Fällt die großen Bäume: Gaël Faye, „Jacaranda“ nach dem Genozid in Ruanda

Tout est allé si vite, j’ai l’impression d’être en décalage avec le présent, d’habiter les souvenirs d’un monde qui n’a jamais existé, d’être déjà vieux dans ce pays où la grande majorité des habitants est née après le génocide.

Gaël Faye, Jacaranda.

Alles ging so schnell, ich habe das Gefühl, nicht mehr in der Gegenwart zu sein, in den Erinnerungen an eine Welt zu leben, die es nie gegeben hat, in diesem Land, in dem die große Mehrheit der Einwohner nach dem Völkermord geboren wurde, schon alt zu sein.

Gaël Fayes viel beachteter Roman Petit Pays 1, der von Éric Barbier verfilmt und in Deutschland Schullektüre wurde, 2 hinterließ Spuren dieses Kindheitsverlusts, der politischen Gewalt und ein Empfinden der unmöglichen Rückkehr. Jacaranda (Grasset, 2024) zu lesen, lohnt sich schon allein, weil es Petit Pays nicht verdoppelt oder ersetzt, sondern transformiert. Der zeitliche Abstand und die veränderte Perspektive verlangen von uns, das Gelesene erneutzu überdenken, den Kontext zu erweitern und das unverarbeitet Gebliebene der Figuren zu betrachten. Was kommt nach dem Exil? Wie lebt eine neue Generation mit der Vergangenheit? Und welche neuen Fragen stellt die Literatur zu Identität und Erinnerung?

Faye – Sawoia – Sowa, Petit pays, bandes dessinées, Editions Dupuis, 2024.

Petit Pays folgte einer linearen, stark autobiografisch gefärbten Erzählstruktur, die von der kindlichen Perspektive des Protagonisten Gabriel geprägt ist. Die Handlung beginnt mit einer unbeschwerten Kindheit in Burundi und führt über politische Spannungen hin zu den schrecklichen Ereignissen des Genozids in Ruanda. Diese Zäsur verändert Gabriels Welt unwiderruflich und treibt ihn in die Entfremdung von seiner Herkunft. Jacaranda hingegen ist fragmentierter, reflektierender und multiperspektivisch. Der Roman arbeitet mit Rückblenden und Erinnerungsfragmenten, um die Brüche und Diskontinuitäten der Nachkriegsgesellschaft widerzuspiegeln. Stella etwa bewegt sich zwischen verschiedenen Zeitebenen, wobei ihre persönliche Geschichte mit dem kollektiven Gedächtnis Ruandas verwoben wird. Besonders auffällig ist die episodische Struktur, in der Vergangenheit und Gegenwart ineinandergreifen und durch poetische Bilder miteinander verbunden werden. Ein Beispiel für diese narrative Technik findet sich im ersten Kapitel von Jacaranda, wenn Stella in einem Krankenhaus auf einen Patienten trifft, der von den Schrecken der Vergangenheit gezeichnet ist. Diese Szene ist nicht nur eine Einführung in Stellas traumatisierte Psyche, sondern auch ein Sinnbild für Ruanda selbst, ein Land, das zwischen den Schatten der Vergangenheit und der Hoffnung auf Heilung gefangen ist.

Les nuits suivantes, Stella peine à fermer l’œil. De longs sanglots, des gémissements incessants et des hurlements parcourent le bâtiment. Dans la chambre jouxtant la sienne, elle perçoit une inquiétante agitation. Ça gratte. Ça grince. Ça crisse. Le matin, l’infirmière qui lui administre son traitement lui raconte que le patient d’à côté est un homme sans âge, interné depuis des années. La journée, il est prostré sur une chaise face à la fenêtre. La nuit, il rampe sur le sol, s’agrippe aux murs de sa chambre. Stella ne dort pas, ses angoisses reviennent, vives, acérées. Dans l’obscurité, elle fixe le plafond, guette les mouvements saccadés des geckos, reste attentive aux bruits de l’homme-cancrelat qui court le long des murs. L’hôpital est un bateau de nuit qui recueille l’humanité du fond du gouffre, les grands brûlés de l’effort de reconstruction, les éreintés des pressions familiales, les épuisés des conventions sociales, les déserteurs de la grande comédie humaine. Mais il abrite surtout ces ombres engourdies qui s’excusent d’être encore, ces âmes errantes qui vivent dans des contrées sans lumières, coquilles humaines pleines de tourments et de cauchemars impossibles à guérir.

Gaël Faye, Jacaranda.

