132. Le verbe être devrait être banni de l’écriture littéraire. Comme disait Montaigne, je ne peins pas l’être, je peins le passage.
Olivia Rosenthal, Une femme sur le fil.
132. Das Verb sein sollte aus dem literarischen Schreiben verbannt werden. Wie Montaigne sagte: „Ich zeichne nicht das Sein, ich zeichne den Übergang.“ 1
Olivia Rosenthals Une femme sur le fil ist eine radikale literarische Reflexion über die Sprache, in der die Fragmentierung von Erinnerung, das Wiederholungsprinzip und die Unmöglichkeit eines linearen Erzählens die Zerrissenheit traumatischer Erfahrung erfahrbar machen. Zoés Geschichte wird in nummerierten, parataktischen Fragmenten erzählt, die oft die Kohärenz des Erzählens abrupt abbrechen und auch keine klare narrative Kontinuität aufweisen. Dies spiegelt nicht nur ihre innere Zerrissenheit wider, sondern thematisiert auch die Grenzen der Sprache selbst: Zoé ist eine Figur, die zwischen Sprachlosigkeit und der Suche nach einem Ausdruck für ihr Leiden gefangen ist. Sie wird in ihrer Kindheit von ihrem Onkel missbraucht, was sie in ein Leben der Unsicherheit und Angst stürzt. Ihr Alltag ist geprägt von dem Versuch, der bedrängenden Erinnerung zu entkommen, indem sie sich Strategien des Vermeidens aneignet: Sie hofft, von ihrer Lehrerin bemerkt und beschützt zu werden, sie sucht nach Bezugspersonen, die ihr einen Ausweg aus ihrem inneren Labyrinth ermöglichen könnten. Während Zoé versucht, ihre Vergangenheit zu verarbeiten, reflektiert sie über die Mechanismen von Erinnerung und Erzählung. Sie erkennt, dass Sprache eine begrenzte Möglichkeit bietet, Traumata auszudrücken, und bewegt sich zwischen Fragmenten von Mythen, Literatur und persönlichen Erfahrungen. Durch Wiederholung und Variation ihrer eigenen Geschichte versucht Zoé, ihr Trauma erzählbar zu machen.
Der Roman konstruiert sich als labyrinthischer Text, in dem sich die Protagonistin zwischen Sprachlosigkeit und Selbstbehauptung bewegt, und verbindet poetische Verdichtung mit einem philosophischen Ansatz, der an Wittgensteins Sprachkritik erinnert: Die Welt, die erzählbar ist, bleibt immer unvollständig. Wie Ariadne, die Theseus mit ihrem Faden durch das Labyrinth führt, sucht die Protagonistin nach einer Struktur, einem Weg durch das Chaos der Erinnerungen, um sich selbst nicht zu verlieren: „Wie kommt man aus dieser Geschichte von Gewalt und Missbrauch, die sich ständig wiederholt, heraus? Wie kann man sie anders erzählen? Indem man sich in die Höhe begibt, wie die Voltigierer, Akrobaten und Trapezkünstler (die oft selbst Opfer von Gewalt sind), die den Abgrund in Schach halten. Das bedeutet, Risiken einzugehen und dem Sturz nahe zu kommen. Olivia Rosenthal schreibt auf diese Weise, in einem instabilen, aber fruchtbaren Gleichgewicht. Auf einem Seil.“ 2 Gerade in dieser Lücke zwischen Sagbarem und Unsagbarem entfaltet sich die literarische Kraft des Buches, das gewissermaßen als textuelles Drahtseil eine ästhetische Erfahrung des Schwebens und der Unsicherheit erzeugt und so den Leser in eine existenzielle Reflexion über die Bedingungen von Sprache, Identität und Trauma verwickelt.
108. Je pourrais choisir Ariane, le nom de cette femme qui offre à Thésée une pelote de fil à dévider pour qu’il puisse retrouver son chemin après avoir affronté le Minotaure dans le labyrinthe.
109. Quand la cloche sonne, Zoé se crispe. Les autres attrapent leur cartable et s’en vont. Mais Zoé, elle, range lentement ses affaires, elle espère que, si son amie chère quitte la classe sans l’attendre, la maîtresse, elle, la remarquera, l’accompagnera jusqu’à l’entrée, la prendra par la main et l’emmènera dans une maison où son oncle n’aura pas l’idée d’aller la chercher.
110. Ariane a aimé Thésée et lui a offert la possibilité de sortir du labyrinthe en échange de la promesse qu’il l’épouserait pour la remercier de son aide. Mais Thésée, après avoir tué le Minotaure et être sorti sain et sauf du labyrinthe, ne respecte pas sa promesse et abandonne Ariane sur le rivage de Naxos.
111. Je m’intéresse au fil (pour sortir du dédale), pas à la lâcheté des hommes et à leurs fausses promesses.
112. Encore que. « L’oncle aux mains baladeuses » qui fait planer son ombre malfaisante sur le début de mon récit pourrait peut-être renvoyer à certaines promesses non tenues.
113. Le Minotaure serait l’oncle, Zoé serait Thésée, l’amie chère serait Ariane, une sœur de Zoé ou une sorte de sœur ou une sœur d’âme, une amoureuse, un double ? Et la maîtresse ?114. « Ariane, ma sœur ! de quel amour blessée / vous mourûtes aux bords où vous fûtes laissée ! »
Olivia Rosenthal, Une femme sur le fil.
