Gegenarchiv der Kinderkolonie: Simon Johannin

Simon Johannins „Le Fin Chemin des anges“ (2025) rekonstruiert das Schicksal der Jungen, die in der Kinderkolonie auf der Île du Levant – einer von Isolation, Gewalt und Zwangsarbeit geprägten Einrichtung – lebten und starben. Im Mittelpunkt steht Louis, ein sensibler, homoerotisch empfindender Junge, dessen „Abweichung“ im 19. Jahrhundert zur moralischen und juristischen Verurteilung führt und ihn in das System der Kolonie schleudert. Dort werden die Kinder entkräftet, gedemütigt und zu Arbeit gezwungen; viele sterben an Hunger, Krankheit oder Misshandlung. Louis’ Leben wird aus Fragmenten, Erinnerungsflashs und Archivresten rekonstruiert, während die Ruinen des Ortes als Resonanzraum der ausgelöschten Stimmen erscheinen. Der Roman zeigt die Kolonie nicht als pädagogische Einrichtung, sondern als Maschine der systematischen Zerstörung junger Körper und Biografien – und macht die gewaltvolle Geschichte eines Ortes hörbar, den das Archiv weitgehend zum Schweigen gebracht hat. – Johannins Roman ist exemplarisch für die neue Buchreihe „Locus“, indem er einen verlassenen Ort als palimpsestartigen Speicher traumatischer Geschichte lesbar macht. Der Artikel zeigt, wie Johannin räumliche, archivische und poetische Ebenen miteinander verschränkt, um jenen Kindern eine Stimme zurückzugeben, die in den offiziellen Dokumenten entindividualisiert und ausgelöscht wurden. Besonders hervorgehoben wird die doppelte Bewegung des Texts: Einerseits die präzise Analyse der kolonialen Architektur als Disziplinarapparat, andererseits die imaginative Rekonstruktion einer einzelnen Biographie, die stellvertretend für eine Vielzahl verloren gegangener Leben steht. Die Rezension arbeitet heraus, wie Johannin Sexualität, Körperlichkeit und Erinnerung politisch auflädt, indem er die Pathologisierung von Louis’ Homosexualität als gesellschaftlichen Gewaltmechanismus offenlegt und die Poetik der Berührung – die „flashs“, die aus den Ruinen hervorgehen – als Form literarischer Zeugenschaft interpretiert. Insgesamt weist der Aufsatz den Roman als ein Gegenarchiv aus, das die Stille eines gewaltsam vergessenen Ortes in erzählerische Präsenz verwandelt und damit die ethische Dimension von Literatur sichtbar macht.

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Christlich-jüdisches Frankreich und identitäre Zwangsassimilation: Eric Zemmour

Die Präsidenten der Französischen Republik suchten jeweils eigene Wege, um das Spannungsverhältnis zwischen dem Selbstverständnis Frankreichs als historisch christlich geprägte Nation und den Prinzipien der strikt laizistischen Republik politisch auszugleichen. „La messe n’est pas dite“ (2025) präsentiert Éric Zemmours rechtsextreme Vision einer zivilisatorischen Wiedergeburt Europas durch eine Rückkehr zu seinen christlichen Fundamenten. In seiner Darstellung bildet das Christentum das historische, kulturelle und politische Fundament Europas. Daraus leitet er allerdings die Forderung nach einer intensiven autoritären Rechristianisierung ab, die sowohl juristische Maßnahmen (z. B. Einschränkungen der Vornamenswahl, Remigration, Einschränkung richterlicher Befugnisse) als auch eine kulturelle und moralische Umformung der Gesellschaft umfasst. Diese Neuordnung verbindet er mit der Idee einer „großen Allianz“ zwischen traditionalistischen Katholiken und assimilierten Juden, die gemeinsam den kulturellen Bestand Europas sichern sollen. – Die Rezension zeichnet nach, wie Zemmours Argumentation auf einer selektiven Geschichts- und Religionsdeutung beruht, die komplexe kulturelle und politische Dynamiken auf ein dualistisches Bedrohungsszenario reduziert. Sie zeigt, dass Zemmour Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Universalismus – Werte, die er selbst als christliches Erbe beschreibt – im Namen einer identitären Selbstbehauptung zurückdrängen will. Die Rezension zeigt auf, wie Zemmour sowohl den Islam als auch den modernen Liberalismus als monolithische Feindbilder konstruiert und dabei mit Doppelstandards operiert, etwa durch selektive Lektüre religiöser Texte oder die Vereinfachung historischer Beispiele. Darüber hinaus zeigt sie, wie Zemmour den Laizismus funktionalisiert, um ihn von einem Prinzip staatlicher Neutralität in ein Instrument kultureller Dominanz zu verwandeln. Zemmours Programm stellt weniger eine Verteidigung des christlich geprägten Erbes dar als vielmehr eine autoritär-identitäre Revision der republikanischen Tradition, die die Grundlagen der Fünften Republik grundlegend infrage stellt.