In den folgenden Nächten kann Stella kaum ein Auge zutun. Längere Schluchzer, unaufhörliches Stöhnen und Schreie durchziehen das Gebäude. Im Zimmer neben ihrem spürt sie eine beunruhigende Unruhe. Es kratzt. Es quietscht. Es knirscht. Am Morgen erzählt ihr die Krankenschwester, die ihr ihre Medikamente verabreicht, dass der Patient nebenan ein Mann ohne Alter ist, der seit Jahren eingewiesen ist. Tagsüber liegt er auf einem Stuhl vor dem Fenster. Nachts kriecht er auf dem Boden und klammert sich an die Wände seines Zimmers. Stella schläft nicht, ihre Ängste kehren zurück, lebendig, scharf. In der Dunkelheit starrt sie an die Decke, beobachtet die ruckartigen Bewegungen der Geckos und lauscht den Geräuschen des Schabenmenschen, der an den Wänden entlangläuft. Das Krankenhaus ist ein Nachtboot, das die Menschheit vom Grund des Abgrunds aufnimmt, die Brandopfer des Wiederaufbaus, die Erschöpften des familiären Drucks, die Erschöpften der gesellschaftlichen Konventionen, die Deserteure der großen menschlichen Komödie. Aber vor allem beherbergt er diese betäubten Schatten, die sich dafür entschuldigen, dass sie noch da sind, diese umherirrenden Seelen, die in dunklen Gefilden leben, menschliche Hüllen voller Qualen und unheilbarer Albträume.

Nach der Lektüre von Jacaranda erscheint Petit Pays nicht mehr nur als autobiografisch inspirierter Erinnerungsroman, sondern als Auftakt einer längeren Auseinandersetzung mit der postkolonialen Tragödie Ostafrikas. Die Themen Flucht und Verlust bleiben zentral, doch Jacaranda erweitert den Blick um das Weiterleben mit den Schatten der Geschichte. Der Protagonist Gabriel aus Petit Pays erlebt den Krieg als Kind; Jacaranda zeigt, wie dessen Nachwirkungen sich in der Psyche der nächsten Generation festsetzen. Der Erzähler von Petit Pays, Gabriel, war ein Kind, das mit ansehen musste, wie sein Land und seine Familie zerbrachen. Auch wenn Gabriel nicht explizit als Protagonist zurückkehrt, hallt seine Geschichte in den Erfahrungen der neuen Figuren wider. Es gibt keine vollständige Heilung, sondern nur Versuche, das Leben neu zu verhandeln. Jacaranda ist keine bloße Fortsetzung von Petit Pays, sondern eine Reflexion über das, was nach der Katastrophe kommt. Die Welt von Petit Pays endet nicht mit dem letzten Kapitel, sondern setzt sich in neuen Geschichten, neuen Stimmen und neuen Formen des Erinnerns über vier Generationen fort.

Gaël Fayes literarisches Universum wird mit Jacaranda facettenreicher und zeigt, dass die Literatur helfen kann, Geschichte neu zu verhandeln. In Jacaranda gibt es weniger eine naive Hoffnung auf Heimkehr als eine tiefe, poetische Reflexion über Heimat als psychischen Raum. Faye etabliert sich damit als Chronist einer verlorenen, aber nicht vergessenen Vergangenheit. Während Petit Pays den Ruanda-Konflikt aus der distanzierten Perspektive eines burundischen Kindes zeigt, rückt Jacaranda das postgenozidale Ruanda selbst in den Fokus. Hier geht es nicht mehr nur um Massaker, sondern um das, was danach kommt: um Trauma, um den Bruch zwischen Erinnerung und Verdrängung, um die Frage, wie sich eine Gesellschaft nach einer Katastrophe neu definieren kann. Faye engagiert sich aktiv für die Erinnerung an den Genozid und die Suche nach flüchtigen Kriegsverbrechern.

Sylvie Hazebroucq, entretien avec Gaël Faye sur Jacaranda, Librairie Mollat.

Der Schriftsteller und Musiker Faye entkam zusammen mit seiner Schwester dem Genozid in Ruanda, da sie im benachbarten Burundi lebten, wohin ihre Großmutter nach früheren Massakern geflüchtet war. Seine Mutter, eine ruandische Tutsi, hatte sich mit einem französischen Abenteurer und Motorradfahrer zusammengetan, der Fremdenführer wurde. Im Alter von 13 Jahren zog Faye nach Frankreich, wo er sich mit den Schwierigkeiten des Exils auseinandersetzen musste. Seine Zuflucht fand er in der Musik, insbesondere im Hip-Hop, der ihm ermöglichte, seine Identität und seine Erfahrungen künstlerisch zu verarbeiten. Später studierte er in London und arbeitete in der Finanzwelt, fand darin jedoch keine Erfüllung und kehrte zur Musik zurück. Seine Texte erregten die Aufmerksamkeit einer Literaturagentin, die ihn dazu ermutigte, einen Roman zu schreiben. So entstand Petit Pays, das international erfolgreich war und 1,5 Millionen mal verkauft wurde. Bereits am 24. August 2024, zehn Tage nach seiner Veröffentlichung, stand der zweite Roman von Gaël Faye mit über 12.000 verkauften Exemplaren an der Spitze der Verkaufszahlen, er erhielt zudem 2024 den Prix Renaudot, galt als einer der Favoriten für den Prix Goncourt.

