In Ceux du lac (2024) erzählt Corinne Royer die Geschichte einer sechsköpfigen Roma-Geschwistergruppe, ihres Vaters und des alten Hundes Moroï, die in einer Hütte am Rand eines Sees in der Nähe von Bukarest leben. In diesem verwilderten Naturraum haben sie sich eine Existenz jenseits der Gesellschaft aufgebaut. Während Sasho, Naya und ihre Brüder in der Dâmbovița Fische fangen und die Poesie aus den Büchern der Tante Marta entdecken, leben sie in bewusster Abgrenzung zu den städtischen Normen – ein Dasein am Rand, aber voller innerer Freiheit und intensiver Beziehung zur Natur. Diese fragile Idylle gerät ins Wanken, als die Behörden das Gebiet zu einem offiziellen Naturschutzreservat erklären wollen und die Familie zur Räumung auffordern. Die Șerbans stehen plötzlich vor der Enteignung ihres Lebensraums, ihres „schönsten Ortes“, der für sie nicht nur Heimat, sondern ein eigenes kleines Reich bedeutet. Inspiriert von einer wahren Begebenheit erzählt der Roman von einem erzwungenen Abschied, der zugleich metaphorisch für das Verschwinden einer ganzen Lebensweise steht. Die Autorin merkt in einer Notiz an, dass das Văcărești-Delta im Mai 2016 offiziell zum Naturschutzgebiet erklärt wurde, nachdem eine Roma-Familie von den Behörden zwangsweise umgesiedelt und von den Sozialdiensten in der Stadt untergebracht worden war. Obwohl dieser Text von diesen realen Ereignissen inspiriert ist, handle es sich aber um ein Werk der Fiktion. Royer zeichnet mit poetischer Kraft das Bild einer Familie, die in einer Gesellschaft lebt, die vorgibt zu schützen, aber dabei zerstört. Sie zeigt die Widersprüche der rumänischen Gegenwart zwischen Modernisierung, europäischem Umweltschutzdiskurs und struktureller Ausgrenzung. Die Șerbans können sich weder anpassen noch restlos verweigern.
Der Roman vereint realistische Erzählweise mit traumartigen Passagen, Humor mit Tragik, Volksmythologie mit moderner Kritik. Ceux du lac ist ein erzählerisch dichtes, sprachlich präzises und politisch engagiertes Buch, das einlädt, unser Verhältnis zur Natur und zum „Wilden“ neu zu überdenken. Royer, die selbst im südfranzösischen Naturpark Pilat lebt, legt mit diesem sechsten Roman ein weiteres Beispiel ihrer ökologisch engagierten Literatur vor, das ganz im Zeichen ihres bereits mit einem Umweltpreis ausgezeichneten Werks Pleine terre steht. Die Auszeichnung von Royers jüngstem Buch Ceux du lac mit dem Prix du roman d’écologie 2025 würdigt ein Werk mit ökologischer Thematik, aber auch ein poetisches Projekt, das sich durch radikale Empathie mit dem Lebendigen, erzählerische Vielstimmigkeit und eine ethisch-politische Grundhaltung auszeichnet. Royers Roman lässt sich als Écopoétique verstehen, als literarische Ausdrucksform, die Ästhetik und Ökologie in einem Akt der Widerstands- und Zeiterfahrung miteinander verbindet. Explizit wird im Text übrigens eine Differenz zwischen Frankreich und Rumänien eingeführt:
Depuis son arrivée à Bucarest, le Français n’avait adressé la parole qu’aux douaniers de l’aéroport, qui s’étaient acharnés sur sa maigre valise. Ouverte. Vidée. Retournée. La moindre contre-poche fouillée. Il n’avait pas pu s’empêcher de s’interroger sur cet excès de fébrilité, une sorte d’électricité dans l’air qu’il avait été incapable d’expliquer. Il ne savait pas encore que, s’il s’était donné la peine de poser la question, on lui aurait répondu avec consternation, Vous n’êtes pas au courant, monsieur ? On a trouvé des bisons à Văcărești ! Il aurait alors haussé les épaules comme s’il n’en avait rien à faire, ni des bisons ni de l’électricité de l’air.
Ben voyons, des bisons à Bucarest ! Des lubies pareilles, ça leur ressemble bien ! Voilà d’ailleurs les seules formules qui lui traversèrent l’esprit, quelques heures plus tard, lorsqu’on lui annonça la nouvelle stupéfiante.
Le Français avait des préjugés coriaces à l’égard de ce pays, où il n’avait pourtant vécu que quelques années dans les suites de la révolution de 1989. Il se sentait totalement hermétique aux fonctionnements des nations de l’Est ; des peuplades jugées encore insuffisamment civilisées, des nations ayant trop longtemps été dépossédées de leur souveraineté, et qui se trouvaient aujourd’hui au sein de l’Europe comme des chiens au milieu d’un jeu de quilles, car elles n’avaient qu’une idée obsédante en tête : ne pas se faire confisquer leur patrie, et cette obsession était d’autant plus grande que cela avait bien failli leur arriver par le passé. En traversant la rue devant le palais Cotroceni, le Français se disait que l’Histoire lui donnait raison, puisque la Roumanie faisait toujours office de vilain petit canard au milieu de la couvée présumée immaculée de l’Union européenne. Mais il se disait, dans un même temps, que l’Histoire lui donnait tort car, sous la pression de l’Europe, le pays avait tout de même mis un peu d’eau claire dans les rouages si troubles de ses institutions et de sa justice.
Malgré lui, sans doute était-ce dû à cette foutue électricité dans l’air, ses pensées se bousculaient, et elles étaient de plus en plus décousues. Il se livrait à toutes sortes de réflexions. Il parlait tout seul et il essayait d’accélérer le pas, alors que personne ne l’attendait là où il se rendait. Était-il raisonnable de se presser ainsi pour un rendez-vous dont il avait repoussé l’échéance pendant plus de vingt-deux ans ? À cette interrogation, le Français n’avait pas de réponse autre que celle de ses pas qui martelaient une urgence sans fondement, puisqu’il s’agissait de rendre visite à une personne bénéficiant de la plus stable des conditions : un mort.
Alors, de nouveau, il se questionnait sur le sens de l’Histoire, sur le destin des peuples, et sur la place des individus au sein des peuples. En se tenant à sa hauteur, on aurait pu entendre le murmure de son monologue.
