer zwischen zwei Panzern.

Er unterschreibt eilig, Ton Vieux, denn er hört unter seinem Fenster die beiden Georges, die ihn rufen: Fünf Uhr ist Badezeit, ein Bad, das er um nichts in der Welt verpassen würde, da er dort zwischen den Wellen, unter dem kurzen Flug der Möwen und den tief hängenden Wolken, die der Wind zum Festland treibt, die einfache, zarte, jeden Tag neu gewonnene Erfahrung der Freude am Dasein macht.

Der Herbst erlaubt noch einmal für Flaubert ein Bad mit Pouchet. Die Szene lässt sich ganz biographisch, aber auch symbolisch lesen, zwei Männer und ihre je grundverschiedene Art, in die Wirklichkeit einzutauchen oder vor ihr zurückzuweichen:

En cette dernière semaine de septembre, les femmes à ombrelle et leurs enfants mal portants ont quitté Concarneau. Le temps fraîchit ; Flaubert a passé sur sa chemise un gilet de tricot couleur cachou.

Les deux hommes sont seuls sur la plage, à l’exception d’un chien errant, un mastiff au poil jaune qui gambade dans la mer, avec de l’eau jusqu’au ventre.

Ils enfilent leur tenue de bain. Le vent fouette leurs bras nus ; un nuage obscurcit l’éclat du soleil. Flaubert avance d’un pas timide ; il annonce à Pouchet qu’il n’est pas certain de se baigner. Mais l’autre, invoquant son ascendance anglaise, se jette à l’eau sans hésiter.

Une vague glacée vient lécher le pied de Flaubert, qui recule avec la vivacité d’un enfant.

Pouchet le hèle : le battement de la mer couvre ses paroles, mais Flaubert lit dans ses gestes une invitation à le rejoindre. Faisant signe que non, il s’assoit sur un rocher. La lumière, à la fois grise et éblouissante à cause de la réverbération de l’eau, le force à plisser les yeux. À ses pieds, sur le sable humide, les empreintes d’un oiseau vont se perdre parmi les fragments d’algues et les débris de coquillages laissés par la mer. Dans une flaque flotte un petit crabe au dos verdâtre.

Flaubert trace ses initiales dans le sable, puis les efface. Il relève les yeux : la tête de Pouchet oscille au loin parmi les vagues, comme un bouchon porté par le flot.

Alexandre Postel, Un automne de Flaubert

In dieser letzten Septemberwoche haben die Frauen mit Sonnenschirm und ihre schlecht gelaunten Kinder Concarneau verlassen. Das Wetter ist kühl; Flaubert hat über sein Hemd eine cachoufarbene Strickweste gezogen.

Die beiden Männer sind allein am Strand, mit Ausnahme eines streunenden Hundes, eine Dogge mit gelbem Fell, die im Meer herumtollt und der das Wasser bis zum Bauch steht.

Sie ziehen ihre Badekleidung an. Der Wind trifft peitschend ihre nackten Arme; eine Wolke verdunkelt den Glanz der Sonne. Flaubert macht einen schüchternen Schritt nach vorn; er teilt Pouchet mit, dass er sich nicht sicher sei, ob er baden werde. Doch der andere beruft sich auf seine englische Abstammung und springt ohne zu zögern ins Wasser.

Eine eiskalte Welle schwappt über Flauberts Fuß, der mit der Lebhaftigkeit eines Kindes zurückweicht.

Pouchet ruft ihm nach: Das Rauschen des Meeres übertönt seine Worte, aber Flaubert liest in seinen Gesten eine Einladung, sich ihm anzuschließen. Er winkt ab und setzt sich auf einen Felsen. Das Licht, das durch die Reflexion des Wassers grau und grell zugleich ist, zwingt ihn, die Augen zusammenzukneifen. Zu seinen Füßen im feuchten Sand verlieren sich die Fußspuren eines Vogels in den Algenfragmenten und Muschelresten, die das Meer hinterlassen hat. In einer Pfütze schwimmt eine kleine Krabbe mit grünlichem Rücken.

Flaubert zeichnet seine Initialen in den Sand und wischt sie dann weg. Er blickt auf: Pouchets Kopf schwankt in der Ferne zwischen den Wellen, wie ein Korken, der von der Flut getragen wird.