115. Ce vers m’est venu à l’esprit presque naturellement mais il lui manquait deux syllabes pour qu’il soit complet, et j’ai mis plusieurs heures à les retrouver. J’avais oublié « ma sœur » qui n’est certes pas nécessaire à la compréhension du vers mais un peu à son contexte d’énonciation (qui parle et à qui).
108. Ich könnte Ariadne wählen, den Namen der Frau, die Theseus ein Knäuel Faden zum Abwickeln anbietet, damit er nach dem Kampf gegen den Minotaurus im Labyrinth den Weg zurückfinden kann.
109. Als die Glocke läutet, verkrampft sich Zoé. Die anderen schnappen sich ihre Schultaschen und gehen weg. Sie hofft, dass die Lehrerin sie bemerkt, sie zum Eingang begleitet, sie bei der Hand nimmt und sie in ein Haus bringt, in dem ihr Onkel nicht auf die Idee kommt, sie abzuholen.
110. Ariadne liebte Theseus und bot ihm die Möglichkeit, aus dem Labyrinth zu entkommen, im Austausch gegen das Versprechen, dass er sie zum Dank für ihre Hilfe heiraten würde. Doch Theseus, nachdem er den Minotaurus getötet und das Labyrinth sicher verlassen hatte, brach sein Versprechen und ließ Ariadne an der Küste von Naxos zurück.
111. Ich interessiere mich für den Faden (um aus dem Labyrinth herauszukommen), nicht für die Feigheit der Menschen und ihre falschen Versprechungen.
112. Auch wenn. Der „Onkel mit den Händen, die betatschen“, der seinen bösen Schatten auf den Beginn meiner Erzählung wirft, könnte vielleicht auf einige gebrochene Versprechen verweisen.
113. Der Minotaurus wäre der Onkel, Zoé wäre Theseus, die liebe Freundin wäre Ariadne, eine Schwester von Zoé oder eine Art Schwester oder eine Seelenschwester, eine Geliebte, ein Doppelgänger? Und die Geliebte?114. „Ariadne, meine Schwester! Von welcher Liebe verletzt / starben Sie an den Ufern, an denen Sie zurückgelassen wurden!“ 3
115. Dieser Vers kam mir fast wie von selbst in den Sinn, aber ihm fehlten zwei Silben zur Vollständigkeit, und ich brauchte mehrere Stunden, um sie zu finden. Ich hatte „meine Schwester“ vergessen, das zwar nicht für das Verständnis des Verses, aber doch ein wenig für den Kontext der Äußerung (wer spricht und zu wem) notwendig ist.
Dieser Auszug zeigt die komplexe Verbindung zwischen Mythologie, Traumabearbeitung und poetischer Reflexion: Ariadne, die Theseus den Weg aus dem Labyrinth weist und selbst verlassen wird, dient als Metapher für die Rolle der Protagonistin Zoé, die nach einem rettenden Faden in ihrem eigenen labyrinthischen Gedächtnis sucht. Jean-Pierre Resche 4 betont in seiner Deutung dieser Verse aus Racines Phèdre (Ariadne ist die Schwester Phädras), dass Dichtung nicht nur eine sprachliche Form ist, sondern eine tiefere Wahrnehmungsebene erschließt: In Rosenthals Text verweben sich diese Aspekte, wodurch Racines Verse eine doppelte Funktion erhalten – sie verweisen einerseits auf Ariadnes Verlassenwerden und andererseits auf die poetische Struktur als Mittel, das Unsagbare anzudeuten.
Rosenthal konstruiert eine dichte Textur aus mythologischen Bezügen, wiederkehrenden Bildern und literarischen Anspielungen, die das zentrale Motiv des Fadens und der Orientierung verstärken. Resche argumentiert, dass Versstrukturen einen Rhythmus erzeugen, der über das Gesagte hinaus Bedeutung trägt. Diese Idee spiegelt sich in Rosenthals narrativer Technik wider: Durch Wiederholung und Variation wird die literarische Struktur selbst zu einem Labyrinth, das der Leser betreten muss. Die Anspielung auf den Ariadne-Mythos sowie die mehrfachen Umkreisungen desselben Themas verdeutlichen, dass der einzige Ausweg aus diesem Labyrinth nicht eine einfache Erzählung, sondern die Erkenntnis der Struktur selbst ist. Das Denken bewegt sich in den Grenzen der Sprache – und weist zugleich darüber hinaus. Die Verbindung zwischen Zoé, Ariadne und dem Minotaurus suggeriert, dass die Protagonistin nicht nur auf der Suche nach einem Ausweg ist, sondern auch mit der Frage kämpft, welche Rolle sie selbst im Narrativ einnimmt. Rosenthal arbeitet mit einer offenen, vieldeutigen Erzählweise; der Faden ist nicht nur ein symbolisches Hilfsmittel, sondern wird selbst zum Problem: Welche Orientierung gibt es in einem Text, der sich durch seine eigene Verflochtenheit auszeichnet? Am Ende des Romans kehrt sich die zentrale Aussage um, wenn die wiederholte Zeile „Une victime est toujours seule“ (788., 813., 817., 837.) zu „Une victime n’est jamais seule“ (991.) transformiert wird – ein Beweis dafür, dass die literarische Struktur nicht nur das Labyrinth reflektiert, sondern auch eine Möglichkeit zur Befreiung eröffnet.