Eh oui, pour peu qu’on la regarde en face, l’Histoire est souvent ainsi, hein ; ni tout à fait bonne ni tout à fait mauvaise ! On peut tirer un grand bien d’un très vilain mal. Et inversement. Oui, c’est tout à fait ça ! L’Histoire est comme chaque existence, à la fois magnifique et terrible, capable de faire pousser des fleurs sur des charniers comme d’enterrer vivantes les espérances les plus tenaces !
Corinne Royer, Ceux du lac, Seuil, 2024.
Seit seiner Ankunft in Bukarest hatte der Franzose nur mit den Zollbeamten am Flughafen gesprochen, die seinen mageren Koffer durchwühlt hatten. Geöffnet. Ausgeräumt. Umgedreht. Jede noch so kleine Tasche durchsucht. Er konnte sich nicht helfen, sich über diese übertriebene Nervosität zu wundern, eine Art Elektrizität in der Luft, die er sich nicht erklären konnte. Er wusste noch nicht, dass man ihm, hätte er die Frage gestellt, bestürzt geantwortet hätte: „Sie wissen das nicht, Monsieur? In Văcărești wurden Bisons gefunden!“ Er hätte dann mit den Schultern gezuckt, als ob es ihm egal wäre, weder die Bisons noch die Elektrizität in der Luft.
Na klar, Bisons in Bukarest! Solche Marotten passen ja gut zu ihnen! Das waren übrigens die einzigen Gedanken, die ihm durch den Kopf gingen, als man ihm einige Stunden später die verblüffende Nachricht überbrachte.
Der Franzose hatte hartnäckige Vorurteile gegenüber diesem Land, in dem er nach der Revolution von 1989 nur wenige Jahre gelebt hatte. Er fühlte sich völlig unzugänglich für die Funktionsweise der osteuropäischen Nationen; Völker, die er für noch unzureichend zivilisiert hielt, Nationen, die zu lange ihrer Souveränität beraubt worden waren und sich nun in Europa wie Hunde in einem Kegelspiel befanden, weil sie nur einen einzigen Gedanken im Kopf hatten: sich ihre Heimat nicht wegnehmen zu lassen, und diese Obsession war umso größer, als ihnen dies in der Vergangenheit beinahe gelungen war. Als er die Straße vor dem Cotroceni-Palast überquerte, sagte sich der Franzose, dass die Geschichte ihm Recht gegeben habe, da Rumänien immer noch das hässliche Entlein inmitten der vermeintlich makellosen Brut der Europäischen Union sei. Gleichzeitig sagte er sich jedoch, dass die Geschichte ihm Unrecht gab, denn unter dem Druck Europas hatte das Land immerhin ein wenig Licht in die undurchsichtigen Machenschaften seiner Institutionen und seiner Justiz gebracht.
Wohl trotz seiner Bemühungen, vielleicht auch wegen der verdammten Spannung in der Luft, wirbelten seine Gedanken durcheinander und wurden immer unzusammenhängender. Er gab sich allen möglichen Überlegungen hin. Er sprach mit sich selbst und versuchte, schneller zu gehen, obwohl niemand an seinem Ziel auf ihn wartete. War es vernünftig, sich so zu beeilen für einen Termin, den er mehr als zweiundzwanzig Jahre lang verschoben hatte? Auf diese Frage hatte der Franzose keine andere Antwort als seine Schritte, die eine unbegründete Dringlichkeit verrieten, da es sich um den Besuch einer Person handelte, die sich in den stabilsten Verhältnissen befand: einer toten Person.
Also stellte er sich erneut Fragen über den Sinn der Geschichte, über das Schicksal der Völker und über den Platz des Einzelnen innerhalb der Völker. Hätte man sich neben ihn gestellt, hätte man sein leises Selbstgespräch hören können.
Ja, wenn man es genau betrachtet, ist die Geschichte oft so, nicht wahr? Weder ganz gut noch ganz schlecht! Aus einem sehr üblen Übel kann viel Gutes entstehen. Und umgekehrt. Ja, genau so ist es! Die Geschichte ist wie jedes Leben, zugleich großartig und schrecklich, fähig, Blumen auf Leichenfeldern wachsen zu lassen und die hartnäckigsten Hoffnungen lebendig zu begraben!
Das Delta von Văcărești ist ein reales, lange ignoriertes Feuchtgebiet im Süden Bukarests, das nach dem Fall des Kommunismus unreguliert überwucherte und als inoffizieller Lebensraum für Tiere und marginalisierte Menschen diente. Royer schildert es als palimpsestartige Landschaft mit vielschichtiger Geschichte: einst ein Kloster, später Gefängnis, dann unvollendetes Bauprojekt und zuletzt wilde Naturzone. Das Delta wird in Ceux du lac nicht als Idylle gezeichnet, sondern als verwilderter Raum, in dem sich verschiedene Ökosysteme überschneiden: Tiere und menschliche Behausungen, Schilf, Wasser, Müll, Fische. Die Familie Șerban lebt in enger Verbindung mit dieser Natur, die zugleich lebensspendend, bedrohlich und geheimnisvoll ist. Die Kinder baden, jagen, bauen, schlafen und lernen im Delta. Es ist ein Erfahrungsraum für eine alternative Ökologie, die nicht auf Trennung von Natur und Kultur beruht.
Der Umgang der Stadtbehörden mit dem Delta ist geprägt von Verwertungslogik und Biopolitik. Das Gebiet soll in ein europakonformes Naturschutzreservat umgewandelt werden. Diese Umwandlung dient jedoch weniger dem Schutz des Lebendigen als der Imagepflege und touristischen Erschließung. Die Bewohner, die das Delta als Lebensraum verstehen, werden als „illegale Siedler“ diskreditiert und sollen entfernt werden. Royer kritisiert damit eine Form von Green Colonialism, bei dem Ökologie zur Vertreibungspolitik wird. Der Umgang mit dem Delta in Ceux du lac ist ambivalent: Es ist Schutzraum und Gefahr, Ursprungsort und Ziel politischer Übergriffe, Gegenstand poetischer Bewunderung und realer Verdrängung. Royer gelingt es, diesen Raum als literarisch-ethisches Zentrum des Romans zu etablieren: Das Delta ist das, was bleibt, wenn Ordnung sich auflöst, und das, was bedroht ist, wenn Ordnung sich durchsetzt.