Doch ist Flaubert im Meer untergetaucht, entfaltet sich eine Kraft des Daseins, die über die Grenzen der Sprache hinausgeht. Schaumgeborene Götter, die es nicht mehr gibt, vitale Urgewalt des Ozeans, Urgeborgenheit in der Gebärmutter – und die Gier nach Luft beim Wiederauftauchen, sie machen das Bad im Meer zur existenziellen Urszene:

Flaubert n’entend pas la suite : la tête sous l’eau, les yeux clos, le souffle coupé, il adresse un vœu confus aux puissances des profondeurs. Dans son existence antérieure d’histrion du Haut-Empire, il invoquait la déesse qui naquit de l’écume et du flot, celle dont la vue fait bondir les dauphins d’allégresse, la reine des mers et de la volupté, Venus marina, Venus pontia, Venus pelagia, à la chevelure ondoyante comme les vagues, à la peau de nacre, aux lèvres de corail, aux yeux d’aigue-marine ; mais aujourd’hui, l’enfant qu’il est d’un monde sans dieux s’en remet aux courants, aux ondulations, aux tourbillons, aux forces incessantes qu’il sent autour de lui, aux mains puissantes et multiformes de la mer qui lui caressent les cheveux, lui pétrissent les muscles et roulent son corps dans un oubli bienheureux. Sa prière, si c’en est une, ne se dépose dans aucun langage, c’est un désir inaccessible aux mots, antérieur à toute conscience : que le bleu de la mer qui le baigne, pareil au liquide dont se nourrissent les fœtus dans les grottes utérines, pénètre son âme, sa chair et son sang.

Régis Jauffret, Le dernier bain de Gustave Flaubert

Flaubert hört nicht, wie es weitergeht: Mit dem Kopf unter Wasser, geschlossenen Augen und stockendem Atem richtet er einen wirren Wunsch an die Mächte der Tiefe. In seiner früheren Existenz als Histrion des Alten Reiches rief er die Göttin an, die aus dem Schaum und der Flut geboren wurde, die Göttin, deren Anblick die Delphine vor Freude springen lässt, die Königin der Meere und der Lust, Venus marina, Venus pontia, Venus pelagia, mit Haar wallend wie die Wellen, mit Haut aus Perlmutt, Lippen aus Korallen, Augen aus Aquamarin; aber heute vertraut er, das Kind in einer Welt ohne Götter, auf die Strömungen, die Wellen, die Wirbel, die unaufhörlichen Kräfte, die er um sich herum spürt, auf die mächtigen und vielgestaltigen Hände des Meeres, die ihm das Haar streicheln, seine Muskeln kneten und seinen Körper in seligem Vergessen wälzen. Sein Gebet, wenn es denn eines ist, lässt sich in keine Sprache fassen, es ist ein Wunsch, der für Worte unerreichbar ist und vor jedem Bewusstsein liegt: Dass das Blau des Meeres, das ihn umspült, gleich der Flüssigkeit, von der sich die Föten in den Höhlen der Gebärmutter ernähren, seine Seele, sein Fleisch und sein Blut durchdringt.

Tod im Bad: Régis Jauffret

J’écris les lettres de son nom après mon bain sur la buée du miroir, du bout de ma canne dans le sable humide de la plage et sur des cahiers d’écolier à carreaux que je fourre sous le matelas afin que les vapeurs de l’encre peuplent mes songes. 14

Régis Jauffret, Cannibales

Anders angelegt ist Régis Jauffrets Le dernier bain de Gustave Flaubert, das dessen Sterbestunde in einer Badewanne als Erzählrahmen wählt, eine innere Reise des Schriftstellers, und als er tot in der Wanne gefunden wird, rasiert Maupassant den Freund noch mit dem Badewasser. Die epikuräische Haltung, sich selbst mit einem Lachen in der Badewanne zu töten, war uns in Flauberts Jugendwerk begegnet:

Quelle est donc cette pensée qui m’amène maintenant, à l’âge où tout le monde sourit, se trouve heureux, où l’on se marie, où l’on aime; à l’âge où tant d’autres s’enivrent de toutes les amours et de toutes les gloires, alors que tant de lumières brillent et que les verres sont remplis au festin, à me trouver seul et nu, froid à toute inspiration, à toute poésie, me sentant mourir et riant cruellement de ma lente agonie, comme cet épicurien qui se fit ouvrir les veines, se baigna dans un bain parfumé et mourut en riant, comme un homme qui sort ivre d’une orgie qui l’a fatigué?