29. Je voudrais raconter l’histoire de Zoé, qui est un pseudonyme.
30. Zoé n’est pas tranquille. Son oncle a les mains baladeuses. Un jour il vient la chercher à la sortie de l’école. Elle le voit dans l’encadrement de la porte. Les élèves sont aspirés et siphonnés par ce petit trou clair au bout du couloir mais Zoé, elle, reflue, elle ne se laissera pas emporter. Elle se replie sur elle-même, se laisse bousculer. Elle restera en arrière quitte à passer toute sa vie cachée. Dans l’école elle se retrouve seule. Seule jusqu’à nouvel ordre. Les maîtres et les surveillants ont quitté les lieux sans la voir. Elle est devenue transparente. Elle se demande si quelqu’un se rendra compte qu’elle manque à l’appel. Quel appel d’ailleurs ? Il n’y a pas d’appel. Chez elle, sa mère n’aura peut-être même pas remarqué son absence. Seul son oncle tourne devant l’entrée de l’école comme si c’était lui qui était enfermé. Les grilles sont tombées. Il attend encore. C’est lui qui détient le monopole de l’anxiété. L’oncle dont les mains baladeuses tremblent.
31. Zoé, pseudonyme de qui ?
32. Zoé n’est pas tranquille. Son oncle a les mains baladeuses. Un jour il vient la chercher à la sortie de l’école. Elle prend son élan et se précipite en avant afin de passer entre les mailles du filet. Mais l’œil de l’oncle et ses muscles sont vifs. Elle sera rattrapée, plaquée, tenue à bout de bras, exposée. Elle criera et criera encore. Ni les passants ni sa mère ne l’entendront. Les mains de l’oncle sont censées la maintenir, la calmer, la sauver.33. Zoé a plusieurs noms derrière son nom de fiction mais un nom, à lui tout seul, ne fait pas une personne.
Olivia Rosenthal, Une femme sur le fil.
34. Zoé n’est pas tranquille. Son oncle a les mains baladeuses. Un jour il vient la chercher à la sortie de l’école. Elle sait qu’elle ne pourra pas lui échapper, il lui manque encore la force physique pour lui résister. Mais son instinct lui dicte les conduites à tenir. Elle demande à son amie la plus chère d’échanger avec elle ses vêtements. L’autre ne comprend pas. On n’a pas le temps, les adultes attendent devant la porte. Zoé supplie, l’autre cède. Elles se faufilent dans les toilettes. Zoé passe tous les vêtements de son amie chère comme si c’était une nouvelle peau, surtout le manteau terne à la place de la parka rouge, celle que sa mère lui a offerte. De toute façon elle ne l’aime pas. Que la parka s’en aille, qu’elle fuie, petite tache rouge dans la lumière du soir. Elle laisse son amie sortir la première, elle servira d’appât. L’oncle mord. Zoé a le temps de quitter la bouche ouverte de l’entrée avant que l’oncle n’ait pu déplacer son regard vers elle. Elle court à toute vitesse, elle devine qu’elle ne pourra pas rentrer chez elle.
35. Entre vous, lecteur, et moi, il y a Zoé, l’oncle, l’amie chère.
36. L’écriture est peuplée de tiers.
29. Ich möchte die Geschichte von Zoé erzählen, die ein Pseudonym ist.
30. Zoé ist nicht ruhig. Ihr Onkel hat Hände, die betatschen. Eines Tages holt er sie am Schulausgang ab. Sie sieht ihn im Türrahmen stehen. Die Schüler werden durch dieses kleine, helle Loch am Ende des Korridors gesaugt und abgesaugt, aber Zoé strömt zurück, sie lässt sich nicht wegspülen. Sie zieht sich in sich selbst zurück und lässt sich herumschubsen. Sie bleibt zurück, auch wenn sie ihr ganzes Leben im Verborgenen verbringt. In der Schule findet sie sich allein wieder. Bis auf weiteres allein. Die Lehrer und Aufseher haben das Gelände verlassen, ohne sie zu sehen. Sie ist durchsichtig geworden. Sie fragt sich, ob jemand merken wird, dass sie beim Appell fehlt. Was für ein Appell ist das überhaupt? Es gibt keinen Appell. Zu Hause wird ihre Mutter ihre Abwesenheit vielleicht nicht einmal bemerkt haben. Nur ihr Onkel biegt vor dem Eingang der Schule ab, als wäre er derjenige, der eingesperrt ist. Die Gitter sind heruntergefallen. Er wartet immer noch. Er ist derjenige, der das Monopol auf Angst hat. Der Onkel, dessen Hände, die betatschen, zittern.
31. Zoé, Pseudonym von wem?
32. Zoé ist nicht ruhig. Ihr Onkel hat Hände, die betatschen. Eines Tages holt er sie vor der Schule ab. Sie nimmt Anlauf und rennt nach vorne, um durch die Maschen des Netzes zu schlüpfen. Aber das Auge des Onkels und seine Muskeln sind scharf. Sie wird eingeholt, getackelt, auf Armlänge gehalten, bloßgestellt. Sie wird schreien und noch mehr schreien. Weder die Passanten noch ihre Mutter werden sie hören. Die Hände des Onkels sollen sie festhalten, sie beruhigen, sie retten.33. Zoé hat hinter ihrem fiktiven Namen mehrere Namen, aber ein Name allein macht noch keine Person aus.