Der Roman ist in drei Teile gegliedert (Văcărești, Ferentari, Monts Țarcu) und spielt im Wesentlichen im Delta von Văcărești, einem stadtnahen Feuchtgebiet in Bukarest. Im Zentrum steht die Familie Șerban: ein Vater mit seinen sechs Kindern, darunter der 17-jährige Sasho, seine Brüder Marcus, Ruben, die Zwillingsjungen Aki und Zoran und die jüngste Schwester Naya. Die Familie lebt isoliert in einer Hütte im Delta, das sie über Jahre hinweg in Symbiose mit der Natur bewohnt und gestaltet hat. Als die Stadtbehörden beginnen, das Gebiet zu einem offiziellen Naturschutzreservat umzufunktionieren, droht die Familie ihre Lebensgrundlage zu verlieren. Der Roman erzählt davon, wie die Kinder und der Vater auf unterschiedliche Weise auf diese Bedrohung reagieren, wobei besonders Sasho eine zentrale Rolle einnimmt: als Leser, Lehrer, Schwimmer, Dichter, Kämpfer. Parallel erzählt wird die Geschichte von Marta, der Mentorin Sashos, deren eigenes Leben von Schuld und Erinnerungen überlagert ist. In ihrer Figur kreuzen sich Fragen von Trauma, Sprache und Zugehörigkeit. Das dritte Erzählsegment ist der innere Monolog des Vaters, dessen emotionale und soziale Desintegration mit dem Angriff der Institutionen auf sein Territorium zusammenfällt. Am Ende steht ein symbolisch aufgeladener Tod im See, der als mögliches Opfer verstanden werden kann: für die Familie, für das Lebendige, für ein Leben jenseits der Verwertungslogik.
Royers Figuren sind nicht bloß narrative Träger der Handlung, sondern funktional verknüpfte Repräsentationen eines alternativen Ökokosmos. Im Zentrum steht Sasho, der zugleich ästhetisch gebildet (er liest Ghérasim Luca, Flaubert), politisch empfindsam (er widersetzt sich der Evakuierung) und körperlich mit der Natur verbunden ist (sein Körper im Wasser ist ein poetisches Leitmotiv des Romans). Seine Rolle als Bruder, Lehrer, Dichter und Liebender macht ihn zur Leitfigur einer besonderen Subjektivität. Die Brüder bilden mit ihren dynamischen, oft brutalen, aber auch zärtlichen Interaktionen eine Art Naturbande: Sie jagen, töten, lachen, tanzen, lieben in einer nicht domestizierten Weise. Naya, das jüngste Kind, bildet mit ihrer Ambivalenz zwischen Gewaltphantasie und mystischem Mitleid einen Gegenpol: In ihr lebt ein archaischer Naturbegriff weiter, der weiblich konnotiert ist, von sainte Sara überwacht und von Angst und Begierde durchdrungen.
Naya ne voulait pas apprendre à donner la mort, et pourtant la tentation était grande. En refusant de s’y exercer, elle avait la sensation de n’être pas tout à fait vivante. En tout cas, pas aussi présente au monde que ne l’étaient ses frères ; comme si s’abstenir de cet acte de prédation sur une autre vie que la sienne revenait à nier sa propre existence. Elle s’amputait de quelque chose qu’elle ne parvenait pas à cerner et qui n’était rien d’autre que la volonté farouche d’en découdre avec le vivant.
Écraser. Étouffer. Broyer. Assommer.
Tous ces gestes que les garçons répétaient à longueur de journée, avec un détachement enjoué, et qui consistaient à prélever leur part parmi les araignées et les campagnols, les sauterelles et les grenouilles, les poissons et les lapins ; ou encore les papillons de nuit que Ruben ingurgitait comme un affamé, parce qu’ils étaient des proies de choix pour le croquant de leur abdomen.
Naya aurait voulu tuer pour se sentir complète. Pour que rien ne manque. Elle aurait voulu éprouver, dans ses muscles et dans sa chair, le vertige qui gonflait le torse des garçons lorsqu’ils se laissaient aller à cette inclination, à la fois prodigieuse et mauvaise, visant à disposer de la vie d’un être. Mais les Șerban avaient été élevés dans la religion catholique et Naya, plus que ses frères, désirait rester fidèle à l’esprit charitable de sainte Sara. L’esprit de la sainte, elle le voyait partout : aussi bien dans les nervures des feuilles et les cristaux des pierres que dans les yeux des bêtes. Alors, Naya se contentait des basses besognes. Elle ouvrait les ventres. Elle les vidait. Elle alignait les corps dans la brouette et elle veillait sur chacun d’eux pendant le trajet du retour, priant pour la résurrection de leurs âmes au cours des embardées sur le sentier défoncé. Elle prenait soin des vies soustraites par les garçons, telle une petite embaumeuse aux doigts parfois trop empressés, persuadée que cette allégeance à sa condition de fille lui permettrait de s’attirer les bonnes grâces de la sainte ou, en tout cas, d’échapper à son jugement, voire à ses maléfices.
La foi de Naya n’était mue que par la crainte. Jamais elle n’avait cru par amour ou par communion sincère. Sitôt qu’elle ne redouterait plus la disgrâce divine et l’infortune, ou sitôt qu’elle sentirait faiblir les pouvoirs de Sara la Noire, elle tuerait aussi sûrement que ses frères. Peut-être mieux encore. Plus cruellement et en plus grand nombre. Elle attendait avec une impatience brûlante ce temps de la fureur et des massacres, et elle ne doutait pas que son jour viendrait.
Sa longue chevelure rousse contrastait avec la couleur des cheveux des garçons. Son teint était plus pâle. Elle aurait bientôt dix ans, mais sa constitution malingre faisait qu’on lui en donnait facilement un ou deux de moins.
C’était la dernière des Șerban, la fille.
Corinne Royer, Ceux du lac, Seuil, 2024.
Naya wollte nicht lernen zu töten, und doch war die Versuchung groß. Indem sie sich weigerte, dies zu üben, hatte sie das Gefühl, nicht ganz lebendig zu sein. Jedenfalls nicht so präsent in der Welt wie ihre Brüder; als ob der Verzicht auf diesen Akt der Ausbeutung eines anderen Lebens als ihrem eigenen gleichbedeutend wäre mit der Leugnung ihrer eigenen Existenz. Sie beraubte sich selbst etwas, das sie nicht genau benennen konnte und das nichts anderes war als der wilde Wille, mit dem Leben zu kämpfen.
Zermalmen. Ersticken. Zermalmen. Betäuben.