Gustave Flaubert, Mémoires d’un fou

Was ist das für ein Gedanke, der mich jetzt dazu bringt, in dem Alter, in dem alle lächeln, sich glücklich finden, in dem sie heiraten und lieben; in einem Alter, in dem so viele andere sich an jeder Liebe und jedem Ruhm berauschen, in dem so viele Lichter leuchten und die Gläser beim Festmahl gefüllt sind, finde ich mich allein und nackt, kalt für alle Inspiration und jede Poesie, fühle mich sterben und lache grausam über meinen langsamen Todeskampf, wie jener Epikureer, der sich die Pulsadern aufschneiden ließ, in einem duftenden Bad badete und lachend starb, wie ein Mann, der betrunken von einer Orgie kommt, die ihn müde gemacht hat?

Auch wenn dieses Zitat aus den Mémoires d’un fou sich als intertextueller Verweis anbieten würde, so wählt Jauffret doch eine Doppelperspektive: Sein Buch besteht aus zwei Teilen – „Je“ und „Il“ – mit einem dritten poetologischeren Teil. Die Ich-Perspektive erzählt von Flaubers letztem Bad als einem alltäglichen Ritual, inclusive der wiederkehrenden Spielchen mit der Hausangestellten. Dieser Teil ist tendenziell realistisch und autobiographisch mit Innenschau verknüpft:

J’étais la proie d’un violent accès de béatitude. Je n’imaginais pas que bientôt mon âme corpulente comme un zeppelin s’envolerait. J’avais terminé la veille l’avant-dernier chapitre du premier tome de Bouvard et Pécuchet et le second ne m’inquiétait guère. D’ailleurs à cet instant je me foutais du livre et de l’art. Mon esprit flottait bienheureux dans les vapeurs du bain.

Régis Jauffret, Le dernier bain de Gustave Flaubert

Ich wurde von einem heftigen Anfall von Glückseligkeit geplagt. Ich ahnte nicht, dass meine Seele, die so korpulent wie ein Zeppelin war, bald wegfliegen würde. Ich hatte am Vortag das vorletzte Kapitel des ersten Bandes von Bouvard und Pécuchet beendet und machte mir keine Sorgen um den zweiten Band. Außerdem waren mir das Buch und die Kunst in diesem Moment egal. Mein Geist schwebte selig in den Dämpfen des Bades.

Im Teil aus der Er-Perspektive wird nicht nur das Sterben und der Tod erzählbar, auch werden hier die Wahrnehmungen als das qualifiziert, was sie sind:

Elle lui annonça que son bain était prêt. Il lui reprocha de n’avoir pas frappé. Elle prétendit le contraire.

– N’importe, vous avez vraiment une drôle de tête.

Elle s’en alla avant qu’il ait eu le temps de lui répliquer. Il se leva lourdement. Il arriva peu à peu à la salle de bains. Il posa ses vêtements sur le dossier du fauteuil. Il s’approcha de la baignoire dont l’eau lui parut mêlée de rouille comme si les rayons du soleil avaient déteint à son contact. Il s’allongea. La fenêtre était le sommet d’une cascade d’où dévalait un flot de lumière bouillonnante. Il fallut que ses yeux s’habituent à tant de clarté avant de distinguer sur le chemin de halage Louis Bouilhet transpirant en chemise avec sa veste sous le bras. À sa mort ils se ressemblaient comme des jumeaux avec leur regard turquoise, leur calvitie, leur moustache tombante mais Gustave avait vieilli depuis et aujourd’hui on ne pouvait plus les confondre. Bien sûr il n’y avait pas plus de Louis Bouilhet sur le chemin de halage que de beurre en broche.

Régis Jauffret, Le dernier bain de Gustave Flaubert

Sie teilte ihm mit, dass sein Bad fertig sei. Er warf ihr vor, dass sie nicht angeklopft habe. Sie behauptete das Gegenteil.