34. Zoé ist nicht ruhig. Ihr Onkel hat Hände, die betatschen. Eines Tages holt er sie nach der Schule ab. Sie weiß, dass sie ihm nicht entkommen kann, da ihr noch die körperliche Kraft fehlt, um ihm zu widerstehen. Aber ihr Instinkt sagt ihr, wie sie sich verhalten soll. Sie bittet ihre liebste Freundin, mit ihr die Kleidung zu tauschen. Die andere versteht nicht. Es bleibt keine Zeit, die Erwachsenen warten vor der Tür. Zoé bettelt, die andere gibt nach. Sie schleichen sich in die Toilette. Zoé streift alle Kleidungsstücke ihrer geliebten Freundin wie eine neue Haut über, vor allem den stumpfen Mantel anstelle des roten Parkas, den ihre Mutter ihr geschenkt hat. Sie mag ihn ohnehin nicht. Der Parka soll weg, sie soll fliehen, ein kleiner roter Fleck im Abendlicht. Sie lässt ihre Freundin als Erste hinausgehen, sie soll als Köder dienen. Der Onkel beißt an. Zoé kann die offene Öffnung des Eingangs verlassen, bevor der Onkel seinen Blick auf sie richten kann. Sie rennt so schnell sie kann, weil sie ahnt, dass sie es nicht nach Hause schaffen wird.
35. Zwischen dir, Leser, und mir gibt es Zoé, den Onkel, die liebe Freundin.
36. Die Schrift wird von Dritten bevölkert.
Olivia Rosenthal zählt zu den literarischen Stimmen in Frankreich, deren Werke sich durch formale Innovationen und eine tiefgehende Auseinandersetzung mit Identität, Erinnerung und Sprache auszeichnen. In ihrem neuesten Roman Une femme sur le fil setzt sie Themen fort, die bereits in früheren Werken angelegt sind, etwa in On n’est pas là pour disparaître (2007) oder Mécanismes de survie en milieu hostile (2014), diese „feindlichen“ Milieus sind nicht nur metaphorisch, sondern auch sehr konkret: Menschen in schwierigen Lebensbedingungen, in Krisen oder in Übergangszuständen. Auch hier geht es um die Fragilität der menschlichen Existenz, um Strategien des Überlebens und die Macht der Sprache – oder vielmehr deren Grenzen. Rosenthal beschäftigt sich in ihren Werken mit existenziellen Bedrohungen und der Erfahrung des Andersseins, seit ihrem Debütroman Dans le temps (1999), einem philosophischen Roman, der über die Natur der Zeit und der Erinnerung nachdenkt, und darüber, wie Menschen versuchen, ihre Lebensgeschichte zu verstehen und in Einklang mit der fließenden Zeit zu bringen. In Que font les rennes après Noël ? (2010) untersucht Rosenthal das Spannungsfeld zwischen Tier und Mensch und hinterfragt gesellschaftliche Normen durch poetische Reflexionen. In Ils ne sont pour rien dans mes larmes (2012) setzt sie sich mit kollektiver Erinnerung und Schuld auseinander: Die Geschichte folgt einer Frau, die mit dem Verlust eines geliebten Menschen konfrontiert ist und sich mit ihrer Trauer auseinandersetzt; im Roman wird die Frage nach der Verantwortung für den eigenen Schmerz thematisiert, sowohl im individuellen als auch im gesellschaftlichen Kontext. On n’est pas là pour disparaître (2007) thematisiert das Vergessen und die Auflösung von Identität durch die Alzheimer-Erkrankung. Der Roman verfolgt eine multiperspektivische Erzählweise, bei der verschiedene Figuren zu Wort kommen, die alle auf ihre Weise mit dem Thema „Verschwinden“ konfrontiert sind – sei es durch das Gefühl der Entfremdung, den Verlust von Orientierung oder durch tatsächliche körperliche Abwesenheit. Diese Themen von Identitätsverlust und narrativer Fragmentierung kehren in Une femme sur le fil wieder. Die parataktische Struktur, die elliptische Erzählweise und die zentrale Metapher des Seiltanzes verdichten Rosenthals langjährige Auseinandersetzung mit Unsicherheit und damit, wie Erzählungen Identität konstruieren – oder eben dekonstruieren.
158. Je me demande si chiffrer mes phrases ne correspond pas à un désir profond mais réprimé d’écrire un journal.
159. Quelle horreur. Écrire avec des dates, voir le temps passer.
160. Je me dis que quand j’aurai fini ce texte, je le réécrirai à l’identique mais en choisissant une numérotation à rebours. Cela me donnera l’illusion d’être capable de construire le fameux arc narratif dont j’ai déjà parlé, que je moque mais qui sans doute m’attire précisément parce que je ne peux pas y accéder. Compter à rebours jusqu’au zéro pointé peut constituer une solution à ce problème, zéro marquant une fin dramatiquement annoncée et longuement attendue par le lecteur.161. L’attente est sans doute ce qui est le plus proche du suspense même si, parfois, elle peut aussi confiner à l’ennui.
Olivia Rosenthal, Une femme sur le fil.
162. Attendre la fin n’apporte aucune excitation particulière, si ?
163. 162. 161. 160. Retour en arrière jusqu’à zéro.
164. J’ai essayé de passer outre mon propre modèle et la règle que je m’étais fixée. Pour voir si ce petit saut apportait quelque chose à la lecture et à l’écriture, les faisait dérailler et ouvrait une autre perspective.