All diese Handlungen, die die Jungen den ganzen Tag lang mit spielerischer Gleichgültigkeit wiederholten und die darin bestanden, sich ihren Anteil unter den Spinnen und Wühlmäusen, Heuschrecken und Fröschen, Fischen und Kaninchen zu holen; oder auch den Motten, die Ruben wie ein Hungriger verschlang, weil sie wegen ihres knackigen Hinterleibs eine beliebte Beute waren.
Naya hätte töten wollen, um sich vollständig zu fühlen. Damit nichts fehlte. Sie hätte in ihren Muskeln und in ihrem Fleisch den Rausch spüren wollen, der die Brust der Jungen anschwellen ließ, wenn sie sich dieser zugleich erstaunlichen und bösen Neigung hingaben, über das Leben eines Wesens zu verfügen. Aber die Șerbans waren katholisch erzogen worden, und Naya wollte mehr als ihre Brüder dem barmherzigen Geist der Heiligen Sara treu bleiben. Den Geist der Heiligen sah sie überall: in den Adern der Blätter und den Kristallen der Steine ebenso wie in den Augen der Tiere. Also begnügte sich Naya mit den niederen Arbeiten. Sie öffnete die Bäuche. Sie leerte sie. Sie legte die Leichen in die Schubkarre und wachte auf dem Rückweg über jeden einzelnen von ihnen, betete für die Auferstehung ihrer Seelen, während die Schubkarre über den holprigen Weg holperte. Sie kümmerte sich um die Leben, die die Jungen genommen hatten, wie eine kleine Einbalsamiererin mit manchmal zu eifrigen Fingern, überzeugt, dass diese Ergebenheit in ihre Rolle als Mädchen ihr die Gunst der Heiligen einbringen oder ihr zumindest deren Urteil oder gar deren Flüche ersparen würde.
Nayas Glaube war nur von Angst getrieben. Nie hatte sie aus Liebe oder aufrichtiger Verbundenheit geglaubt. Sobald sie keine göttliche Missgunst und kein Unglück mehr fürchtete oder sobald sie spürte, dass die Kräfte der Schwarzen Sara schwanden, würde sie genauso sicher töten wie ihre Brüder. Vielleicht sogar noch besser. Grausamer und in größerer Zahl. Sie wartete mit brennender Ungeduld auf diese Zeit der Wut und der Massaker und zweifelte nicht daran, dass ihr Tag kommen würde.
Ihr langes rotes Haar stand im Kontrast zu der Haarfarbe der Jungen. Ihre Haut war blasser. Sie würde bald zehn Jahre alt sein, aber aufgrund ihrer kränklichen Konstitution sah man sie leicht ein oder zwei Jahre jünger.
Sie war die Letzte der Șerban, die Tochter.
Der Vater, einst Souverän, nun tragische Figur, steht für die prekäre Männlichkeit im Anthropozän: Seine Sprache zerfällt, seine Gestik wird archaisch, sein Tod am Ende ist mythisch und widerständig zugleich. Er verkörpert die Zerrüttung einer autoritären Ordnung, die sich der Ökologie nicht öffnen konnte. Tante Marta, Monica und die staatliche Sozialarbeiterin Daniela Ponor stehen für drei Weisen, wie die überwältigte Stadtgesellschaft auf das „wilde“ Leben im Delta reagiert: Marta mit Empathie und literarischer Imagination, Monica mit Skepsis und ironischer Distanz, Daniela Ponor mit biopolitischer Kontrolle. Mit der folgenden Szene wird das zentrale politische Moment des Romans eingeleitet: der Konflikt zwischen institutionalisiertem Naturschutz und gelebter Ökologie. Daniela Ponor verkörpert (vielleicht etwas stereotyp) eine Logik staatlicher Kontrolle, die die Șerbans aus ihrer Lebensweise zu vertreiben droht. Die Szene markiert den Wendepunkt vom freien Leben zum drohenden Verlust.
Daniela Ponor agita la main. Elle avait la fausse affabilité de ceux qui puisent avec regret dans leurs réserves de diplomatie ; la figure aimable mais quelque chose de roide dans le regard comme si elle souriait provisoirement, ravalant à grand effort une sévérité qui ne manquerait pas de se manifester passé les politesses d’usage.
Elle fit part à Marta de ses inquiétudes.
Vous savez que les Șerban vont être expulsés ?
Je…
Oui, vous savez sans doute, et c’est peut-être mieux comme ça, hein ? Cette vie de sauvage n’est pas faite pour des enfants ! Vous êtes d’accord ?
Ils…
Surtout pour la petite avec son cœur malade, n’est-ce pas ? Mais le père, hein ? Le père Șerban ! Mon Dieu !
Daniela Ponor délivrait toujours elle-même les réponses aux questions qu’elle posait, questions et réponses dans un même souffle afin d’éviter les contradictions et d’imposer son point de vue par un débit constant de mots. Elle ne pouvait compter sur rien de plus efficient car elle ne disposait pas d’un impact physique déterminant. Elle ne devait pas dépasser le mètre cinquante et, une fois la bienséance des salutations consommée, son visage n’inspirait plus ni animosité ni empathie. Il se muait en une composition de traits d’une neutralité rare. Le regard n’exprimait rien de l’assentiment ou de l’étonnement, ou encore de l’agacement ; et même les lèvres, s’agitant pourtant à folle allure, n’avaient aucune amplitude de mouvement. On restait planté devant cette figure de cire, avec seulement le sens des mots débités et les inflexions de la voix pour repères, et il fallait alors avoir l’oreille sûre en plus d’accepter de faire le deuil de ce qu’on avait à dire.
Aux premières gouttes, elle abrita Marta sous son parapluie et elles marchèrent toutes deux, côte à côte, vers la sortie du cimetière.
Je reviens tout juste de Văcărești ! Je lui ai porté la lettre de sa convocation, avec la date et l’heure. Il faudra bien parler logement et scolarisation des enfants. Enfin, vous voyez ?
C’est…
Les enfants n’étaient pas là et monsieur Șerban n’a pas daigné m’ouvrir. Vous imaginez ? Tout ce trajet pour rester sur le pas de la porte ! Vous pourriez peut-être le convaincre, vous ?
Peut…
Au moins, qu’il vienne à cette convocation ! Hein ? Vous pensez qu’il vous écouterait, vous ? Mais quelle tête de mule, ce monsieur Șerban ! Figurez-vous que je me suis trouvée nez à nez avec son chien. Vous avez vu la tête de ce chien ? Un vampire, n’est-ce pas ?