„Egal, Sie sehen wirklich komisch aus.“

Sie ging, bevor er etwas erwidern konnte. Er stand schwerfällig auf. Nach und nach erreichte er das Badezimmer. Er legte seine Kleidung auf die Rückenlehne des Sessels. Er ging zur Badewanne, deren Wasser ihm rostig vorkam, als ob die Sonnenstrahlen darauf abgefärbt hätten. Er legte sich hinein. Das Fenster war die Spitze eines Wasserfalls, von dem eine Flut sprudelnden Lichts herabstürzte. Seine Augen mussten sich erst an so viel Helligkeit gewöhnen, bevor er auf dem Treidelpfad Louis Bouilhet erkannte, der in einem Hemd schwitzte und seine Jacke unter dem Arm trug. Als er starb, hatten sie sich mit ihren türkisfarbenen Augen, ihrer Glatze und ihrem hängenden Schnurrbart wie Zwillinge geähnelt, aber Gustave war seitdem gealtert und heute konnte man sie nicht mehr verwechseln. Natürlich gab es auf dem Treidelpfad genauso wenig Louis Bouilhet wie Butter am Spieß.

Flaubert als Textfigur ist bei Jauffret weniger fiktionale Biographie oder Stilübung, sondern ein freies Spiel mit Flauberts imaginärem Werkuniversum, so argumentiert auch Leyris: „Diese Werke, die Korrespondenz (deren Veröffentlichung er verboten hatte) und Archive kennt der Autor von Das letzte Bad… offensichtlich mehr als gut, und diese Vertrautheit mit den Quellen ermöglicht es ihm, ohne den Flaubertschen Stil nachzuahmen, den Tanz der Erinnerungen und der prämortalen Wahnvorstellungen seiner Figur zu orchestrieren, die aus diesem Wissen und dem gemeinsamen Status als Schriftsteller hergestellt wird.“ 15

– Hérodias lui apparut furibonde coiffée d’une mitre assyrienne à mentonnière.

Depuis sa première crise sur la route de Trouville ses personnages avaient pris l’habitude de surgir à l’improviste pleins d’aigreur à l’encontre du sort qu’il leur avait réservé. Pareils à une bande de syndiqués ils le haïssaient comme un patron. Certains demeuraient figés sur le bord des paragraphes – en grève – et après avoir essayé en vain de négocier avec eux il les biffait rageusement. Quand il écrivait Salammbô c’étaient des armées entières qui braquaient sur lui des arcs, des catapultes, brandissaient des glaives, des lances – certains faisant tournoyer leur casque comme une fronde pour exploser son crâne. Même les plus humbles soldats se plaignaient. Ils n’aimaient pas les phrases dont ils étaient faits ni l’intrigue dans laquelle il les avait plongés ni les avatars du récit ni la nourriture sempiternelle ni le dénouement et l’épilogue pas davantage. Ils le traitaient de mauvais dieu.

– Des hallucinations.

Régis Jauffret, Le dernier bain de Gustave Flaubert

„Herodias erschien ihm wütend mit einer assyrischen Mitra mit Kinnbart.“

Seit seiner ersten Krise auf der Straße nach Trouville hatten sich seine Figuren daran gewöhnt, unerwartet aufzutauchen und verbittert auf das Schicksal zu reagieren, das er ihnen bereitet hatte. Sie waren wie eine Gruppe von Gewerkschaftsmitgliedern, die ihn wie einen Boss hassten. Einige blieben wie angewurzelt am Rand der Absätze stehen – im Streik – und nachdem er vergeblich versucht hatte, mit ihnen zu verhandeln, strich er sie wütend durch. Als er Salammbô schrieb, waren es ganze Armeen, die Bögen und Katapulte auf ihn richteten, Schwerter und Lanzen schwangen – manche wirbelten ihren Helm wie eine Schleuder herum, um seinen Schädel zu zertrümmern. Selbst die niedrigsten Soldaten beschwerten sich. Sie mochten weder die Sätze, aus denen sie gemacht waren, noch die Handlung, in die er sie hineingezogen hatte, noch die Avatare der Erzählung, noch die immerwährende Nahrung, noch das Ende und den Epilog. Sie nannten ihn einen bösen Gott.

