Les habitants du Donbass partageaient ce cri, mais ils n’avaient que faire du discours nationaliste et chauvin qui l’accompagnait. La menace d’enlever au russe son statut de langue officielle n’avait fait qu’accroître cette crispation. Seulement, personne n’était prêt à écouter. Alors ceux de l’Est s’étaient tournés vers ce qu’ils connaissaient : pendant que Kiev choisissait l’Europe et s’illusionnait en songeant à un futur meilleur, le Donbass avait regardé vers Moscou et cherché refuge dans le passé. L’ancienne mère patrie n’attendait que cela. Ce que les gens du Donbass ignoraient, en revanche, c’est qu’entre-temps elle était devenue une marâtre acariâtre et cynique.
Benoît Vitkine, Donbass
Die Menschen im Donbass teilten diesen Aufschrei, doch die nationalistische und chauvinistische Rhetorik, die damit einherging, war ihnen egal. Die Drohung, dem Russischen den Status als Amtssprache zu entziehen, hatte diese Verkrampfung nur noch verstärkt. Nur war niemand bereit, zuzuhören. Also besannen sich die Menschen im Osten auf das, was sie kannten: Während Kiew sich für Europa entschied und sich der Illusion einer besseren Zukunft hingab, hatte der Donbass nach Moskau geschaut und Zuflucht in der Vergangenheit gesucht. Das ehemalige Mutterland hatte nur darauf gewartet. Was die Menschen im Donbass jedoch nicht wussten, war, dass sie in der Zwischenzeit zu einer zänkischen und zynischen Stiefmutter geworden war.
Benoît Vitkine kennt sich aus, als Russlandkorrespondent schreibt er regelmäßig für Le Monde, äußert sich in France Culture über den Ukraine-Konflikt, der schon länger schwelt, als es Teile Europas sich bewusst machen wollten. Zwei seiner Romane kann man gegenwärtig lesen, beunruhigt durch den russischen Einmarsch von Präsident Putin in der Ukraine:
Donbass (2020) ist ein roman noir über die gleichnamige ostukrainische Kriegsregion, wo sich pro-russische Separatisten seit 2014 gegen die neue Macht in Kiew wendeten (Präsident Putin berief sich auf angebliche Menschenrechtsverletzungen in dieser Region, um seinen Einmarsch zu begründen.) Dieser Krieg hat inzwischen bereits um die 13000 Menschen getötet. Der Roman spielt im Jahr 2018, nahe der Front, in einer Kleinstadt. Michel Abescat beschreibt in seiner Rezension das besondere Setting: „Und Benoît Vitkine gibt diese seltsame Atmosphäre, die Routine eines Krieges, der nicht enden will, eindrucksvoll wieder. Man ist auf der Seite der Menschen, dicht an den Straßen und Häusern, man sieht den Alltag des Lebens oder vielmehr des Überlebens. In der Ferne hört man die Verpuffungen, die Mörserschüsse, wie ein mittlerweile vertrautes Hintergrundgeräusch. Der Roman zeigt diese alten Frauen, teilnahmslose Witwen, die versuchen, die Illusion eines normalen Lebens aufrechtzuerhalten und weiterhin Marmelade einkochen, als wäre nichts geschehen. Und die Kinder in der Schule, die brav dem Unterricht über Granaten und Minen zuhören. Während auf beiden Seiten der Frontlinie die Profiteure weiterhin ihren Kopf aus der Schlinge ziehen, indem sie sich an den verschiedensten Geschäften beteiligen.“ 1 Ein ermordetes Kind wird gefunden in dieser seltsamen Atmosphäre, und die Ermittlungen zeigen uns nochmal den Niedergang einer ehemals durchaus innovativen Region. Über die besondere Perspektive der Romanform des journalistisch geschulten Autors schreibt Olivia Gesbert: „Die Fiktion ermöglicht es ihm, eine andere, subjektivere und menschlichere Dimension des Konflikts zu erfassen.“ 2 Annie Daubentons Fazit ihrer Besprechung betont die doppelte Erzählperspektive, denn man findet auch den Journalisten im Buch: „Man muss die Leistung von Benoît Vitkine loben, dem es gelingt, sich in diesem politischen Durcheinander einen Weg zu bahnen, um die Handlung eines Krimis zu schnüren und ihn liebenswert, bewegend und sensibel zu machen. Dabei hat man jedoch das seltsame Gefühl, dass der Romanautor und der Journalist Verstecken spielen und der Romanautor dem Mann der brennenden Aktualität den Rang abläuft. Er versucht, die Kräfte und menschlichen Triebfedern in einer Art Äquidistanz zu halten und ihre Beweggründe mit großer Subtilität abzuwägen, auf der Suche nach ein wenig Gerechtigkeit oder Rationalität an einem Ort, der von allen Exzessen heimgesucht wird. Dennoch lässt der Romanautor seine Zärtlichkeit und vielleicht auch sein tiefes Gefühl mit dem Wort eines Kindes durchsickern, das die Erzählung abschließt: „Onkel Henrik, wofür ist das gut, Befestigungen?“.“ 3
Gegenüber einem kleinen Mädchen, dessen Augen sich langsam schließen, gibt uns der Roman gegen Ende einen erschütternden Monolog über die Sinnlosigkeit des Kriegs, hier ein Ausschnitt:
Oui, oui, j’ai vécu. J’ai tout caché. À tout le monde. Rien montré. J’ai bercé Aliocha tous les soirs. Je l’attendais, il arrivait et je le berçais. Nous étions bien, tous les deux, comme il me l’avait promis. Et puis cette guerre est arrivée. Tu t’en souviens, fillette ? Je l’ai tout de suite aimée, cette guerre ! La belle petite guerre ! Au début, ils avaient juste de petites kalachnikovs ridicules, je n’ai pas compris que c’était la guerre. Et puis j’ai vu qu’ils pouvaient tuer, ces petits morceaux de métal… Quel bonheur ! Et les tanks ? Oh, les jolis petits tanks ! Quel bruit ! Quelle puissance ! Ça, ils ont beaucoup tué, oh oui, beaucoup tué ! Et les avions, et les canons ! Quel spectacle, tout de même, ces obus qui tombent ! Un vrai feu d’artifice ! Et quelle force ! Quelles belles blessures ! Oh, ma chère amie, où sont passées vos jambes ? Vous saignez ? Oh, mon petit ange, qu’as-tu fait de ta mâchoire ? Tu l’as mangée ? Vilain garçon ! Vilain petit garçon mort sans mâchoire ! Fiodor Mikhaïlovitch, pourquoi vous ne parlez plus ? Vous avez le souffle coupé ? C’est normal, voyez le sang qui coule de votre bouche. Tiens, on y voit aussi une dent. Un morceau de langue gargouille au fond de votre gorge. Oh, ces cris des mères ! Je me souviens encore de Katia, ma voisine. Un obus est tombé dans son potager. Horreur, son fils y travaillait ! Il est coupé en deux, le pauvre ! Voilà Katia qui hurle. Mon petit ! Mon tout-petit ! Mais enfin, Katia, ton tout-petit a 50 ans, il pèse cent vingt kilos, il est laid, gros, chauve ! Oh, ma chérie, Katia, tu comprends à présent ? Vous comprenez, vous autres ?