Gaël Faye offenbart in einem Interview mit Le Monde 3 zentrale Motive seines Schreibens: das Ringen mit der Vergangenheit, die Suche nach Heimat und die Notwendigkeit, das Unsagbare in Worte zu fassen. Faye betont, dass er sich nicht mehr zerrissen zwischen zwei Ländern, zwei Geschichten, zwei Identitäten fühle. Diese Entwicklung ist bemerkenswert, da sie einen klaren Unterschied zu den Konflikten aufzeigt, die Petit Pays und Jacaranda durchziehen. Während Gabriel, der Protagonist von Petit Pays, die Desorientierung eines Exilanten verkörpert, zeigt Fayes Interview, dass es möglich ist, sich mit der doppelten Zugehörigkeit zu versöhnen. Dies ändert die Lektüre seiner Romane: Sie erscheinen nicht mehr als bloße Klagen über Verlust und Entfremdung, sondern als Stationen einer fortwährenden Selbstverortung.

Ein wiederkehrendes Motiv in Fayes Werk und Leben ist das Schweigen seiner Mutter. Ihr Verstummen gegenüber den Schrecken ihrer Kindheit in den Flüchtlingslagern und den Verlusten ihrer Familie ist für ihn ein Sinnbild für die gesamte Generation, die den Genozid überlebt hat. Dieses Thema gibt seinen Romanen eine besondere emotionale Wucht: Das Schweigen lastet auf seinen Figuren, und ihr Kampf darum, es zu durchbrechen, ist das eigentliche Zentrum seines Schreibens. Ein entscheidender Wendepunkt in Fayes Leben war der Besuch des Theaterstücks Rwanda 94, das für ihn wie eine Erleuchtung wirkte. Es half ihm, die Stille in seiner Familie zu verstehen, die Sprachlosigkeit über den Genozid und die Unmöglichkeit, über Trauma zu sprechen. Diese Erfahrung erklärt, warum seine Werke oft eine poetische, fast musikalische Struktur haben: Sie versuchen, die Leerstellen der Geschichte mit Kunst zu füllen. Faye betont im Interview mit Raphaëlle Bacqué, dass der Genozid in Ruanda nicht als uralter ethnischer Konflikt verstanden werden darf, sondern als Folge kolonialer Einflüsse, die ethnische Kategorien politisch aufgeladen haben. Diese Erkenntnis durchzieht seine Romane und verleiht ihnen eine analytische Tiefe, die über das rein Erzählerische hinausgeht. Jacaranda knüpft hier besonders an, indem es die langfristigen Nachwirkungen dieser gewaltsamen Klassifikationen schildert. Das Interview zeigt, dass Faye weit mehr als nur ein Chronist der Gewalt ist. Er ist ein Autor, der sich mit Fragen der Identität, der Erinnerung und der Verantwortung auseinandersetzt. Jacaranda erscheint nach diesem Gespräch nicht nur als Fortsetzung von Petit Pays, sondern als literarische Selbstvergewisserung eines Autors, der seine Vergangenheit nicht mehr als Last, sondern als Ausgangspunkt für eine neue Erzählweise begreift.

Die Handlung von Jacaranda beginnt mit einer Einladung nach Kigali durch Milans Mutter, was beim Sohn eine Mischung aus Widerstand und Unsicherheit auslöst. Die Stadt wird mit all ihren Eindrücken beschrieben: Hitze, Staub, fremde Gerüche. Die Mutter bleibt verschlossen, während Milan von der Atmosphäre überwältigt wird: unbekannt, fremdartig und doch vertraut. Hier lernt er Mamie kennen, seine Großmutter, eine starke, strenge Frau. Ihre kulturelle Distanz wird in einer angespannten Kommunikation deutlich: Mamie spricht die Bantusprache Kinyarwanda mit seiner Mutter, was ihn weiter entfremdet. Milans Cousin Claude zeigt ihm die Stadt und den Alltag der Einheimischen, er berichtet von Sartre, der den Genozid überlebt hat und sich nun um andere Waisenkinder kümmert. Milan verbringt wegen der Abwesenheit der Mutter die Nacht in Claudes kleiner, ärmlicher Wohnung; die Nähe und das einfache Leben verstärken sein Gefühl der Fremdheit, aber er verbringt Zeit mit den Straßenkindern und lernt ihre Geschichten kennen. Beim Telefongespräch mit seiner Freundin Nadège in Frankreich wird die Zerrissenheit zwischen Ruanda und Frankreich deutlich. Ähnlich beobachtend bleibt Milan bei einer großen Feier im „Palais“, dem Heim der Straßenkinder, das das Land als Land der Gegensätze, zwischen Freude und Trauma, Vergangenheit und Gegenwart, zeigt. Unterdessen erfährt Milan vom Tod seines Großvaters in Frankreich. Er kehrt nach Kigali zurück, um Claude zu unterstützen, der den Mördern seiner Familie im Tribunal begegnen wird. Claude konfrontiert die Mörder seiner Familie, während Milan und Sartre als Beobachter dabei sind. Claude zieht sich nach dem Prozess zurück, während Sartre mit der Situation hadert. Milan fühlt sich erdrückt von der Geschichte des Landes, und Claude denkt in seiner Wut über Rache an den Tätern nach. Milans Beziehung zu Nadège endet endgültig: Sie bleibt in New York, während er sich zunehmend in Kigali verwurzelt fühlt. Die Erzählperspektive wechselt vorübergehend zu Stella, die von den Nachwirkungen des Genozids betroffen ist, obwohl sie danach geboren wurde. Sie leidet unter Albträumen und psychischer Instabilität. Claude kehrt an den Ort seiner Kindheit zurück, um sein Familienland zurückzufordern, doch die Dorfbewohner begegnen ihm mit Misstrauen; so werden Landbesitz und soziale Wiedereingliederung nach dem Genozid thematisiert. Milan und Stella arbeiten gemeinsam an der Lebensgeschichte ihrer Großmutter Rosalie. Sie transkribieren alte Kassetten und rekonstruieren so die Vergangenheit, erfahren die Bedeutung von Erinnerung und Geschichtsbewusstsein. Milan begleitet Claude auf die Hügel seiner Kindheit. Dort konfrontiert Claude die Menschen, die sein Familienland besetzt halten. Die Dorfbewohner reagieren ablehnend, und es wird deutlich, dass die Wunden der Vergangenheit noch lange nicht verheilt sind. Claude, Sartre und Milan organisieren schließlich eine Abschiedsparty für das „Palais“, die Heimat der ehemaligen Straßenkinder, aus der sie vertrieben werden. Während der Feierlichkeiten zeigt sich die tiefe Verbundenheit der jungen Männer, aber auch ihre Perspektivlosigkeit. Stella trägt bei einer Schulveranstaltung einen bewegenden Text über Rosalie, ihre Großmutter, vor. Dies ist ein Höhepunkt für sie, da sie die Geschichte ihrer Familie weiterträgt. Milan, Claude und Sartre versuchen, sich geschäftlich zu etablieren, doch ihre Versuche scheitern an Korruption, Bürokratie und den Herausforderungen des Alltags; die wirtschaftlichen und sozialen Barrieren für junge Menschen in Ruanda werden damit anschaulich. Als Claude seinen Plan enthüllt, sich an einem der Mörder seiner Familie zu rächen, thematisieren Milan und Sartre in ihrer Sorge den Konflikt zwischen Vergebung und Rache. Tatsächlich entführt Claude den Mann, der für den Mord an seiner Familie verantwortlich ist. Schließlich akzeptiert er doch, dass er sein Land nicht zurückbekommen wird, und versucht, einen neuen Weg für sich zu finden. Stella wird aufgrund ihrer psychischen Belastungen in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Milan besucht sie und erkennt, dass die Traumata des Genozids auch auf die nächste Generation übergehen.