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Der Naive und die Spießer bei Voltaire und Dominique Fernandez

In „Un jeune homme simple“ (2024) zeichnet Dominique Fernandez den Weg des jungen Auvergnaten Arthur nach, der als unverbildeter Provinzler in das hyperideologisierte Paris gerät. Seine Begegnungen u.a. mit radikal-feministischen, ökologischen und literarischen Milieus machen die Gegenwartsgesellschaft als von Moralismus, Woke-Dogmen und kulturellem Konformismus durchdrungen sichtbar. Die Naivität des Helden fungiert dabei als Prüfstein moderner Eliten: Gerade weil Arthur die „Codes“ der Hauptstadt nicht versteht, legt er deren Heuchelei frei und entscheidet sich am Ende für die Rückkehr in die Auvergne, wo „valeurs sûres, éprouvées“ und eine einfache Liebe auf ihn warten. – Die Rezension ordnet den Roman explizit in eine intertextuelle Linie zu Voltaires „L’Ingénu“ ein und deutet Arthur als gegenwärtige Reinkarnation des aufgeklärten Außenseiters. Wie Voltaires Hurone entlarvt auch Arthur durch sein unverstelltes Urteil die Absurditäten der jeweiligen Epoche – einst der religiösen Riten, heute der ideologischen Orthodoxien. Dabei kehrt sich Voltaires Impuls jedoch um: Wo der Ingénu zum Widerstand in der Welt gezwungen wird, erscheint bei Fernandez der Rückzug als einzige verbleibende Form von Integrität. Die Argumentation der Rezension arbeitet folglich mit einem doppelten Vergleich: Sie liest Fernandez’ Satire als moderne Fortsetzung voltairischer Kritik – und zugleich als ironische Antithese, in der der naive Held nicht mehr kämpft, sondern die korrumpierte Zivilisation hinter sich lässt. – Zentral für die Rezension ist zudem die Beobachtung, dass Fernandez die sexuelle Befreiung der Gegenwart nicht als Fortschritt, sondern als neue Form des Konformismus zeichnet: Was einst transgressiv war, erscheint im Pariser Milieu als kommerzialisiertes Ritual, das seine rebellische Energie verloren hat. Die Werkgeschichte der Homosexualität bei Fernandez zeigt diesen Verlust der „gloire du paria“ als wiederkehrendes Motiv: Seit „L’Étoile rose“ (1978) und „La Gloire du Paria“ (1987) über den Doppelroman „L’homme de trop“ (2021/2022) beschreibt er die Assimilation der einst widerständigen Minderheit als kulturelle Nivellierung, die Wünsche nach einer neuen radikalen Differenz – zuletzt im Transgender – hervorbringt.

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Okzitanische Transgression: Alain Guiraudie

Die vier Romane des Filmemachers und Schriftstellers Alain Guiraudie bilden eine zusammenhängende Saga, in der sich die Logik des Roman-Flux entfaltet: „Ici commence la nuit“ (2014) eröffnet das Universum mit einem düsteren Dreieck aus Gewalt, Begehren und okzitanisch grundierter Außenseiterexistenz; „Rabalaïre“ (2021) radikalisiert dies zu einer tausendseitigen, delirierenden Odyssee, die den ländlichen Süden Frankreichs in ein zugleich realistisches und mythisches Terrain verwandelt, in dem sexuelle, kriminelle und fantastische Energien ineinanderströmen; „Pour les siècles des siècles“ (2024) verschiebt das Projekt ins Metaphysische, indem die Fusion von Jacques und dem Priester Jean-Marie zu einer theologischen, erotischen und philosophischen Reflexion über Identität, Körper und Koexistenz wird; „Persona non grata“ (2025) schließlich zeigt die Konsequenzen dieser Fusion auf institutioneller Ebene und vertieft das Motiv der Ausgrenzung, während es den paranoid-politischen Resonanzraum der Reihe erweitert. Als Werkganzes bilden die Bände einen immer weiter mäandrierenden Fluss, in dem Genregrenzen, moralische Kategorien und ontologische Fixpunkte systematisch aufgelöst werden. – Die Rezension argumentiert, dass Guiraudies Werk aus dem Prinzip der radikalen Entgrenzung heraus zu deuten ist: Die poétique du flux wirkt als ästhetischer, politischer und anthropologischer Schlüssel, der die Verschmelzung von Oralität, okzitanischer Sprachsubversion, sexueller Transgression und philosophischer Spekulation glaubwürdig macht. Ihre Argumentation setzt auf die konsequente Rückbindung der erzählerischen Exzesse an ein strukturelles Programm – die Aufhebung von Identität als stabiler Kategorie, die erzählerische Durchlässigkeit zwischen Realem und Fantastischem sowie die Verbindung von ländlichem Terroir und utopischer Sehnsucht. Durch diese Perspektive erscheinen selbst die extremsten Motive nicht als Provokationen um ihrer selbst willen, sondern als Bausteine einer literarischen Utopie, die das Begehren als verbindende, politisch wirksame Kraft begreift. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch der Zusammenhang von Trobadors und Sade fassen: Guiraudie aktualisiert die mittelalterliche Dichtung des Begehrens, die bei den Trobadors als kultivierte, oft unerfüllte und zugleich transzendierende Kraft erscheint, und verschränkt sie mit de Sades Erforschung der Körpergrenzen, der Ambivalenz von Lust und Grausamkeit und der radikalen Freiheit jenseits moralischer Kodifikationen.