„Halluzinationen.“

Das Eigenleben seiner Figuren hängt zusammen mit dem Rückzug von der äußeren Welt, auch im Bad. Leyris liest den Roman zugleich als Entmonumentalisierung eines literaturgeschichtlichen Denkmals und seines Werks: „Jauffret weiß um den erbitterten Wettbewerb zwischen Werk und Leben, aber er ist überzeugt: Im Moment des Todes verblasst das erste neben dem zweiten, ist ‚einen neuen Morgen‘ nicht wert. […] Das ist wahrscheinlich der Grund, warum Le dernier bain de Gustave Flaubert ein Text ist, der vor Leben und Energie sprüht, ein sinnlicher Text, der auf die Temperatur des Wassers oder den Geruch der Blumen achtet und die Freuden des Körpers prächtig verherrlicht. Und schließlich ein Text, der den Marmor der Legende pulverisiert, ja sogar der Legenden, die seine enorme [hénaurme] Figur umgeben.“ 16

Die berühmte Sterbeszene der Félicité in ihrer Spannung zwischen Legendenszene mit Heiligem Geist und blasphemischer Lächerlichkeit mit zerfleddertem ausgestopftem Papagei mag Jauffret hier für seine visionäre Sterbeszenerie im Kopf gehabt haben:

Une vapeur d’azur monta dans la chambre de Félicité. Elle avança les narines, en la humant avec une sensualité mystique ; puis ferma les paupières. Ses lèvres souriaient. Les mouvements de son coeur se ralentirent un à un, plus vagues chaque fois, plus doux, comme une fontaine s’épuise, comme un écho disparaît ; et, quand elle exhala son dernier souffle, elle crut voir, dans les cieux entrouverts, un perroquet gigantesque, planant au-dessus de sa tête.

Gustave Flaubert, Un coeur simple

Ein azurner Dampf stieg in Felicitas’ Kammer auf. Sie weitete ihre Nasenflügel und sog ihn mit einer mystischen Sinnlichkeit ein; dann schloss sie ihre Augenlider. Ihre Lippen lächelten. Die Bewegungen ihres Herzens wurden nach und nach langsamer, jedes Mal undeutlicher, sanfter, wie ein Brunnen versiegt, wie ein Echo verklingt; und als sie ihren letzten Atemzug tat, glaubte sie, im halboffenen Himmel einen riesigen Papagei zu sehen, der über ihrem Kopf schwebte.

Régis Jauffret spricht über Le dernier bain de Gustave Flaubert in der Maison de la poésie