165. Je répète zéro juste pour voir.
166. Je ne vois rien.
167. Ce n’est pas bon signe.
168. Zéro au milieu du texte n’est pas la bonne solution. Il faut en trouver une autre. Je pourrais essayer de poursuivre ce texte comme s’il avait une ligne grâce à la numérotation, tout en digressant dans tous les sens dans l’espoir que lors de l’une de ces digressions un nouveau récit apparaisse.
169. Vous l’avez compris, le récit est le maître, le roi, on cherche désespérément à écrire un récit alors qu’on n’est pas douée pour ça.
170. c
158. Ich frage mich, ob das Nummerieren meiner Sätze nicht dem tiefen, aber unterdrückten Wunsch entspricht, ein Tagebuch zu schreiben.
159. Was für ein Horror. Mit Datumsangaben schreiben, sehen, wie die Zeit vergeht.
160. ich sage mir, dass ich, wenn ich diesen Text beendet habe, ihn identisch neu schreiben, aber eine rückwärtslaufende Nummerierung wählen werde. Das wird mir die Illusion geben, dass ich in der Lage bin, den berühmten Erzählbogen zu konstruieren, von dem ich bereits gesprochen habe, den ich verspotte, der mich aber wahrscheinlich gerade deshalb anzieht, weil ich ihn nicht erreichen kann. Eine Lösung für dieses Problem könnte das Rückwärtszählen bis zur punktierten Null sein, wobei die Null ein dramatisch angekündigtes und vom Leser lange erwartetes Ende markiert.161. Das Warten ist wohl am ehesten mit Spannung zu vergleichen, auch wenn es manchmal auch an Langeweile grenzen kann.
162. Das Warten auf das Ende bringt keine besondere Spannung mit sich, oder?
163. 162. 161. 160. Rücklauf bis auf Null.
164. Ich habe versucht, meine eigene Vorlage und die Regel, die ich mir selbst auferlegt hatte, zu überspringen. Um zu sehen, ob dieser kleine Sprung etwas zum Lesen und Schreiben beitrug, sie entgleisen ließ und eine andere Perspektive eröffnete.
165. Ich wiederhole Null, nur um zu sehen.
166. Ich sehe nichts.
167. Das ist kein gutes Zeichen.
168. Null in der Mitte des Textes ist keine gute Lösung. Wir müssen eine andere finden. Ich könnte versuchen, diesen Text fortzusetzen, als hätte er dank der Nummerierung eine Zeile, während ich in alle Richtungen abschweife, in der Hoffnung, dass bei einem dieser Abschweifungen eine neue Erzählung auftaucht.
169. Sie haben es verstanden, die Erzählung ist der Meister, der König, man versucht verzweifelt, eine Erzählung zu schreiben, obwohl man nicht gut darin ist.
170. Man glaubt, dass man, wenn man sich anstrengt, das Talent durch Fleiß ersetzen kann.
Elisabeth Philippe hebt in L’Obs die besondere Erzählweise von Une femme sur le fil der Parataxe hervor: „Die kurzen Absätze, die manchmal auf einen einfachen, axiomähnlichen Satz reduziert sind, reihen sich pflichtgemäß von 1 bis 1000 nummeriert aneinander, wie die Sätze eines riesigen Syllogismus. Doch an Logik scheint es dem entstehenden Text fast genauso zu fehlen wie den berühmten Argumenten von Ionescos Figuren: „Alle Katzen sind sterblich. Sokrates ist sterblich. Also ist Sokrates eine Katze.““ 5 Diese numerische Struktur erinnert an formale Experimente wie jene von Wittgenstein oder Ionesco, die durch eine scheinbare Logik den Zusammenbruch rationaler Zusammenhänge offenlegen.
Der Text kreist also um zentrale Themen wie Trauma, Erinnerung, Identität und die Grenzen der Sprache, eine symptomatische bzw. therapeutische Bedeutung des Schreibens. Die Protagonistin Zoé steht dabei als Symbolfigur für einen Menschen, der sich auf einem metaphorischen Seil befindet – zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen Schweigen und Sprache, zwischen Unsichtbarkeit und Selbstbehauptung.
694. Zoé ! Zoé !
Olivia Rosenthal, Une femme sur le fil.
695. La grotte me renvoie l’écho, cette bouche d’ombre où j’ai plongé Zoé pour qu’à la croisée des chemins elle soit dans l’obligation de choisir.
696. L’oncle à droite, à gauche le vertige. À droite l’oncle, à gauche la voltige. À droite l’oncle substitut du père, à gauche la parole et le récit. À droite le silence, la promesse et l’élection, à gauche l’abandon, la confiance, le renversement du corps et le double salto. À droite le père, à gauche le Saint-Esprit. À droite le père et le Saint-Esprit, à gauche le corps et rien que lui. Zoé hésite.
697. Pour voler, il faut oublier que tu es en train de tomber et te concentrer sur la technique, m’explique M. Ton corps occupe une place centrale, tu le reposes, tu l’entraînes, tu le nourris, tu te cantonnes à la pratique, tu t’éloignes de toute considération intellectuelle, tu te confrontes au vivant, au présent, ton approche se simplifie.
694. Zoé! Zoé!
695. Die Höhle wirft mir das Echo zurück, diesen Schattenschlund, in den ich Zoé getaucht habe, damit sie an der Kreuzung der Wege wählen muss.