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Guillaume Dustans Abdriften und Christophe Beaux’ literarische Befreiung

Christophe Beaux’ „Un tombeau pour Dustan“ ist eine autobiografische Liebeserinnerung und zugleich ein literarischer Nachruf auf Guillaume Dustan, der einst William Baranès hieß. Beaux schildert ihre Beziehung im Paris der späten 1980er Jahre, gezeichnet von Faszination, Dominanz und Schuld, vor dem Hintergrund der AIDS-Krise. Aus dem intellektuellen und sexuellen Einfluss Williams auf den jüngeren Christophe entsteht eine ungleiche Beziehung, die zugleich prägte und zerstörte. Nach der Trennung und Williams HIV-Diagnose verwandelt sich dieser in den provokativen Schriftsteller Guillaume Dustan, der mit radikaler Offenheit über Sexualität, Krankheit und gesellschaftliche Doppelmoral schreibt. Das Buch dient Beaux als „Grabmal“ und Exorzismus zugleich: Er versucht, die jahrzehntelange Schuld und Faszination zu bannen, indem er die gemeinsame Vergangenheit mit literarischer Klarheit neu erzählt und sich so symbolisch von dem Geliebten befreit, der sein Leben beherrschte. – Die Rezension deutet Beaux’ Text als doppelte Befreiung – biografisch wie literarisch. Sie liest „Un tombeau pour Dustan“ nicht bloß als private Beichte, sondern als dialogischen Gegenentwurf zu Dustans radikalem Werk: Beaux übernimmt dessen Poetik der Wahrhaftigkeit („véracité“), aber verwandelt sie von einer destruktiven zu einer heilenden Kraft. Der Rezensent betont die Spannung zwischen Bewunderung und Abrechnung, zwischen Liebe und Rache, die das Buch strukturiert. Beaux’ Schreiben wird als Akt der Parrhesia – einer mutigen, schonungslosen Rede – gedeutet, der zugleich psychoanalytische und ästhetische Funktion erfüllt. Die Rezension verknüpft das Werk mit den historischen Diskursen über AIDS, Sexualität und gesellschaftliche Rebellion, um es als literarische Antwort auf Dustans Skandalästhetik zu positionieren: Wo Dustan provozierte, reflektiert Beaux; wo jener den Tabubruch suchte, sucht dieser Versöhnung. Das „Tombeau“ erscheint so als Requiem für eine Epoche und als Selbsttherapie eines Überlebenden, der seine Stimme durch das Schreiben wiederfindet.

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Frauenmord als Denkstruktur: Ivan Jablonka

Ivan Jablonka, La culture du féminicide: histoire d’une structure de pensée (Traverse, 2025).

Systemisches Phänomen: sexuelle Gewalt, Verstümmelung und Tötung

Ivan Jablonkas La culture du féminicide: histoire d’une structure de pensée (2025) präsentiert eine literaturwissenschaftliche und soziohistorische Analyse, die die kulturelle Zentralität des sexualisierten Frauenmordes in der westlichen Zivilisation freilegt. Jablonka, bekannt für seine Werke über Gewalt und soziale Strukturen, stellt die gynozidale Kultur oder Feminizid-Kultur („culture du féminicide“) 1 als eine universelle Denkstruktur dar, die die Gesellschaft durchdringt und das Vergnügen am weiblichen Terror vorbereitet. Die grundlegende Problemstellung ist das Ambivalente der gesellschaftlichen Obsession: Wir sind kulturell nach sexualisierten Morden „süchtig“, während wir diese Taten als abscheulich verurteilen. Jablonka definiert den Feminizid als „meurtre d’une femme en tant que femme“ (Mord an einer Frau als Frau), ein vorsätzliches und systemisches Verbrechen, das in sozialen Ungleichheiten wurzelt. Er segmentiert diesen Akt theoretisch in drei „items gynocidaires“: (1) sexualisierte Gewalt (Vergewaltigung, Prostitution), (2) Verstümmelung (Folter, Zerstückelung) und (3) die eigentliche Tötung. Die zentrale These ist, dass diese gynozidale Kultur durch die „idéologie gynocidaire“ – die Rechtfertigung dieser Darstellung – den Feminizid von der Mythologie bis zur Gegenwart als „logique qui traverse la société tout entière“ legitimiert und normalisiert.