Milan, Claude und Stella begeben sich im letzten Kapitel gemeinsam auf eine Bootsfahrt auf den Kivu-See. Milan, der die Urne seiner Mutter mitgenommen hatte, entscheidet sich, ihre Asche nicht im See zu verstreuen – ein Zeichen dafür, dass er sich mit seiner komplexen Identität ausgesöhnt hat.

Lors des massacres contre les étudiants tutsi, en 1973, notre école a été attaquée en pleine journée. Ils ont séparé les filles tutsi du reste du groupe et ont ordonné à nos camarades de nous rouer de coups. Après ça, nous avons été enfermées dans une classe et certains élèves ont promis de revenir avec un bidon d’essence pour nous brûler. Viviane, qui était extrêmement sportive et souple, a réussi à se contorsionner et à passer entre les barreaux des fenêtres de la classe. Elle est allée chercher les clés et nous a libérées. Le soir même, nous avons retrouvé Eugène, Paul et quatre autres camarades, qui eux aussi avaient échappé de justesse à la mort. Paul était dans un piteux état, il boitait et avait certainement des côtes cassées car chaque respiration le faisait souffrir. Eugène connaissait un camionneur qui faisait la route entre Butare et Gisenyi. Il a accepté de nous prendre avec lui contre une bonne somme d’argent et de nous cacher sous une cargaison d’avocats. On comptait s’enfuir au Zaïre, mais à Kibuye, le chauffeur a été informé qu’il y avait des barrages à la sortie de la ville. Il a pris peur et nous a laissés au milieu de nulle part, au bord du lac Kivu. Eugène et Paul nous ont dit de nous cacher dans une étable abandonnée et ils sont partis chercher de l’aide. Ils sont revenus avec trois pêcheurs qui étaient prêts à nous faire traverser le lac jusqu’à l’île Idjwi, au Zaïre, contre l’équivalent de toutes nos économies. Il n’y avait pas de temps à perdre et nous avons embarqué tous les neuf dans de frêles pirogues. Heureusement, la nuit était profonde, personne ne nous a vus nous éloigner. Eugène et moi étions dans un bateau, Paul, Venancia et Viviane dans un autre. Mais au bout de deux heures, la pirogue dans laquelle ils se trouvaient a commencé à prendre l’eau. Les pauvres écopaient autant qu’ils pouvaient mais l’eau montait irrémédiablement. Un des étudiants avec eux s’est mis à paniquer. Notre pirogue était bien devant. On ne les voyait pas, mais Paul, Viviane et Venancia tentaient de calmer le garçon pris de panique. Eugène a senti que c’était en train de virer au drame et il a ordonné à notre pêcheur de faire demi-tour au plus vite. C’est à ce moment qu’on a entendu les cris. Leur pirogue venait de chavirer. Aucun d’entre eux ne savait nager. On a ramé le plus vite possible dans leur direction mais on n’a pu sauver que Venancia. Les autres ont disparu dans les eaux du lac Kivu. Ta grand-mère n’a jamais pardonné à Venancia la mort de Viviane. Elle la tenait pour responsable. Ta mère et ta grand-mère ne se sont pas parlé pendant plus de vingt ans. Jusqu’à votre voyage, en 1998.