Corinne Royer, Ceux du lac, Seuil, 2024.
Daniela Ponor winkte ab. Sie hatte die falsche Freundlichkeit von Menschen, die mit Bedauern auf ihre diplomatischen Reserven zurückgreifen; ihr Gesicht war freundlich, aber ihr Blick war etwas steif, als würde sie nur vorübergehend lächeln und mit großer Anstrengung eine Strenge unterdrücken, die sich nach den üblichen Höflichkeiten sicherlich zeigen würde.
Sie teilte Marta ihre Besorgnis mit.
Sie wissen doch, dass die Șerbans ausgewiesen werden?
Ich…
Ja, Sie wissen es sicher, und vielleicht ist es auch besser so, oder? Dieses Leben in der Wildnis ist nichts für Kinder! Stimmen Sie mir zu?
Sie…
Vor allem für die Kleine mit ihrem schwachen Herzen, nicht wahr? Aber der Vater, nicht wahr? Der Vater Șerban! Mein Gott!
Daniela Ponor gab immer selbst die Antworten auf die Fragen, die sie stellte, Fragen und Antworten in einem Atemzug, um Widersprüche zu vermeiden und ihren Standpunkt durch einen konstanten Wortschwall durchzusetzen. Sie konnte sich auf nichts Effizienteres verlassen, da sie keine entscheidende physische Ausstrahlung hatte. Sie war wohl kaum größer als 1,50 Meter, und sobald die üblichen Begrüßungsfloskeln erledigt waren, strahlte ihr Gesicht weder Feindseligkeit noch Empathie aus. Es verwandelte sich in eine Komposition aus Zügen von seltener Neutralität. Ihr Blick drückte weder Zustimmung noch Verwunderung oder Verärgerung aus, und selbst ihre Lippen, die sich rasend schnell bewegten, zeigten keinerlei Bewegung. Man stand wie angewurzelt vor dieser Wachsfigur, nur die Bedeutung der gesprochenen Worte und die Betonung der Stimme als Anhaltspunkte, und man musste nicht nur ein gutes Gehör haben, sondern auch bereit sein, auf das zu verzichten, was man zu sagen hatte.
Als die ersten Tropfen fielen, schirmte sie Marta mit ihrem Regenschirm ab, und sie gingen Seite an Seite zum Ausgang des Friedhofs.
Ich komme gerade aus Văcărești! Ich habe ihm den Vorladungsschein mit Datum und Uhrzeit gebracht. Wir müssen über die Wohnung und die Einschulung der Kinder sprechen. Sie verstehen doch, oder?
Es ist…
Die Kinder waren nicht da und Herr Șerban hat mir nicht aufgemacht. Können Sie sich das vorstellen? Der ganze Weg umsonst! Können Sie ihn vielleicht überreden?
Vielleicht…
Er soll wenigstens zu diesem Termin kommen! Was? Glauben Sie, er würde Ihnen zuhören? Dieser Herr Șerban ist so stur wie ein Esel! Stellen Sie sich vor, ich stand plötzlich seiner Hündin gegenüber. Haben Sie den Blick dieses Hundes gesehen? Wie ein Vampir, nicht wahr?
Die Ästhetik von Ceux du lac ist sinnlich, bilderreich, rhythmisch. Royer schreibt eine Sprache, die nicht über, sondern aus oder mit der Natur spricht. Wasser, Wind, Tiere, Pflanzen sind nicht Kulisse, sondern Akteure. In vielfacher Weise wird das „Lebendige“ zu einem poetischen Partner. Die Beschreibungen des Flusses, der Bewegung der Körper im Wasser, der Jagd auf Fische oder der Trauer um tote Tiere sind voller Konkretion und poetischer Aufladung. Royers Ökopoetik ist dabei niemals romantisch-rückwärtsgewandt, sondern hyperpräsentisch: Sie fragt, was in der Begegnung zwischen Mensch und Umwelt auf dem Spiel steht. Sashos poetische Intuitionen und die geheimen Schulstunden in einer überwachsenen Grotte sind Akte einer radikalen Gegenbildung, die Naturwissen, Literatur und Ethik zu verbinden sucht. Die Malereien Nayas, die Lektüre von Naturzeitschriften, die Rufe der Vögel, das Bellen des Hundes Moroï – all das ergibt eine polyphone Ökologie der Zeichen.
Auf inhaltlicher Ebene kritisiert Royer eine Biopolitik, die im Namen des Naturschutzes gewachsene Lebensformen zerstört. Die Evakuierung der Șerban-Familie zugunsten eines „europäischen“ Projekts ist ein klassischer Fall von Green Colonialism: Die Natur wird zur Ware, zur Landschaft für den Blick, zum „Reservat“. Dabei spielt Royer auf reale Vorbilder wie das Văcărești-Reservat an und verweist mit Martas Beispielen (z. B. Kaziranga, Indien) auf die globale Logik der Entmenschlichung im Namen der Natur. Der Roman zeigt, dass Natur- und Sozialpolitik nicht getrennt zu denken sind. Das Leben der Șerbans ist in diesem Sinne eine soziale Ökologie: nicht idealisiert, voller Gewalt, aber auch voller gemeinschaftlicher Ressourcen.
La mémoire du delta, telle que Marta la lui avait décrite, hantait souvent l’imaginaire de Sasho. Il pensait à tous ces moines reclus au monastère, à toutes ces personnes recluses dans la prison, à toutes ces eaux recluses entre les digues. Il se demandait si cette somme de réclusions avait été le prix à payer, par ceux d’avant eux, afin que les Șerban puissent vivre à l’abri de la fureur urbaine dans cet espace sauvage qu’ils n’auraient échangé pour rien au monde. La petite phrase incisive de tante Marta, Vous aussi, d’une certaine façon, vous êtes reclus dans ce delta !, n’avait rien modifié à son appréciation. Sasho préférait être cloîtré dans un royaume que claquemuré dans un appartement. Mais la venue récente des agents de la ville, sur leurs terres qui n’étaient pas les leurs et qu’ils ne pouvaient justifier comme telles par aucun acte de propriété, le tourmentait. Il avait été question d’un projet de réserve pour la faune et la flore, un vaste programme écologique soutenu par l’Europe, au sein duquel les Șerban n’auraient plus leur place ; Sasho l’avait compris malgré les tentatives d’apaisement et les mots rassurants.
Le monde allait ainsi.