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Anmerkungen
  1. „Der Begriff ‚Femizid‘ wurde in den 1990er Jahren von Feministinnen in den USA geprägt, um die Tötung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts zu bezeichnen. Feministinnen in Mexiko entwickelten den Begriff weiter und fügten die Silbe „ni” an Feminizid an, um auszudrücken, dass es sich nicht um die Ermordung von Frauen als individualisierte Fälle, sondern um ein Massenverbrechen handelt.“ https://contre-les-feminicides.ch/femizid-oder-feminizid/, 21. Dezember 2023.>>>

Geschlecht, Macht und Computerspiel: Pauline Gonthier

Polis, Maskulinismus und politischer Opportunismus

Pauline Gonthiers Parthenia ist ein seltenes Beispiel zeitgenössischer Literatur, das Soziologie des Digitalen, Geschlechtersemiotik und politische Psychologie in eine ästhetische Form bringt, die zugleich analytisch und poetisch ist. Der Roman beschreibt parabelartig eine Zeit, in der Sprache selbst zu Code wird und Geschlecht zu Interface. In diesem Sinn ist Parthenia nicht nur ein Ort, sondern ein Verfahren – eine Simulation des Mythos in der Syntax des Digitalen.

Gonthiers Parthenia (2025) ist ein Roman über die gefährliche Schönheit der Ordnung: Zwischen den leeren Bildschirmen eines arbeitslosen Gamers und den makellos beleuchteten Büros einer politischen Beraterin entfaltet sich das Doppelporträt einer Gesellschaft, die sich selbst in Mythen und Algorithmen spiegelt. Baptiste, gefangen in den toxischen Foren der maskulinistischen „redpill“-Kultur, und Léa, Attachée eines nationalistischen Politikers, bewegen sich in unterschiedlichen, aber gleichförmig codierten Welten: seine digitale Misogynie und ihr professioneller Zynismus sind zwei Seiten derselben Kommunikationslogik – kühl, effizient und körperlos. Zwischen ihnen entsteht Parthenia, eine virtuelle Stadt im Stil der Antike, die den Traum von Disziplin, Reinheit und männlicher Macht in ein Spiel verwandelt – und so die Grenze zwischen Simulation und Wirklichkeit zum Einsturz bringt. Beide Figuren sind Spiegel desselben ideologischen Klimas: der eine introvertiert, regressiv und narzisstisch; die andere extravertiert, funktionalistisch und opportunistisch – zwei Gesichter eines posthumanen Projekts, das Körper, Sprache und Moral virtualisiert. Der Roman konfrontiert Baptiste, den entwurzelten jungen Mann, der seine Affekte und seine Sexualität in Foren und Gamingwelten kanalisiert, mit Léa, der jungen Politikverwalterin, die sich zwischen Anpassung, Machtfaszination und moralischem Ekel bewegt.

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Autosoziobiographie als französische Gattung

Autosoziobiographie: Poetik und Politik, hrsg. von Eva Blome, Philipp Lammers und Sarah Seidel, Abhandlungen zur Literaturwissenschaft, Metzler, 2022.

Der Sammelband „Autosoziobiographie: Poetik und Politik“, herausgegeben von Eva Blome, Philipp Lammers und Sarah Seidel, widmet sich der Untersuchung einer literarischen Textform, die seit Didier Eribons Rückkehr nach Reims (Retour à Reims, 2009/2016) eine unübersehbare Konjunktur erlebt. Die Herausgeber verfolgen die Intention, dieses „noch junge Genre“ zu sichten, zu systematisieren und zu reflektieren, um es als relevantes literaturwissenschaftliches Forschungsobjekt zu etablieren und die literarische Form (Poetik) im Kontext ihrer politischen und gesellschaftsanalytischen Ansprüche zu untersuchen. Die Beiträge diskutieren aktuelle autosoziobiographische Texte und ihre literarhistorischen Kontexte unter den drei Schwerpunkten ‚Literarische Epistemologie des Sozialen‘, ‚Zum Politischen der Form‘ und ‚Transition und Narration‘.

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Fragmente eines Werks: Roland Barthes Handbuch von Angela Oster

Barthes-Handbuch: Leben – Werk – Wirkung, hrsg. von Angela Oster, Metzler, 2025.