Gaël Faye, Jacaranda.

Während der Massaker gegen die Tutsi-Studenten im Jahr 1973 wurde unsere Schule mitten am Tag angegriffen. Sie trennten die Tutsi-Mädchen vom Rest der Gruppe und befahlen unseren Mitschülern, uns zu schlagen. Danach wurden wir in einem Klassenzimmer eingesperrt und einige Schüler versprachen, mit einem Kanister Benzin zurückzukommen, um uns zu verbrennen. Viviane, die sehr sportlich und gelenkig war, schaffte es, sich zu winden und durch die Fenstergitter der Klasse zu schlüpfen. Sie holte die Schlüssel und befreite uns. Am selben Abend trafen wir Eugène, Paul und vier weitere Kameraden wieder, die ebenfalls nur knapp dem Tod entkommen waren. Paul war in einem erbärmlichen Zustand, er humpelte und hatte sicherlich gebrochene Rippen, denn jedes Atmen bereitete ihm Schmerzen. Eugène kannte einen Lastwagenfahrer, der die Strecke zwischen Butare und Gisenyi fuhr. Er erklärte sich bereit, uns gegen eine gute Summe Geld mitzunehmen und uns unter einer Ladung Avocados zu verstecken. Wir wollten nach Zaire fliehen, aber in Kibuye wurde der Fahrer informiert, dass es an der Stadtgrenze Straßensperren gab. Er bekam Angst und ließ uns mitten im Nirgendwo am Ufer des Kivu-Sees zurück. Eugène und Paul sagten uns, wir sollten uns in einem verlassenen Stall verstecken, und sie gingen los, um Hilfe zu holen. Sie kamen mit drei Fischern zurück, die bereit waren, uns für den Gegenwert all unserer Ersparnisse über den See zur Insel Idjwi in Zaire zu bringen. Es gab keine Zeit zu verlieren, und wir alle neun stiegen in wackelige Einbäume. Zum Glück war es stockfinstere Nacht, niemand sah uns wegfahren. Eugène und ich waren in einem Boot, Paul, Venancia und Viviane in einem anderen. Aber nach zwei Stunden fing das Boot, in dem sie waren, an, Wasser einzulassen. Die armen Kerle schöpften so viel Wasser ab, wie sie konnten, aber es stieg unaufhaltsam. Einer der Studenten, der bei ihnen war, geriet in Panik. Unser Boot war weit voraus. Wir konnten sie nicht sehen, aber Paul, Viviane und Venancia versuchten, den in Panik geratenen Jungen zu beruhigen. Eugène spürte, dass sich die Situation zu einem Drama entwickelte, und befahl unserem Fischer, so schnell wie möglich umzukehren. In diesem Moment hörten wir die Schreie. Ihre Piroge war gerade gekentert. Keiner von ihnen konnte schwimmen. Wir paddelten so schnell wie möglich in ihre Richtung, aber wir konnten nur Venancia retten. Die anderen verschwanden im Wasser des Kivu-Sees. Deine Großmutter hat Venancia nie verziehen, dass Viviane gestorben ist. Sie gab ihr die Schuld. Deine Mutter und deine Großmutter haben mehr als zwanzig Jahre lang nicht miteinander gesprochen. Bis zu eurer Reise im Jahr 1998.

Der Kivu-See bildet als symbolträchtiger Ort die Grenze zwischen Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo. In der Geschichte Ruandas hat Wasser eine tragische Bedeutung – während des Genozids von 1994 wurden viele Leichen in Flüsse und Seen geworfen, als ob das Wasser die Spuren des Verbrechens verwischen sollte. So hatte Milans Mutter hatte lebenslang Angst vor dem Wasser, was mit einem traumatischen Erlebnis aus ihrer Jugend zusammenhängt: Während eines Fluchtversuchs über den Kivu-See im Jahr 1973 sank das Boot, in dem sie mit ihrer Zwillingsschwester Viviane war. Venancia war die einzige Überlebende, während Viviane und ihr Geliebter Paul ertranken. Diese Schuld und dieses Trauma prägten sie ihr ganzes Leben und manifestierten sich in ihrer Obsession, schwimmen zu lernen. Ihr Tod wird also nicht nur als biologisches Ende beschrieben, sondern als eine endgültige „Versenkung“ in eine Vergangenheit, die sie nie loslassen konnte. Für Milan ist der See dennoch nicht nur ein Ort des Todes, sondern auch ein Ort der Besinnung. Der Tod Venancias markiert einen entscheidenden Wendepunkt für Milan. Es ist nicht nur der Verlust seiner Mutter, sondern auch der endgültige Bruch mit seinem Leben in Frankreich und der Beginn einer tieferen Auseinandersetzung mit seiner rwandischen Identität. Ihre Asche bewahrt er auf und entscheidet sich am Ende bewusst dagegen, sie im Kivu-See zu verstreuen. Dies zeigt, dass er die Vergangenheit nicht auflösen, sondern als Teil seiner Identität akzeptieren will. Das gemeinsame Gleiten im Boot über den See markiert einen Moment der Stille und Reflexion nach den turbulenten Ereignissen des Romans. Die Bewegung über das Wasser suggeriert sowohl eine Reise als auch einen Übergang. Milan hat die Urne mit der Asche seiner Mutter dabei. Sein ursprünglicher Plan war es, sie hier im Wasser zu verstreuen, um ihr und sich selbst einen symbolischen Abschluss zu geben. Stattdessen akzeptiert Milan, dass seine Identität nicht in einer einfachen Entscheidung für oder gegen Ruanda oder Frankreich liegt, sondern in der Versöhnung beider.