Kai Nonnenmacher

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Anmerkungen
  1. „Am Ende dieses Romans, wie am Ende aller Romane von Flaubert, leert sich der Text, man hat den Eindruck, dass er ein Loch bekommen hat, und es fließt in rasender Geschwindigkeit, so dass nichts mehr übrig bleibt: „Das ist das Beste, was wir hatten.“ Und es ist, als wäre es Flauberts Leben.“ Alain Robbe-Grillet, « Je n’ai jamais parlé d’autre chose que moi (1991) », in Le Voyageur (Paris: Bourgois, 2001).>>>
  2. „Barthes prend ainsi la figure d’un romancier. Il forme ce personnage-texte très proche, pour moi, par exemple, de Flaubert : je ne peux pas séparer la figure de Flaubert de ses textes. Je parviens à le faire pour un penseur, c’est-à-dire pour quelqu’un dont la production serait purement conceptuelle, mais non pour un romancier.“ Alain Robbe-Grillet, „Pourquoi j’aime Barthes (1978)“, in Le Voyageur (Paris: Bourgois, 2001).>>>
  3. „Forçat illuminé de l’écriture, « sauvage académique », ainsi que le définissaient ses amis, les frères Goncourt, « érudit onirique » pour reprendre la formule de Michel Foucault, ermite intempestif, qui passa sa vie enfermé dans son bureau de Croisset (Seine-Maritime), où trônait un bouddha, Gustave Flaubert ne réalisa pas ses rêves mais, excusez du peu, fut l’écrivain qui, en une poignée de romans, révolutionna la littérature tant française que mondiale du XIXe siècle.“ Yann Plougastel, „Un barbare nommé Flaubert“, Le Monde, 1. Dezember 2021.>>>
  4. „Le professeur Frederick Armitage, ce spécialiste de Flaubert, si original pour un Noir, estime Ellis, toujours élégant, mesuré, est l’invité idéal.“ Colombe Schneck, Nuits d’été à Brooklyn.>>>
  5. „La subtilité du roman est de montrer, à travers l’histoire d’amour condamnée d’avance entre Frederick et Esther, ce qui lie juifs et Noirs : « La même peur. Celle de mourir en raison de ce que nous sommes. » Tenter de la surmonter en mettant au jour les histoires enfouies : voilà à quoi s’emploie avec succès ce beau roman de formation qui dit l’urgence de se connaître soi-même avant de pouvoir comprendre l’autre.“ Ariane Singer, „Trois journées d’amour et de haine : Nuits d’été à Brooklyn, de Colombe Schneck“, Le Monde, 9. Juli 2020.>>>
  6. Michel Winock, Flaubert (Paris: Gallimard, 2013).>>>
  7. Michel Winock, Flaubert (Paris: Gallimard, 2013).>>>
  8. Gustave Flaubert, Lettres à Louise Colet, Préf. Mathieu Térence (Paris: Payot & Rivages, 2017).>>>
  9. Gustave Flaubert, Lettres à Louise Colet, Préf. Mathieu Térence (Paris: Payot & Rivages, 2017).>>>
  10. Gustave Flaubert, Lettres à Louise Colet, Préf. Mathieu Térence (Paris: Payot & Rivages, 2017).>>>
  11. „Ich erwische mich nie dabei, wie ich Flaubert mit erschöpfter Stimme daran erinnere, die Badematte aufzuhängen oder die Toilettenbürste zu benutzen. […] Sehen Sie, Schriftsteller sind nicht perfekt, man möchte weinen, genauso wenig wie Ehemänner und Ehefrauen perfekt sind. Die einzige unumstößliche Regel lautet: Wenn sie so scheinen, können sie es nicht sein.“ Julian Barnes, Flaubert’s Parrot.>>>
  12. „À partir de ces éléments avérés, j’ai imaginé le roman de son oisiveté, le rêve de sa rêverie, la légende de sa guérison.“ Alexandre Postel in der Verlagsankündigung von Gallimard.>>>
  13. Andrea Köhler, „Keiner wusste die barbarische Menschennatur nüchterner zu beschreiben als Gustave Flaubert“, Neue Zürcher Zeitung, 11. Dezember 2021.>>>
  14. „Ich schreibe die Buchstaben seines Namens nach meinem Bad auf den beschlagenen Spiegel, mit der Spitze meines Stocks in den feuchten Sand am Strand und auf karierte Schulhefte, die ich unter die Matratze stopfe, damit die Dämpfe der Tinte meine Träume bevölkern.“ Régis Jauffret, Cannibales.>>>
  15. „Ces œuvres, correspondance (dont il avait interdit la publication) et archives, il est évident que l’auteur du Dernier Bain… les connaît mieux que bien, et cette intimité avec les sources lui permet d’orchestrer, sans singer le style flaubertien, la danse des souvenirs et des délires prémortem de son personnage, fabriqué à partir de ce savoir et de la condition d’écrivain qu’ils ont en partage.“ Raphaëlle Leyris, „Le dernier bain de Gustave Flaubert, de Régis Jauffret : comme une apparition“, Le Monde, 11. März 2021.>>>
  16. „Jauffret sait la concurrence acharnée que se livrent l’œuvre et la vie, mais il en a la conviction : au moment de mourir, la première fait pâle figure à côté de la seconde, ne vaut pas « un matin neuf ». […] C’est sans doute pourquoi Le dernier bain de Gustave Flaubert est un texte éclatant de vie et d’énergie, caracolant ; un texte sensuel, attentif à la température de l’eau ou à l’odeur des fleurs, et qui exalte splendidement les plaisirs du corps. Un texte, enfin, qui pulvérise le marbre de la légende, des légendes, même, entourant son personnage « hénaurme ».“ Raphaëlle Leyris, „Le dernier bain de Gustave Flaubert, de Régis Jauffret : comme une apparition“, Le Monde, 21. Januar 2021.>>>