Dritte Form des Schreibens

Roland Barthes’ Position konsolidierte sich erst im Laufe der Zeit. Im 21. Jahrhundert ist dieser Rang unumstritten, aber die Universitäten der Gegenwart und ihre Geistes- und Kulturwissenschaften sind nicht mehr die der 1960er und 1970er Jahre. Durch die radikale Neukonzeption des Schreibens („écriture“) als gewählte Haltung (Am Nullpunkt der Literatur) und die programmatische Abschaffung des Autors als Sinn-Garant (Der Tod des Autors) befreite er die Literaturwissenschaft von positivistischen und essentialistischen Dogmen. Barthes’ theoretisches Werk ist selbst Literatur in Kurzform („écriture courte“), die mit Lust und Wollust affektive und körperliche Dimensionen in die Ästhetik einführte (Die Lust am Text). Sein Spätwerk, das sich der Autofiktion und Biographematik widmete (Über mich selbst, Die Vorbereitung des Romans), indem es das Subjekt nicht eliminierte, sondern in seinen fragmentarischen Widersprüchen annahm, lieferte ästhetische und philosophische Argumente für die post-autobiographischen Strömungen der Gegenwart. Barthes revolutionierte nicht nur die Kritik und Theorie in Frankreich, sondern stellte der „auf Leistung und das fertige Produkt ausgerichtete[n] Gesellschaft“ (Resch, Eintrag Nr. 29) ein Credo des Scheiterns und des Begehrens entgegen, das bis heute nachwirkt.

Roland Barthes erfand sich als Autor unentwegt neu und wurde als Literatur- und Kulturwissenschaftler, Philosoph, Semiologe, (Post-)Strukturalist, Soziologe und Ideologiekritiker bezeichnet. Sein Schreiben bedient sich ganz selbstverständlich literarischer Verfahren und muss als solche sprachliche, literarische Form ernst genommen werden muss. Das von Angela Oster herausgegebene Barthes Handbuch: Leben – Werk – Wirkung (Metzler, 2025) ist nicht nur Kompendium, sondern selbst ein literaturtheoretisches Zeugnis, das Barthes’ Werk in seiner ganzen, oft widersprüchlichen, Fülle zugänglich macht.

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Vom Prix Goncourt zur Bibliothèque de Babel: Mohamed Mbougar Sarr

Sarah Burnautzki, Abdoulaye Imorou und Cornelia Ruhe, Hrsg. Le Labyrinthe littéraire de Mohamed Mbougar Sarr. Francopolyphonies 36. Leiden; Boston: Brill, 2024.

Eine zirkuläre Route

Mohamed Mbougar Sarr gilt als literarische Sensation. Bereits als junger Autor greift er mit intellektueller Reife und stilistischer Brillanz Themen von weltliterarischem Rang auf. Sein Schreiben verbindet die Erfahrung senegalesischer Herkunft mit einer souveränen Aneignung europäischer Bildungstraditionen. Daraus entsteht eine Stimme, die zugleich afrikanisch verwurzelt und universell anschlussfähig ist – voller intertextueller Anspielungen, philosophischer Tiefenschärfe und spielerischer Lust an Sprache. Mbougar Sarr bringt hochkomplexe Fragestellungen – von Identität über Erinnerung bis zur Macht des Erzählens selbst – in eine Form, die nicht akademisch wirkt, sondern lebendig, ironisch und sinnlich. Seine Romane sind packende, manchmal wilde Erzählungen, die poetische Kraft mit intellektuellem Witz verbinden. Er spielt afrikanische und westliche Diskurse nicht gegeneinander aus, sondern bringt sie auf Augenhöhe in produktive Reibung. Der Autor schreibt so selbstverständlich transnational und transkulturell, dass die Kategorien von „Zentrum“ und „Peripherie“ außer Kraft gesetzt scheinen.

Der Sammelband Le Labyrinthe littéraire de Mohamed Mbougar Sarr wurde herausgegeben von Sarah Burnautzki, Abdoulaye Imorou und Cornelia Ruhe. Die Beiträge, die in diesem Band versammelt sind, wurden anlässlich eines Kolloquiums vorgestellt, das im Mai 2023 an der Universität Mannheim abgehalten wurde. Das Kolloquium vereinte eine Vielzahl von internationalen Beitragenden aus Ländern wie Südafrika, Eswatini, Ghana, Senegal, Kanada, den USA und mehreren europäischen Ländern (Frankreich, Belgien, England, Niederlande). Zusätzlich zu den akademischen Vorträgen umfasste die Veranstaltung einen Dialogabend, der dem Verlagsgeschäft afrikanischer Literaturen in französischer Sprache gewidmet war. Mohamed Mbougar Sarr selbst nahm ebenfalls an einem Abschlussabend teil.