Milan, Claude und Stella sind alle drei von der Geschichte Ruandas geprägt – auf unterschiedliche Weise, aber mit gemeinsamen Traumata. Claude ist ein Überlebender des Genozids, Stella eine Nachgeborene, die trotzdem unter dem Trauma leidet, und Milan ist ein Rückkehrer, der seine Wurzeln zu verstehen versucht. Gemeinsam auf dem Wasser symbolisieren sie die verschiedenen Wege, wie man mit der Vergangenheit umgehen kann: Konfrontation, Leiden, Reflexion – aber auch Hoffnung. Trotz der Schwere der Themen endet Jacaranda nicht in Verzweiflung, sondern in einem Moment der Ruhe und Reflexion. Es gibt keinen erzwungenen Abschluss, sondern eine sanfte Akzeptanz der Ungewissheit. Dies deutet darauf hin, dass es möglich ist, mit den Wunden der Vergangenheit weiterzuleben. Milan ist nicht mehr der unsichere Junge, der zwischen zwei Welten hin- und hergerissen ist. Stattdessen hat er gelernt, dass Zugehörigkeit nicht bedeutet, sich für eine Seite entscheiden zu müssen – sondern darin besteht, beide anzuerkennen.

Sur la terrasse, le pépiement des oiseaux recouvrait la rumeur ouatée de la ville. J’ai marqué une pause. La rosée imprégnait tout. « Tu es de retour », chantait une voix dans ma tête. Le soleil a percé à travers les nuages, laissant apparaître un bout de ciel bleu où un milan est passé comme une éclipse. En le suivant des yeux, dans le jacaranda couvert de mousse, j’ai aperçu une forme sur la branche la plus haute. Stella. Au lieu de l’appeler, j’ai décidé d’escalader l’arbre, malgré le lichen qui rendait le tronc glissant. Elle était plongée dans ses pensées, le regard à la dérive dans la clarté blême du petit matin.

— J’aurais dû me douter que tu étais dans ton arbre.

Gaël Faye, Jacaranda.

Auf der Terrasse übertönte das Zwitschern der Vögel das dumpfe Geräusch der Stadt. Ich machte eine Pause. Der Tau durchtränkte alles. „Du bist zurück“, sang eine Stimme in meinem Kopf. Die Sonne brach durch die Wolken und ließ einen Streifen blauen Himmel erscheinen, durch den ein Milan wie eine Sonnenfinsternis schwebte. Als ich ihr im moosbewachsenen Jacaranda nachsah, entdeckte ich eine Gestalt auf dem höchsten Ast. Stella. Anstatt sie anzurufen, beschloss ich, den Baum zu besteigen, obwohl der Stamm durch die Flechten rutschig war. Sie war in Gedanken versunken und ließ ihren Blick in der fahlen Morgendämmerung umherschweifen.