696. Rechts der Onkel, links der Schwindel. Rechts der Onkel, links der Schwindel. Rechts der Onkel als Vaterersatz, links das Wort und die Erzählung. Rechts das Schweigen, das Versprechen und die Wahl, links die Hingabe, das Vertrauen, die Umkehrung des Körpers und der doppelte Salto. Rechts der Vater, links der Heilige Geist. Rechts der Vater und der Heilige Geist, links der Körper und nichts als er. Zoé zögert.
697. Um zu fliegen, musst du vergessen, dass du fällst, und dich auf die Technik konzentrieren, erklärt mir M. Dein Körper nimmt einen zentralen Platz ein, du ruhst ihn aus, du trainierst ihn, du ernährst ihn, du beschränkst dich auf die Praxis, du entfernst dich von allen intellektuellen Überlegungen, du konfrontierst dich mit dem Lebendigen, mit der Gegenwart, dein Ansatz wird einfacher.
Der Roman arbeitet gezielt mit Wiederholungen und Variationen, um die Auswirkungen von Trauma zu spiegeln: Szenen kehren in abgewandelter Form zurück, oft mit nur kleinen Verschiebungen im Wortlaut, wodurch das Gefühl der Unentrinnbarkeit verstärkt wird. Die Struktur ähnelt dabei den unkontrollierbaren Wiederkehrmechanismen traumatischer Erinnerungen.
389. Sur une affiche, du temps où j’étais en résidence avec un ami plasticien à Bobigny et où nous allions coller des textes un peu à la sauvage sur les murs de la ville, j’ai écrit : « J’invente ce que vous ne dites pas, j’extrapole. »
Olivia Rosenthal, Une femme sur le fil.
390. Du temps où est une expression que j’ai déjà employée plus haut (3.) : du temps où les bêtes parlaient.
391. Décidément je me répète. Je marche dans la forêt et l’arbre que je vois ressemble étrangement à un autre arbre que j’ai vu il y a plus d’une heure.
392. Me suis-je perdue ?
393. Je ne sais quel bénéfice tirer de la répétition mais j’ai le sentiment qu’il faudrait que je passe de la déploration à la revendication.
394. Rien jamais ne se répète.
395. L’aspect définitif d’une telle phrase me console. J’adhère à l’idée philosophique que tout est toujours dissemblable.
396. Voir 227. Je rumine toujours les mêmes phrases (« La ressemblance ne fait pas tant un comme la différence fait autre. Nature s’est obligée à ne rien faire autre, qui ne fût dissemblable. »)
389. Auf einem Plakat aus der Zeit, als ich mit einem Freund, einem bildenden Künstler, in Bobigny wohnte und wir Texte ein wenig wild an die Wände der Stadt klebten, schrieb ich: „Ich erfinde, was ihr nicht sagt, ich extrapoliere.“
390. Aus der Zeit, als, das ist ein Ausdruck, den ich bereits weiter oben (3.) verwendet habe: aus der Zeit, als die Tiere sprachen.
391. Entschieden wiederhole ich mich. Ich gehe durch den Wald und der Baum, den ich sehe, hat eine verblüffende Ähnlichkeit mit einem anderen Baum, den ich vor über einer Stunde gesehen habe.
392. Habe ich mich verlaufen?
393. Ich weiß nicht, welchen Nutzen ich aus der Wiederholung ziehen soll, aber ich habe das Gefühl, dass ich vom Beklagen zum Fordern übergehen sollte.
394. Nichts wiederholt sich jemals.
395. Der endgültige Aspekt eines solchen Satzes tröstet mich. Ich schließe mich der philosophischen Idee an, dass alles immer unähnlich ist.
396. Siehe 227. Ich kaue immer noch auf denselben Sätzen herum („Die Ähnlichkeit macht nicht so sehr eins, wie der Unterschied ein anderes macht. Die Natur hat sich verpflichtet, nichts anderes zu machen, was nicht unähnlich wäre.“).
Die Fragmentierung unterläuft jede Möglichkeit einer linearen Erzählweise und bringt stattdessen ein Netzwerk aus Erinnerungsbruchstücken hervor, die in ihrer Unvollständigkeit die Realität von Traumatisierten nachbilden. So erzeugt die Struktur des Romans eine Spannung zwischen scheinbarer Ordnung und inhaltlichem Chaos, mit Philippes Rezension: „Man hat das Gefühl, den Faden zu verlieren, während Olivia Rosenthal ihn abrollt, das Knäuel entwirrt und abwickelt, ein fester Knoten aus Geheimnissen, Scham und Ängsten.“ 6 Die Protagonistin versucht, die eigene Geschichte zu erzählen, während die Erzählweise bewusst diese Möglichkeit hinterfragt. Die Struktur des Textes mit ihren kurzen, nummerierten Absätzen erinnert an Wittgensteins Tractatus logico-philosophicus und dessen Versuch, Sprache in klare Strukturen zu fassen – eine Ordnung, die am Ende jedoch in ihr eigenes Scheitern führt: „5.6 Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“ 7 Wittgenstein argumentiert, dass Sprache unser Denken strukturiert und gleichzeitig beschränkt. Olivia Rosenthal macht durch Fragmentierung und Wiederholung die Unzulänglichkeit von Sprache erfahrbar. Der Roman zeigt, dass Trauma sich der direkten Erzählung entzieht und stattdessen durch Umkreisungen und Wiederholungen angedeutet wird.