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Invasive Pflanzen und drittes Geschlecht: Caroline Lamarche

Caroline Lamarches Roman „Le bel obscur“ (2025, Auswahlliste für den Prix Goncourt) ist eine Erkundung von Liebe, Erinnerung und Geschlechteridentitäten, in der eine Erzählerin nach dem Zerbrechen ihrer Ehe ihre eigene Identität und genealogische Vergangenheit ergründet. Der zentrale Titel „Le bel obscur“ ist eng mit dem verborgenen, queeren Leben ihres Vorfahren Edmond verbunden, dessen Auslöschung aus dem Stammbaum die Unterdrückung seiner irritierende Zwischenstellung repräsentiert. Der Roman dekonstruiert binäre Geschlechterordnungen, indem er Liebe als fluides, unsichtbares Band neu definiert, wobei die Erzählerin die Notwendigkeit des „Dritten“ gegenüber der exklusiven Zweierkonstellation auch für sich selbst als Ehefrau eines homosexuellen Mannes betont. In seiner hybriden Form aus Roman, Essay und Traumprosa transformiert „Le bel obscur“ persönliches Leid in eine universelle poetische Erfahrung, die die Fragilität menschlicher Beziehungen, die Unsichtbarkeit bestimmter Identitäten und die schöpferische Kraft des Erzählens bekräftigt.

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Silikonimplantat und Kriegsprothese: Arno Bertina

Arno Bertinas Roman „Des obus, des fesses et des prothèses“ („Granaten, Hintern und Prothesen“, éd. Verticales, 2025) entwirft ein ebenso groteskes wie aufschlussreiches Panorama menschlichen Leidens und Überlebens an einem unwahrscheinlichen Ort: einem luxuriösen Hotelpalast in Gammarth, unweit von Tunis, angesiedelt ein bis zwei Jahre nach dem Sturz Ben Alis und inmitten des libyschen Bürgerkriegs. Auf der einen Seite beherbergt das Hotel schwer verstümmelte Männer, Überlebende des brutalen Libyen-Krieges, deren Körper von Granaten und Kugeln gezeichnet sind. Auf der anderen Seite finden sich Frauen ein, die sich ästhetischen Operationen unterzogen haben und nun, von Verbänden und Hämatomen gezeichnet, ihre Genesung abwarten. Diese beiden Gruppen, deren Körper auf unterschiedliche Weisen „beschädigt“ oder „modifiziert“ wurden, begegnen sich am Rande eines stillgelegten Swimmingpools, was eine Atmosphäre des Unbehagens, der Absurdität und einer stillen Konfrontation schafft, die über die gesamte Erzählung hinweg schwebt.

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Partnerschaft und Gewalt im Roman: Nathacha Appanah

Der Titel „La nuit au cœur“ (2025) des neuen Romans von Nathacha Appanah spiegelt die zentralen Themen: Gewalt, Angst, Isolation, Trauma, aber auch Widerstand und die Suche nach Sinn und Erinnerung. Die Struktur des Romans gliedert sich in fünf Teile, die zwischen der persönlichen, autofiktionalen Erzählung der Autorin und den rekonstruierten Schicksalen von Emma und Chahinez wechseln, wobei eine „imaginäre Kammer“ als Ort der Begegnung und Reflexion dient. Der Roman dekonstruiert Feminizide nicht als isolierte Vorfälle, sondern als Ausdruck eines tief verwurzelten patriarchalen Systems, das sich über Kulturen und Zeiten erstreckt. Der Roman kritisiert scharf die patriarchalen Gesellschaften, insbesondere in Algerien und auf Mauritius, wo Frauen mit Scheidung stigmatisiert werden und ihre Autonomie eingeschränkt ist. Die parallele Erzählung der drei Frauen – einer Überlebenden und zwei Opfern – unterstreicht die universelle Gefahr, der Frauen ausgesetzt sind, und die erschreckende Ähnlichkeit der Täterprofile und Gewaltmuster (Kontrolle, Eifersucht, Isolation, physische und psychische Misshandlung).

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Alain Pacadis als Ikone der Pariser Underground-Szene: Charles Salles

Charles Salles‘ Roman „Alain Pacadis, Face B“, veröffentlicht im Jahr 2023, zeichnet ein vielschichtiges Porträt des französischen Journalisten und der „Glam-Punk-Ikone“ Alain Pacadis. Das Buch beleuchtet Pacadis‘ Leben, das exemplarisch für die radikalen gesellschaftlichen und kulturellen Umbrüche der Nachkriegszeit in Paris steht. Es begleitet ihn von seiner Jugend in ärmlichen Verhältnissen und seiner ersten politischen Manifestation im Jahr 1968, die seine Desorientierung und Suche nach Identität offenbart, über seine prägenden Erfahrungen mit Drogen, Sexualität und der Pariser Underground-Szene der 1970er Jahre, bis hin zu seinem tragischen Tod im Jahr 1986. Der Roman erforscht die tiefere, komplexere Persönlichkeit jenseits der Oberfläche: seine Familiengeschichte, seine jüdischen und griechischen Wurzeln, persönliche Traumata wie den Tod des Vaters und den Suizid der Mutter sowie seine tiefen Unsicherheiten. Diese weniger sichtbaren, intimen Schichten seines Wesens bilden seine „B-Seite“.