„Ich hätte mir denken können, dass du auf deinem Baum bist.“

Der Jacaranda-Baum ist über Jahre hinweg ein stummer Zeuge der Familiengeschichte. Über den Hutu-Propagandasender Radio des Mille Collines wurde der Beginn des Völkermords an den langbeinigen Tutsi angeblich mit folgendem Satz eingeläutet: „Fällt die großen Bäume.“ 4 Milan erinnert sich an seine Kindheit unter dem schützenden Blätterdach des Baumes, als er mit seiner Mutter Venancia und Rosalie, der Großmutter von Stella, auf der Terrasse saß. Der Baum steht für Beständigkeit inmitten von Umbrüchen und fungiert als „lebendes Gedächtnis“ der Familie und bündelt verschiedene Themen wie Erinnerung, Identität, Verlust und Veränderung. Er ist nicht nur ein physischer Ort, sondern auch ein emotionaler und historischer Anker für die Figuren, insbesondere für Milan und für Stella: „Son ami, son enfance, son univers. Son jacaranda.“ Eine Konstante in einer von Verlusten geprägten Welt. In einer der eindrucksvollsten Enthüllungen des Romans erfährt Milan, dass unter dem Jacaranda die Geschwister von Stella begraben sind – Opfer des Genozids. Die Inschriften ihrer Namen auf der Rinde machen den Baum zu einem Mahnmal für das Unaussprechliche. Diese Enthüllung verändert die Wahrnehmung des Baumes: Er ist nicht mehr nur ein Zufluchtsort, sondern auch ein Erinnerungsort für die Schrecken der Vergangenheit. Als Stella entdeckt, dass ihre Mutter Eusébie beschlossen hat, den Baum fällen zu lassen, um Platz für den Bau einer modernen Villa zu schaffen, führt dies zu Stellas Einweisung in eine Klinik. Milan hat eine ambivalentere Beziehung zum Baum. Zunächst sieht er ihn nur als Teil der Vergangenheit anderer, doch allmählich erkennt er dessen Bedeutung auch für sich selbst. Er reflektiert über die Rolle des Jacarandas als Symbol für familiäre Verwurzelung und begreift, dass Stella mit dem Baum etwas verliert, das für sie unverzichtbar war – während er selbst noch nicht versteht, was der Verlust seiner Mutter wirklich bedeutet. Der Bau der Villa anstelle des Baumes steht für den Wandel in Ruanda – ein Land, das sich rasant entwickelt und modernisiert, oft auf Kosten der Vergangenheit. Der Jacaranda wird ersetzt durch ein „bâtiment de style Dubaï“, eine seelenlose moderne Architektur, die den Garten und seine Geschichte auslöscht. Diese Veränderung zeigt, wie das Land sich seiner Vergangenheit entledigt, um in die Zukunft zu blicken, während Einzelne wie Stella und Milan an ihrer Geschichte festhalten möchten.

Chez Eusébie et Stella, la parcelle est méconnaissable. À la place du jacaranda, le chantier est bien avancé et prend tout l’espace de ce qui était autrefois le jardin. Le grand panneau du permis de construire dévoile le plan en trois dimensions du futur bâtiment : une villa de style Dubaï, cubique et froide, avec parking cimenté et palmiers de Miami. Dans le salon, Stella est affalée sur le canapé, occupée à scroller sur Instagram et Eusébie – tout juste nommée chef de cabinet dans un ministère – est au téléphone avec ses collaborateurs. Elles se jettent sur moi, m’embrassent, partagent ma tristesse et me répètent « condoléances ». Sur la terrasse où nous nous installons, la vue est désolante. Nous contemplons le chantier, sa bétonnière et son échafaudage. Stella vient de sortir de l’hôpital, elle me paraît encore faible. Eusébie aussi semble fatiguée. Elle travaille encore plus que lorsqu’elle était députée. Elle bavarde en gardant son smartphone en main et en répondant à des messages WhatsApp intempestifs.

Gaël Faye, Jacaranda.

Bei Eusébie und Stella ist das Grundstück nicht wiederzuerkennen. Anstelle des Jacarandabaums ist die Baustelle weit fortgeschritten und nimmt den gesamten Raum ein, der einst der Garten war. Das große Schild mit der Baugenehmigung zeigt den dreidimensionalen Plan des zukünftigen Gebäudes: eine Villa im Dubai-Stil, kubisch und kalt, mit betoniertem Parkplatz und Palmen aus Miami. Im Wohnzimmer liegt Stella auf dem Sofa, scrollt auf Instagram und Eusébie – gerade zur Kabinettschefin in einem Ministerium ernannt – telefoniert mit ihren Mitarbeitern. Sie stürzen sich auf mich, umarmen mich, teilen meine Trauer und wiederholen „Beileid“. Auf der Terrasse, auf der wir uns niederlassen, ist die Aussicht trostlos. Wir betrachten die Baustelle, den Betonmischer und das Gerüst. Stella ist gerade aus dem Krankenhaus entlassen worden, sie scheint mir noch schwach zu sein. Auch Eusébie wirkt müde. Sie arbeitet noch mehr als damals, als sie Abgeordnete war. Sie plaudert, während sie ihr Smartphone in der Hand hält und auf ungefragte WhatsApp-Nachrichten antwortet.