Les hommes devaient donc vivre séparés des bêtes et des arbres. Le pacte de cohabitation qui avait perduré pendant vingt ans dans le delta allait être abrogé au profit d’une mise en scène où se tiendraient d’un côté les hommes mués en spectateurs et, de l’autre, les animaux se donnant en spectacle. Tante Marta avait expliqué à Sasho combien, sous le couvert de bonnes intentions, les décisions sont parfois contraires à leur objectif premier. Elle s’était désolée pour les Șerban, mais également pour la préservation du delta, puisque les aménagements pédagogiques et la venue de centaines de visiteurs perturberaient la vie sauvage davantage que la présence d’une famille au sein d’une cabane. Elle avait déploré qu’on pût ainsi rayer les Șerban de la carte de Văcărești. Elle avait ajouté qu’en tout temps et partout on avait créé des réserves naturelles au détriment des indigènes qui y vivaient. Marta avait donné pour exemple le parc national de Kaziranga, en Inde, où les habitants avaient été expulsés ; ceux qui se déplaçaient encore dans le parc pour cultiver la terre ou chasser du petit gibier s’exposaient aux tirs à vue, et plus d’une centaine de paysans étaient tombés sous les balles des gardes.
C’est comme ça, avait dit tante Marta, on ferme les yeux aux pauvres pour donner à voir aux touristes !
Sasho avait répondu qu’il ne partirait pas.
Ni lui ni aucun des Șerban.
Corinne Royer, Ceux du lac, Seuil, 2024.
Die Erinnerung an das Delta, wie Marta es ihm beschrieben hatte, beschäftigte Sasho oft. Er dachte an all die Mönche, die sich im Kloster zurückgezogen hatten, an all die Menschen, die im Gefängnis eingesperrt waren, an all das Wasser, das zwischen den Deichen eingeschlossen war. Er fragte sich, ob diese Summe an Einsperrung der Preis war, den ihre Vorfahren zahlen mussten, damit die Șerban in diesem wilden Gebiet, das sie um nichts in der Welt eintauschen würden, geschützt vor der Wut der Stadt leben konnten. Der kleine, prägnante Satz von Tante Marta: „Auch Sie sind in gewisser Weise in diesem Delta eingesperrt!“, hatte nichts an seiner Einschätzung geändert. Sasho zog es vor, in einem Königreich eingesperrt zu sein, als in einer Wohnung eingemauert. Aber das jüngste Auftauchen der Stadtbeamten auf ihrem Land, das ihnen nicht gehörte und das sie durch keinen Eigentumsnachweis rechtfertigen konnten, quälte ihn. Es war von einem Projekt für ein Naturschutzgebiet die Rede gewesen, einem groß angelegten ökologischen Programm, das von Europa unterstützt wurde und in dem die Șerbans keinen Platz mehr haben würden; Sasho hatte das trotz der Beschwichtigungsversuche und beruhigenden Worte verstanden.
So war die Welt nun einmal.
Die Menschen mussten also getrennt von den Tieren und Bäumen leben. Der seit zwanzig Jahren bestehende Pakt des Zusammenlebens im Delta sollte zugunsten einer Inszenierung aufgehoben werden, bei der auf der einen Seite die Menschen als Zuschauer standen und auf der anderen Seite die Tiere sich zur Schau stellten. Tante Marta hatte Sasho erklärt, wie sehr Entscheidungen unter dem Deckmantel guter Absichten manchmal ihrem ursprünglichen Ziel zuwiderlaufen. Sie bedauerte die Șerbans, aber auch den Verlust des Deltas, da die pädagogischen Einrichtungen und der Besuch von Hunderten von Touristen das Leben der Wildtiere stärker stören würden als die Anwesenheit einer Familie in einer Hütte. Sie bedauerte, dass die Șerbans auf diese Weise aus Văcărești verschwinden würden. Sie fügte hinzu, dass zu allen Zeiten und überall Naturschutzgebiete zum Nachteil der dort lebenden Ureinwohner geschaffen worden seien. Marta hatte als Beispiel den Kaziranga-Nationalpark in Indien angeführt, wo die Bewohner vertrieben worden waren; diejenigen, die sich noch im Park aufhielten, um das Land zu bebauen oder Kleinwild zu jagen, wurden auf Sicht erschossen, und mehr als hundert Bauern waren von den Schüssen der Wachen getötet worden.
So ist das, hatte Tante Marta gesagt, man verschließt den Armen die Augen, damit die Touristen etwas zu sehen haben!
Sasho hatte geantwortet, dass er nicht weggehen werde.
Weder er noch irgendeiner der Șerbans.
Royer arbeitet mit wechselnden Fokalisierungen, poetischer Repetition, archaisch-biblischen Sprachfiguren, Rückblenden und Kontrastmotiven. Besonders bemerkenswert ist die hohe Rhythmus-Sensibilität ihrer Prosa: Wiederholungen wie „Muscle ton dos, Sasho“ oder „Huit-huit-huit“ fungieren als rituelle Sprachakte, als Beschwörungen. Der Text rhythmisiert das Erzählen wie ein Atem, wie ein Puls. Auch mythopoetische Verfahren spielen eine Rolle: die Figur des Moroï (Vampir-Hund), die Berufung auf Sainte Sara, die Verknüpfung von Landschaft und Geschichte (Kloster, Gefängnis, Delta, Projekt).
Il brisa la bouteille sur la pierre, et il pleura. Le vent sifflait à ses oreilles. Les planches de la cabane râlaient à chaque nouvelle bourrasque et les tôles geignaient au niveau de la toiture. Les herbes grinçaient. Une aigrette se dressait au bord du lac, sa silhouette se découpait comme un cierge sur les eaux frémissantes. Il referma son poing autour de la boule de papier. Il aurait bien prié, mais aucune prière ne lui vint ; il n’en connaissait pas qui pût déjouer le destin.
Le vieux Moroï était couché contre l’enclos des poules, son souffle soulevait ses flancs. Il respirait bruyamment. Il gémissait parfois dans son sommeil, des spasmes le parcouraient ; on aurait dit qu’un fil barbelé le déchirait de l’intérieur.
T’es là, toi aussi ? J’t’avais oublié, mon vieux ! s’étonna le père.
Il entreprit de grimper sur la butte, face à la cabane. La terre s’éboulait et collait à ses chaussures, et son pied gauche s’obstinait à prendre une autre direction que son pied droit. Par la faute de ce conflit manifeste entre ses pieds, il manqua plusieurs fois de s’affaler parmi les herbes.