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Übersehenes Interieur: Partikel, Zeichen und Kratzer bei Thomas Clerc

Thomas Clercs Bücher „Intérieur“ und „Cave“ sind eng miteinander verbunden und bilden eine kohärente, doch sich entwickelnde Erkundung des Raums, des Selbsts und des Schreibakts. Während „Intérieur“ eine akribische Bestandsaufnahme des eigenen Wohnraums darstellt, erweitert „Cave“ diese topografische Obsession zu einer Reise in das Verborgene, das Unausgesprochene und das Begehren. Die Bewegung vom sichtbaren, oberirdischen Leben zum unsichtbaren, unterirdischen Reich der Höhle symbolisiert dabei einen doppelten Prozess: die Fortführung einer bereits etablierten literarischen Methode und ihre radikale Vertiefung in die Komplexität menschlicher Innerlichkeit und seines Begehrens.

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Burlesk und unheimlich: zwei Lesarten des Monströsen bei Arthur Dreyfus

Arthur Dreyfus’ „La troisième main“ (P.O.L., 2023) erzählt in der Form eines „journal en désordre“ die Lebensgeschichte des jungen Paul Marchand, die vom Ersten Weltkrieg und einer grotesken medizinischen Grenzüberschreitung geprägt wird. Die erste Hälfte des Romans skizziert eine Kindheit in Besançon, deren Kontinuität mit dem Tod des Vaters und der fortschreitenden Verwahrlosung der Mutter zerbricht. Als Paul schwer verwundet wird, erwacht er nicht im Krankenhaus, sondern im Keller des androgyn inszenierten Camille Gottschalk, der an Menschen und Tieren bizarre Transplantationen vornimmt. Aus Pauls Bauch wächst fortan eine „dritte Hand“ des Deutschen Hans – ein lebendiger, fremder Arm, der sein Überleben sichert und ihn zugleich zum Monstrum macht. Der Text verwebt Krieg, Körperhorror und Identitätssuche und lässt offen, ob sein Protagonist Opfer, Täter oder Komplize des eigenen Überlebens ist. – Der Artikel liest Dreyfus’ Roman doppelt: als unheimliche Parabel über Entfremdung und als grotesk-burleske Körperfantasie. In der einen Lesart ist Gottschalks Labor ein Ort des wissenschaftlichen Grauens, die dritte Hand ein unheimlicher Fremdkörper, der Autonomie und Identität untergräbt. In der anderen erscheint dasselbe Szenario als schillerndes, libertines Spektakel, in dem ein Candide-ähnlicher Erzähler durch ein anatomisches Kuriositätenkabinett taumelt, in dem Geschlechtergrenzen, Moral und Körperformen lustvoll überschritten werden. Zwischen Horror und Überschuss changierend, wird das Monströse zur Bühne des Überlebens – und die „dritte Hand“ zum Symbol für die Ambiguität zwischen Fremdheit und Zugehörigkeit, Abscheu und Lust.

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Schöne Lüge: Philippe Mezescaze

Philippe Mezescazes scheinbar autofiktionaler Roman „Mercurio“ (Mercure de France, 2025) ist eine Meditation über Erinnerung, Begehren, Freundschaft und die Unmöglichkeit, die Wahrheit eines Menschen festzuhalten, als mentir vrai, als bella menzogna. Erzählt wird die Geschichte einer langjährigen Dreierbeziehung zwischen dem Ich-Erzähler, seinem Lebenspartner Almano und dem titelgebenden Mercurio, einer ebenso charismatischen wie widersprüchlichen Figur. Der Roman beginnt mit Mercurios plötzlicher Wiederkehr nach Jahren der Abwesenheit, gefolgt von einer vagen Andeutung einer schweren Krankheit. Doch was als dokumentarischer Erzählbericht beginnt, entfaltet sich rasch zu einem vielschichtigen poetischen Text, der mit Fiktion und Erinnerung, Mythos und Lüge spielt.

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Gärten der Verwandlung: Marivaux und Emmanuelle Bayamack-Tam