671. Quel rôle est assigné au lecteur dès lors qu’un autre distribue à sa place toutes les clefs ouvrant toutes les serrures ?
Olivia Rosenthal, Une femme sur le fil.
672. Pas de vérité absolue, seulement des tentatives, des ellipses, des blancs, des trous, des vides. À travers la fiction, on cherche moins des solutions que des questions et des hypothèses.
673. Le lecteur peut contourner certaines pièces, entrer dans tel cagibi, allumer ou non la lumière, dérober les clefs, forcer l’entrée, laisser telle porte fermée, ouvrir celle-là qui résiste. À lui de décider ce qu’il veut (ou non) voir.
674. Tu veux essayer ?
675. Non.
676. Je ne monte pas sur les arbres ou sur le fil, je ne saute pas en parachute, je ne plonge pas tête la première, je ne pratique pas le double salto arrière. L’écriture vaut comme activité substitutive plutôt que comme description.
677. J’écoute, j’imagine, je fouille les silences, je scrute les failles, je leur donne des noms. Au risque de la froisser, je parle à la place de Zoé.
678. Tu veux essayer ?
679. Non.
680. En exergue de Ils ne sont pour rien dans mes larmes, un livre où j’explorais le rôle du cinéma dans nos vies, j’ai écrit : « On peut vivre par procuration des choses incroyablement douloureuses. »
671. Welche Rolle wird dem Leser zugewiesen, wenn ein anderer an seiner Stelle alle Schlüssel verteilt, die alle Schlösser öffnen?
672. Es gibt keine absolute Wahrheit, sondern nur Versuche, Ellipsen, Weißräume, Löcher, Leerstellen. Durch Fiktion sucht man weniger nach Lösungen als nach Fragen und Hypothesen.
673. Der Leser kann bestimmte Räume umgehen, in eine Abstellkammer gehen, das Licht einschalten oder nicht, die Schlüssel stehlen, sich Zutritt verschaffen, eine Tür geschlossen lassen, eine andere öffnen, die sich widersetzt. Es liegt an ihm zu entscheiden, was er sehen will (oder nicht).
674. Willst du es versuchen?
675. Nein.
676. Ich klettere nicht auf Bäume oder auf das Seil, ich springe nicht mit dem Fallschirm ab, ich tauche nicht kopfüber in die Tiefe, ich übe keinen doppelten Rückwärtssalto. Das Schreiben gilt eher als stellvertretende Aktivität als als Beschreibung.
677. Ich höre zu, ich stelle mir vor, ich durchsuche die Stille, ich suche die Risse ab, ich gebe ihnen Namen. Auf die Gefahr hin, sie zu kränken, spreche ich an Zoés Stelle.
678. Willst du es versuchen?
679. Nein.
680. Im Vorwort zu Sie haben nichts mit meinen Tränen zu tun, einem Buch, in dem ich die Rolle des Kinos in unserem Leben erkundete, schrieb ich: „Man kann stellvertretend unglaublich schmerzhafte Dinge erleben.“
Der Seiltanz und der Missbrauch werden auf vielschichtige Weise miteinander verknüpft. So verwendet Zoé Strategien des Seiltänzers – Konzentration, Körperkontrolle und Ausweichmanöver –, um den Übergriffen zu entkommen. Dieser Akt ist sowohl ein Versuch der Befreiung als auch ein Hinweis auf die Einsamkeit, die Zoé auf ihrem metaphorischen Drahtseil empfindet. Der Roman verweist immer wieder darauf, dass diese Balanceakte keine Lösung darstellen, sondern nur ein Überleben sichern. Das „Gleichgewicht“ wird somit zu einem tragischen Zustand: stabil, aber statisch und isoliert. Zoés Innenwelt ist eine Mischung aus realem Erleben und imaginativen Fluchtversuchen. Oft weicht sie in Fantasien aus, die sich in metaphorischer Sprache und Bildern äußern, wie etwa die Vorstellung des Seiltanzes oder der Raumfahrt. Diese imaginativen Sequenzen zeigen, wie Zoé versucht, der Schwere ihrer Realität zu entkommen. Formal werden diese Passagen oft durch eine intensivere Bildsprache und längere Sätze hervorgehoben, die sich von den nüchternen Beschreibungen ihrer tatsächlichen Erlebnisse abheben. Dies schafft einen Kontrast zwischen Flucht und Konfrontation, der die Dualität ihres psychischen Zustands betont.
Rosenthal umkreist das Unsagbare in diesem Buch immer wieder neu, indem sie es in sprachlichen Variationen und Brüchen thematisiert. So gelingt ihr mit Une femme sur le fil eine literarische Reflexion über Trauma, Identität und die Grenzen der Sprache, ähnlich und doch anders als in Wittgensteins Diktum: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“ Durch die Metapher des Seiltanzes schafft Rosenthal ein eindrucksvolles Bild von Stärke und Zerbrechlichkeit zugleich, das die Leser bis zum Schluss begleitet. Zoés Geschichte bleibt offen, doch genau darin liegt die Stärke des Romans: Er fordert uns heraus, selbst auf den Draht zu treten und über die – womöglich rettende – Macht von Literatur nachzudenken.
403. T. me raconte que quand elle est sur le fil, il lui faut combler le vide entre elle et le sol, cela lui permet de faire disparaître le vertige.
Olivia Rosenthal, Une femme sur le fil.