Rev’nez, chère madame Ponor ! J’avais oublié le vieux Moroï ! Y en a huit, huit cadavres rien qu’pour vous, m’dame Ponor ! Rev’nez ! Huit-huit-huit-huit-huit !
Depuis le haut de la butte, il voyait les tours d’habitation et les cheminées des usines. En amont de la verticalité de la ville, son regard embrassait l’étendue du delta. Les faveurs du printemps avaient reverdi les jeunes pousses des bosquets, et reverdi aussi les petits vallons en courbes douces dont le père connaissait la moindre excavation, la moindre imperfection de sinuosité. Il savait que le vert gagnerait bientôt toute la vallée de Văcărești. Du vert jusqu’à plus ou moins tard au creux de l’été, selon les caprices des pluies ; et du vert encore, avec des touches d’ocre et de marron, au cœur des marécages. Devant lui, c’était la surface plane du lac, tout en ombres et vibrations, avec les saules et les roseaux penchés dessus. Par crainte de la perte imminente, ou peut-être par crainte que ses souvenirs ne s’effacent à cause des jours qui passent, il lui semblait ne jamais avoir vu paysage plus déchirant. Il avait mal que ce fût si beau.
On peut plus rien regarder, après ça ! pensa-t-il.
Il aurait voulu perdre conscience, se laisser prendre dans les plis du temps, ni passé, ni présent, ni avenir. Il aurait voulu que le calme vînt et que l’affolement disparût. Salive, palpitations, sueurs, vent, lettre, assistante sociale ; tout effacer.
Il répétait huit à toute vitesse et les sons ondulaient, du grave à l’aigu, comme le chant d’un passereau immobilisé dans la glu. Les oiseaux lui répondaient, et il s’époumonait de nouveau.
Huit-huit-huit-huit-huit !
Corinne Royer, Ceux du lac, Seuil, 2024.
Er zerschlug die Flasche auf dem Stein und weinte. Der Wind pfiff ihm in den Ohren. Die Bretter der Hütte knarrten bei jedem neuen Windstoß und das Blechdach ächzte. Das Gras raschelte. Am Ufer des Sees stand ein Reiher, dessen Silhouette sich wie eine Kerze vor dem flirrenden Wasser abzeichnete. Er ballte die Faust um den Papierknäuel. Er hätte gerne gebetet, aber ihm fiel kein Gebet ein; er kannte keines, das das Schicksal hätte abwenden können.
Der alte Moroï lag an den Hühnerstall gelehnt, sein Atem hob seine Flanken. Er atmete laut. Manchmal stöhnte er im Schlaf, Krämpfe durchliefen ihn; es sah aus, als würde ihn ein Stacheldraht von innen zerreißen.
„Du bist auch da? Ich habe dich vergessen, mein Alter!“, wunderte sich der Vater.
Er machte sich daran, auf den Hügel gegenüber der Hütte zu klettern. Die Erde bröckelte und klebte an seinen Schuhen, und sein linker Fuß wollte partout nicht in die gleiche Richtung wie sein rechter. Wegen dieses offensichtlichen Konflikts zwischen seinen Füßen wäre er mehrmals ins Gras gefallen.
Kommen Sie zurück, liebe Frau Ponor! Ich habe den alten Moroï vergessen! Es sind huit, acht, acht Leichen nur für Sie, Frau Ponor! Kommen Sie zurück! Huit-huit-huit-huit-huit ! Acht-acht-acht-acht-acht!
Von der Anhöhe aus sah er die Wohnhochhäuser und die Schornsteine der Fabriken. Oberhalb der senkrechten Stadtlinie reichte sein Blick bis über das Delta. Der Frühling hatte die jungen Triebe der Wäldchen wieder grün werden lassen, ebenso wie die kleinen, sanft geschwungenen Täler, deren jede Vertiefung und jede Unebenheit sein Vater kannte. Er wusste, dass das Grün bald das ganze Tal von Văcărești bedecken würde. Grün bis mehr oder weniger spät im Hochsommer, je nach Laune des Regens; und wieder Grün, mit einem Hauch von Ocker und Braun, im Herzen der Sümpfe. Vor ihm lag die flache Oberfläche des Sees, voller Schatten und Vibrationen, mit den darüber geneigten Weiden und Schilfhalmen. Aus Angst vor dem bevorstehenden Verlust oder vielleicht aus Angst, dass seine Erinnerungen mit den Tagen verblassen würden, kam es ihm vor, als hätte er noch nie eine so herzzerreißende Landschaft gesehen. Es tat ihm weh, dass es so schön war.
Danach kann man nichts mehr anschauen! dachte er.
Er hätte gerne das Bewusstsein verloren, sich in den Falten der Zeit gefangen fühlen, weder Vergangenheit, noch Gegenwart, noch Zukunft. Er hätte sich Ruhe gewünscht und dass die Panik verschwindet. Speichel, Herzklopfen, Schweiß, Wind, Brief, Sozialarbeiterin; alles auslöschen.
Er wiederholte huit, acht, in schneller Folge, und die Laute schwankten zwischen tief und hoch wie der Gesang eines Vogels, der in Leim feststeckt. Die Vögel antworteten ihm, und er schrie sich erneut die Lunge aus dem Leib.
Huit-huit-huit-huit-huit! Acht-acht-acht-acht-acht!
Die einleitende Szene präsentiert Sasho schwimmend in der Dâmbovița, in einer mythisch aufgeladenen Beschreibung. Die Wahrnehmung des Körpers im Wasser evoziert ein Fabelwesen und thematisiert zugleich das Verschmelzen von Mensch und Natur. Die Szene begründet die zentrale Ästhetik des Romans: der Mensch als Teil eines lebendigen, widerstrebenden, poetischen Ökosystems. Sasho wird als Figur des Widerstands und der Verbindung mit dem Lebendigen eingeführt. Der Körper des Schwimmers wird für den Blick erst zum Tier, dann zum Menschen, dann zum mythischen Wesen:
De loin, on aurait pu croire que c’était un chien. Une masse sombre. Une tête émergeant au ras de l’eau, mais pas une tête entière, seulement un crâne, ou plus exactement l’arrière d’un crâne couvert d’une toison noire ; et la toison noire flottait sur un large cercle tronqué par les courants et elle paraissait démesurée par rapport à la taille du crâne.
Un chien donc. Voilà tout ce qu’on voyait.