Gaël Fayes Jacaranda steht in direkter Beziehung zu seinem Vorgängerroman Petit Pays und erweitert dessen thematische und poetologische Dimensionen. Die seit dem ersten Band verstrichene Zeit, die veränderten historischen Kontexte sowie die neue Generation von Figuren schaffen eine komplexe Fortsetzung, die zugleich Kontinuität wahrt und neue narrative Wege beschreitet. Der zeitliche Abstand zwischen den beiden Romanen beträgt fast drei Jahrzehnte. Während Petit Pays vor allem die frühen 1990er Jahre in Burundi und Ruanda thematisierte, insbesondere den Genozid an den Tutsi 1994, verlagert sich die Handlung von Jacaranda auf die postgenozidale Gesellschaft Ruandas. Die Verarbeitung der Vergangenheit, der Umgang mit Traumata und die Versuche der neuen Generation, Identität und Zugehörigkeit in einem sich wandelnden sozialen und politischen Gefüge zu definieren, stehen nun im Vordergrund. Ruanda ist in Jacaranda nicht mehr der Ort eines unmittelbar bevorstehenden oder stattfindenden Konflikts, sondern eine Gesellschaft im Umbruch, die sich zwischen der Bewahrung von Erinnerung und dem Streben nach wirtschaftlichem Fortschritt bewegt. Die Modernisierung des Landes, sichtbar in der Architektur, der Urbanisierung und den neuen sozialen Strukturen, wird dabei in Spannung gesetzt zu den individuellen Schicksalen der Figuren, die weiterhin mit der Vergangenheit ringen. So urteilt Tiphaine Samoyault in Le Monde: „Auf die Stille antwortet Gaël Faye mit einer dichten Erzählung. Sein Text ist kraftvoll, großzügig und umfassend. Er zeigt die Lücken, aber er füllt sie auch. Seine Figuren laufen gegen Mauern an, aber es gelingt ihnen, diese zu überwinden und die Wahrheit freizusetzen. Jacaranda hat eine lehrreiche und heilende Wirkung. Seine Erzählkunst ermöglicht es dem Autor, durch zahlreiche, besondere und liebenswerte Charaktere den Völkermord und seine Folgen (Migration, Gacaca-Versöhnungstribunale, Gedenkstätten, posttraumatische Belastungsstörungen) für diejenigen verständlich zu machen, die sie nicht kennen oder nur aus der Ferne davon erfahren haben. Ruanda ist nicht nur ein kleines Land, sondern auch ein junges Land. Fast drei Viertel der Bevölkerung wurden nach dem Völkermord geboren. Auch sie haben ein Recht zu wissen, ebenso wie die jüngeren Generationen in Frankreich: Berichte über extreme Gewalt befreien nicht von extremer Gewalt, aber sie helfen den Menschen, die sie erlebt haben, die Tränen nicht mehr zurückzuhalten, und den Lesern, mit ihnen zu leiden und zu reflektieren.“ 5

Stilistisch bleibt Jacaranda der poetischen, sinnlichen Sprache von Petit Pays treu, jedoch sind Weiterentwicklungen sichtbar. Während Petit Pays noch stark von der kindlichen Perspektive Gabriels geprägt war, zeigt Jacaranda eine erwachsenere, reflektiertere Erkundung von Erinnerung und Identität. Die Sprache ist weniger unschuldig und erzählt verstärkt aus der Perspektive von Figuren, die sich der Tragweite der historischen Ereignisse bewusst sind. Ein weiteres poetologisches Merkmal ist die Bedeutung von Orten und Symbolen. Der Jacaranda-Baum wird als Leitmotiv eingeführt und verweist auf Beständigkeit, aber auch auf die Unausweichlichkeit des Wandels. In Petit Pays war die Natur oft ein Zufluchtsort für den jungen Gabriel; in Jacaranda wird sie zum Träger von Erinnerungen und zur Projektionsfläche für Trauer und Hoffnung. Jacaranda entfaltet die langfristigen Konsequenzen der in Petit Pays erzählten Ereignisse und betrachtet sie aus einer neuen, gereiften Perspektive. Die literarische Fortsetzung geht über eine persönliche Aufarbeitung hinaus und stellt eine Reflexion über Erinnerung, Identität und die Transformation einer Gesellschaft nach einer tiefen Krise dar. Gaël Faye gelingt es, die Fortsetzung als eigenständiges Werk zu etablieren, das sich dennoch organisch in das erzählerische Universum von Petit Pays einfügt.

Anmerkungen
  1. Grasset, 2016, dt.: „Kleines Land“, Piper, 2017.>>>
  2. Vgl. die Ausgabe von Éditions Klett 2017 und den Reclam Lektüreschlüssel von Pia Keßler für Schulzwecke mit Inhaltsangabe, Interpretation, Prüfungsaufgaben und Lernglossar.>>>
  3. „Gaël Faye, écrivain : « Aujourd’hui, je ne suis plus écartelé entre le Rwanda et la France »“, propos recueillis par Raphaëlle Bacqué, Le Monde, 10. November 2024.>>>
  4. „Abattez les grands arbres.“ Fabrice Gaignault, „Dans l’intimité de Gaël Faye, l’auteur à succès de Jacaranda“, Le Figaro, 24. September 2024.>>>
  5. „Au silence Gaël Faye répond par le plein du récit. Son texte est efficace, généreux, enveloppant. Il montre les béances, mais il les comble. Ses personnages se heurtent à des murs, mais ils parviennent à les effriter et à laisser sortir la vérité. Jacaranda a une vertu didactique et réparatrice. Son art du récit permet au romancier, à travers des personnages nombreux, particularisés et attachants, de faire comprendre le génocide et ses suites (migrations, tribunaux gacaca pour la réconciliation, mémoriaux, chocs post-traumatiques) à qui ne les connaîtrait pas ou ne les aurait appris que de loin. Le Rwanda n’est pas seulement un pays ­petit, c’est aussi un pays jeune. Près des trois quarts de la population est née après le génocide. Eux aussi ont le droit de savoir, tout comme les jeunes générations en France : les récits de la violence extrême ne délivrent pas de la violence extrême, mais ils permettent aux personnes qui l’ont vécue de ne pas laisser les larmes couler à l’intérieur, et à celles et à ceux qui les lisent de réfléchir en souffrant avec elles.“ Tiphaine Samoyault, „« Jacaranda », de Gaël Faye“, Le Monde, 26. September 2024.>>>

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