404. Nous sommes au cœur d’un village des Cévennes qui porte le nom prédestiné de Sauve, un nom tout à fait adapté au travail funambulique.
405. Comment comble-t-on le vide ?
406. On le remplit.
407. Nous avons commencé notre entretien dehors, au milieu des hangars et des roulottes, où T. prépare ses spectacles. Quand la chaleur du soleil a faibli, nous nous sommes installées dans un petit camion garé sur le parking et avons parlé derrière le pare-brise côte à côte comme si nous allions prendre ensemble la route.
408. T. conduisait, j’occupais la place du mort.
409. Je construis mon sol, m’a dit T. Je le tisse à mesure grâce à mon histoire, à celle du lieu où je me trouve, j’utilise mentalement l’image de l’arbre dont les branches partent vers le ciel comme moi mais dont le tronc est ancré dans la terre, je visualise ma manière de relier et d’être reliée et ainsi la vie s’insinue partout, c’est une technique spirituelle pour faire du plein avec du vide.
403. T. erzählt mir, dass sie, wenn sie auf dem Drahtseil ist, die Lücke zwischen sich und dem Boden schließen muss, dadurch kann sie den Schwindel verschwinden lassen.
404. Wir befinden uns im Herzen eines Dorfes in den Cevennen, das den prädestinierten Namen Sauve [dt. „Rette“] trägt, ein Name, der sich sehr gut für die Arbeit auf dem Drahtseil eignet.
405. Wie überbrückt man die Leere?
406. Man füllt sie aus.
407. Wir begannen unser Gespräch draußen, inmitten von Hangars und Wohnwagen, wo T. seine Auftritte vorbereitet. Als die Hitze der Sonne nachließ, setzten wir uns in einen kleinen Lastwagen, der auf dem Parkplatz stand, und sprachen hinter der Windschutzscheibe Seite an Seite, als würden wir gemeinsam auf die Straße gehen.
408. T. fuhr, ich nahm den Platz des Toten ein.
409. Ich erschaffe mir einen Boden, sagte T. Ich webe ihn nach Maß, dank meiner Geschichte, der Geschichte des Ortes, an dem ich mich befinde, ich benutze mental das Bild des Baumes, dessen Äste wie ich in den Himmel wachsen, dessen Stamm aber in der Erde verankert ist, ich visualisiere meine Art zu verbinden und verbunden zu sein, und so dringt das Leben überall ein, es ist eine spirituelle Technik, um aus der Leere Fülle zu machen.
- Essais, Livre III, chapitre II, « Du repentir »: „Les autres forment l’homme ; je le récite et en représente un particulier bien mal formé, et lequel, si j’avais à façonner de nouveau, je ferais vraiment bien autre qu’il n’est. Méshui, c’est fait. Or les traits de ma peinture ne fourvoient point, quoiqu’ils se changent et diversifient. Le monde n’est qu’une branloire pérenne. Toutes choses y branlent sans cesse : la terre, les rochers du Caucase, les pyramides d’Egypte, et du branle public et du leur. La constance même n’est autre chose qu’un branle plus languissant. Je ne puis assurer mon objet. Il va trouble et chancelant, d’une ivresse naturelle. Je le prends en ce point, comme il est, en l’instant que je m’amuse à lui. Je ne peins pas l’être. Je peins le passage : non un passage d’âge en autre, ou, comme dit le peuple, de sept en sept ans, mais de jour en jour, de minute en minute. Il faut accommoder mon histoire à l’heure. Je pourrai tantôt changer, non de fortune seulement, mais aussi d’intention. C’est un contrôle de divers et muables accidents et d’imaginations irrésolues et, quand il y échoit, contraires ; soit que je sois autre moi-même, soit que je saisisse les sujets par autres circonstances et considérations. Tant y a que je me contredis bien à l’aventure, mais la vérité, comme disait Demade, je ne la contredis point. Si mon âme pouvait prendre pied, je ne m’essaierais pas, je me résoudrais ; elle est toujours en apprentissage et en épreuve.“>>>
- „Comment sortir de cette histoire de violence et d’abus qui se répète sans cesse ? Comment la raconter autrement ? En prenant de la hauteur, comme les voltigeurs, les acrobates et les trapézistes (souvent eux-mêmes victimes de violences), qui tiennent l’abîme en respect. Cela implique de prendre des risques, de tutoyer la chute. C’est ainsi qu’Olivia Rosenthal pratique l’écriture, dans un équilibre instable mais fécond. Sur un fil.“ Elisabeth Philippe, „« Une femme sur le fil », par Olivia Rosenthal : à tomber“, L’Obs, 21.Januar 2025.>>>
- Bei Schiller: „O Ariadne, Schwester! Welch Geschick / Hat Liebe dir am öden Strand bereitet!“>>>
- Jean-Pierre Resche, „Comment parlent les vers“, Expressions 14 (1999), 47–70.>>>
- „Les paragraphes courts, parfois réduits à une simple phrase aux allures d’axiome, s’enchaînent dument numérotés de 1 à 1000, telles les propositions d’un syllogisme géant: « Tous les chats sont mortels. Socrate est mortel. Donc Socrate est un chat. »“ L’Obs, 21. Januar 2025.>>>
- „On a l’impression de perdre le fil alors qu’Olivia Rosenthal le déroule, démêle et dévide la pelote, nœud serré de secrets, de honte et de peurs.“ A.a.O.>>>
- Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus.>>>