Il remontait la rivière. En se rapprochant, on parvenait à suivre son déplacement. Les formes se précisaient et l’image se faisait plus complète. La première intuition se révélait alors trompeuse, car ce qui frappait la surface de façon répétée n’avait rien de comparable à des pattes d’animal. Il s’agissait de bras et de jambes d’homme. Il nageait. Les mains battaient les flots et les pieds les agitaient, créant des remous continus dans le cours d’eau. Tout laissait supposer que le nageur était pourvu d’une seule paire de bras et d’une seule paire de jambes, puisqu’un seul crâne ne pouvait être associé à davantage de membres, mais il était en réalité impossible de les compter tant les mouvements étaient rapides.
On en avait vu d’autres, ici, des êtres étranges sortis de la prison ou du monastère, ou encore du lac et des marécages. Les légendes de Văcărești étaient peuplées de créatures difformes, comme l’étaient nombre de légendes du monde. On disait que les cynocéphales ayant traversé le Danube en des temps anciens avaient non seulement une tête de chien, mais quatre jambes et quatre mains. On disait ça et son contraire. On disait tant d’autres choses. Les étrangetés dont on avait témoigné par le passé étaient devenues des mythes à force de sauter d’une bouche à l’autre, d’un siècle à l’autre, d’une rive à l’autre ; et on continuerait d’en témoigner tant qu’il y aurait sur ces terres des hommes en soif de croyances.
Corinne Royer, Ceux du lac, Seuil, 2024.
Aus der Ferne hätte man meinen können, es sei ein Hund. Eine dunkle Masse. Ein Kopf, der knapp über der Wasseroberfläche auftauchte – aber kein ganzer Kopf, nur ein Schädel, oder genauer gesagt der Hinterkopf, bedeckt von einer schwarzen Mähne; und diese schwarze Mähne trieb auf einem breiten, von der Strömung zerschnittenen Kreis und schien unverhältnismäßig groß im Vergleich zur Größe des Schädels.
Ein Hund also. Das war alles, was man sah.
Er schwamm flussaufwärts. Je näher man kam, desto besser konnte man seine Bewegung verfolgen. Die Umrisse wurden klarer, das Bild vollständiger. Die erste Ahnung erwies sich als trügerisch, denn was da wiederholt die Wasseroberfläche durchbrach, hatte nichts mit Tierpfoten gemein. Es handelte sich um Arme und Beine eines Menschen. Er schwamm. Die Hände peitschten durch die Fluten und die Füße wirbelten sie auf, erzeugten unaufhörlich Strudel im Flusslauf. Alles deutete darauf hin, dass der Schwimmer nur ein Paar Arme und ein Paar Beine hatte, da zu einem einzigen Schädel kaum mehr Gliedmaßen gehören konnten – doch es war in Wahrheit unmöglich, sie zu zählen, so schnell waren die Bewegungen.
Man hatte schon andere gesehen, hier – seltsame Wesen, die aus dem Gefängnis oder dem Kloster kamen, oder auch aus dem See und den Sümpfen. Die Legenden von Văcărești waren bevölkert von missgestalteten Kreaturen, wie es viele Legenden auf der Welt sind. Man erzählte, dass die Kynokephalen, die einst die Donau überquert hätten, nicht nur einen Hundekopf besaßen, sondern auch vier Beine und vier Arme. Man erzählte das – und auch das Gegenteil. Man erzählte so vieles. Die Merkwürdigkeiten, deren Zeugen man früher geworden war, waren zu Mythen geworden, weil sie von Mund zu Mund, von Jahrhundert zu Jahrhundert, von einem Ufer zum anderen weitergetragen wurden; und man würde weiterhin davon erzählen, solange es auf diesen Böden Menschen gab, die nach Glauben dürsteten.
Die Schlussszene, in der der Vater mit dem Hund Moroï in den See geht, ist einer der emotionalen und poetischen Höhepunkte, als Taufe, als Opferritus und Übergang aus der bewohnbaren Welt der Menschen in einen Raum der Natur, der jenseits gesellschaftlicher Ordnung liegt. Der Schluss evoziert den Mythos des alten Tekir, der sich im Schlamm heilte – ein Gegenbild zur christlichen Taufe. Der Vater identifiziert sich mit dieser Figur und wird damit selbst zum mythischen Wesen, das den Übergang aus dem Leben nicht als Niederlage, sondern als Verwandlung vollzieht. Er opfert sich für seine Kinder, für das Delta, für eine Idee vom Leben jenseits der staatlich kontrollierten Ordnung. Der Tod ist hier nicht nihilistisch, sondern affirmativ. Formal löst sich der Text im Schluss ebenfalls auf: Die Sprache verliert ihre lineare Struktur, wird rhythmisch, fragmentarisch, tranceartig. Der Vater spricht, obwohl er zu ertrinken scheint. Die Sprache wirkt wie ein letzter Atemzug. Diese Dekomposition der Syntax und die Bildhaftigkeit des Stils verdeutlichen die Ästhetik der Selbstaufgabe: Der Vater wird eins mit dem See, mit der Geschichte des Ortes, mit der Ökologie. Die Szene verweigert eine Versöhnung. Es gibt kein Happy End, kein Ausweichen in eine andere Zukunft. Der Vater stirbt, weil das System keinen Platz für seine Lebensform vorsieht. Der Schluss von Ceux du lac ist kein Abschluss, sondern eine Überschreitung, er verleiht dem Text eine tiefere Dimension, in der individuelle Handlung, kollektive Geschichte und ökologische Vision zu einem letzten Bild verschmelzen. Das Lebendige verdient mehr als Schutz: Erinnerung, Achtung, Erzählung.
Ceux du lac ist Ökopoesie – eine poetische Beschwörung des Lebendigen im Modus des Widerstands. Royers Roman vereint Natur- und Sprachbewusstsein, politische Kritik und stilistische Arbeit. Die Kinder Șerban sind dabei keine Helden im klassischen Sinn, sondern fragile Akteure eines Überlebens zwischen Mythen, Biologie und Moderne. Ihre Stimmen hallen nach, für diejenigen, die ohne Stimme aus dem Naturdiskurs verdrängt werden. Dass Royer dafür mit dem Prix du roman d’écologie ausgezeichnet wurde, ist nachvollziehbar: als Beispiel für eine Literatur, die nicht moralisieren, sondern vitalisieren will; die nicht übers Leben spricht, sondern es atmen lässt. Eine Provokation für institutionelle Ökodiskurse, die hier auch als zerstörerisch erkennbar werden.