Der Artikel verbindet Pierre de Marivaux’ „Le Triomphe de l’amour“ (1732) mit zwei zeitgenössischen Werken von Emmanuelle Bayamack-Tam, der Theateradaption „À l’abordage!“ (2021) und dem Roman „Arcadie“ (2018). Gemeinsamer Kern ist eine dramaturgische Grundkonstellation: Eine junge Figur dringt in eine abgeschottete Welt ein – sei es die philosophische Enklave Hermocrates, die sektenhafte Gemeinschaft Kinbotes oder die utopische Kommune Arcadys. In allen Fällen wird die Ordnung durch Liebe, Begehren und Verwandlung herausgefordert. Dabei variiert der Modus: Marivaux’ Komödie inszeniert eine strategische Maskerade zur Wiederherstellung der Ordnung; Bayamack-Tam transformiert dieses Modell in „À l’abordage!“ zur queeren Farce und in „Arcadie“ zur melancholischen Selbstsuche. Die Maske wird zur Identität, das theatrale Spiel zur existenziellen Transformation. Der Artikel zeigt, wie Bayamack-Tam Marivaux nicht nur aktualisiert, sondern auch radikal umcodiert: Statt einer binären Welt aus Vernunft und Gefühl entwirft sie fluide Identitäten, deren Begehren nicht normativ gezähmt, sondern politisch befreit ist. Während Marivaux die Liebe als Mittel der Restauration inszeniert, wird sie in „À l’abordage!“ zur lustvollen Destabilisierung und in „Arcadie“ zum Prüfstein utopischer Heilsversprechen. Farah ist dabei nicht mehr nur Subjekt der Verkleidung, sondern der Verwandlung selbst. Der Aufsatz liest Bayamack-Tams Werke als Hommage an Marivaux durch subversive Fortschreibung – ein queerer Humanismus, der Masken nicht fallen lässt, um Wahrheit freizulegen, sondern um Identität als offenes Werden zu behaupten.

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Hommage erweisen: Julien Perez

Julien Perez’ Roman „Hommages“ (P.O.L, 2025) ist ein auf den ersten Blick fragmentarisches, in Wahrheit aber äußerst konsistentes Werk, das aus einer Vielzahl von Stimmen besteht – Briefe, Reden, Erinnerungen, Innenschauen –, die sich allesamt auf die in den Bergen verschwundene (mutmaßlich verstorbene) Künstlerfigur Gobain Machín beziehen. Der Leser erfährt nichts direkt aus dessen Perspektive, sondern erhält Informationen ausschließlich über die Erinnerungen von Angehörigen, Freunden, Mitstreitern, Kritikerinnen und Familienmitgliedern. Die literarische Konstruktion bedient sich der rhetorischen Form des Nachrufs – daher der Titel Hommages –, um über das Leben, die Persönlichkeit und das Werk eines fiktiven Künstlers zu sprechen, der offenbar nicht zuletzt durch seine Ambivalenzen so stark nachwirkt. – Was wie ein kollektives Erinnerungsprojekt erscheint, ist zugleich ein poetologisch raffiniertes Vexierspiel über Wahrheit und Fiktion, Nähe und Distanz, über das Ich und den Anderen. Die Vielzahl der Stimmen verschmilzt zu einem Chor, der sich weniger durch faktische Konsistenz als vielmehr durch emotionale und metaphorische Verdichtungen auszeichnet. Die Erzählung entsteht dabei durch Differenz: Aus dem Nebeneinander von Widersprüchen, sich überlagernden Perspektiven, Leerstellen und Brüchen ergibt sich ein Bild von Gobain – und zugleich ein poetologisches Selbstporträt des Romans.

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Der Architekt und sein Führer, contre-fiction: Jean-Noël Orengo

In seinem Roman „Vous êtes l’amour malheureux du Führer“ setzt sich Jean-Noël Orengo fiktional mit der Figur Albert Speers auseinander. Dabei beleuchtet er dessen komplexe Beziehung zu Adolf Hitler, seine strategische Selbstdarstellung nach dem Krieg und die Macht von Erzählungen im Umgang mit historischer Wahrheit kritisch. Der Roman dekonstruiert Speers eigenes Narrativ – als Versuch, die eigene Verantwortung zu negieren – und offenbart die Mechanismen seiner Apologie. So setzte beispielsweise Speers Ministerium Millionen von Sklavenarbeitern ein, darunter viele Juden, und war für den Ausbau von Auschwitz zur größten Todesfabrik mitverantwortlich. Orengos Roman ist jedoch mehr als eine bloße historische Nacherzählung: Er ist eine Untersuchung der Konstruktion von Wahrheit und Fiktion in der Geschichtsschreibung – insbesondere im Kontext von Verbrechen und Erinnerung. Orengo entlarvt Speers „Erinnerungen“ als meisterhaft konstruierte Erzählung, die die Wahrheit manipuliert und Speer als „Star der deutschen Schuld“ etabliert, indem er sich als „verantwortlich, aber nicht schuldig“ darstellt. Diese „Autofiktion“ ist so wirkmächtig, dass sie selbst historische Fakten überstrahlen kann. Der Roman stellt die Geschichtsschreibung als einen Kampf von Erzählungen dar, in dem Speer durch seine narrative Geschicklichkeit oft die Oberhand behält, selbst gegenüber widerlegenden Dokumenten. Orengo zeigt, wie schwierig es ist, die „Wahrheit“ über eine so dunkle Periode zu finden, wenn die Hauptakteure ihre eigene Geschichte meisterhaft fiktionalisieren.

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rentrée littéraire
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