Fidèles petits canons, vous êtes les derniers. Bientôt, cela va s’arrêter et même vous, vous allez vous taire. Et quoi alors ? Plus rien ? Dix mille morts ? Quinze mille morts ? C’est tout !
La ridicule petite guerre ! La vilaine petite guerre ! Et quoi ? Elles allaient faire la fête, toutes ces mères ? Elles allaient dire quoi ? Moi, mon fils a survécu à la guerre. Non ! Vous ne savez pas ce qu’est la guerre, mes petites bonnes femmes. Vous ne savez rien. Vos fils ne savent pas ce qu’est la guerre. Petite guerre de rien du tout. Gentille petite guerre, il faut t’aider ! Tue, tue, petite guerre ! Tue, tue, ma bonne Loussia !
Benoît Vitkine, Donbass
Ja, ja, ich habe gelebt. Ich habe alles versteckt. Vor allen anderen. Nichts gezeigt. Ich habe Aljoscha jeden Abend in den Schlaf gewiegt. Ich wartete auf ihn, er kam und ich schaukelte ihn. Uns beiden ging es gut, so wie er es mir versprochen hatte. Und dann kam dieser Krieg. Erinnerst du dich daran, Mädchen? Ich habe ihn sofort geliebt, diesen Krieg! Der schöne kleine Krieg! Am Anfang hatten sie nur lächerliche kleine Kalaschnikows, ich habe nicht verstanden, dass das ein Krieg war. Dann habe ich gesehen, dass sie töten können, diese kleinen Metallstücke … Was für ein Glück! Und was ist mit den Panzern? Oh, die hübschen kleinen Panzer! Was für ein Lärm! Was für eine Kraft! Das, die haben viel getötet, oh ja, viel getötet! Und die Flugzeuge, und die Kanonen! Was für ein Spektakel sind doch die Granaten, die da fallen! Ein wahres Feuerwerk! Und was für eine Kraft! Was für schöne Wunden! Oh, meine liebe Freundin, wo sind Ihre Beine geblieben? Bluten Sie noch? Oh, mein kleiner Engel, was hast du mit deinem Kiefer gemacht? Hast du ihn gegessen? Du böser Junge! Böser kleiner Junge, der ohne Kiefer gestorben ist! Fjodor Michailowitsch, warum sprechen Sie nicht mehr? Ist Ihnen die Luft weggeblieben? Das ist normal, sehen Sie das Blut, das aus Ihrem Mund fließt. Hier, da ist auch ein Zahn zu sehen. Ein Stück Zunge gurgelt tief in Ihrer Kehle. Oh, diese Schreie der Mütter! Ich erinnere mich noch an Katja, meine Nachbarin. Eine Granate schlug in ihrem Gemüsegarten ein. Entsetzen, ihr Sohn arbeitete dort! Er ist in zwei Hälften geteilt, der Arme! Da schreit Katja auf. Mein kleiner Junge! Mein kleiner Junge! Aber Katja, dein Kleinkind ist 50 Jahre alt, wiegt 120 Kilo, ist hässlich, dick und kahl! Ach, mein Schatz, Katja, verstehst du jetzt? Versteht ihr das, ihr Leute?
Ihr treuen kleinen Kanonen, ihr seid die letzten. Bald wird es aufhören, und selbst ihr werdet schweigen. Und was dann? Nichts mehr? Zehntausend Tote? Fünfzehntausend Tote? Das ist alles!
Der lächerliche kleine Krieg! Der hässliche kleine Krieg! Und was war das? Wollten sie feiern, all diese Mütter? Was wollten sie sagen? Ich, mein Sohn hat den Krieg überlebt. Nein! Sie wissen nicht, was Krieg ist, meine kleinen guten Frauen. Ihr wisst gar nichts. Ihre Söhne wissen nicht, was Krieg ist. Kleiner Krieg, der nichts bedeutet. Süßer kleiner Krieg, wir müssen dir helfen! Töte, töte, kleiner Krieg! Töte, töte, meine gute Lusja!
Im neuesten Roman Les loups von 2022 zeigt uns Benoît Vitkine die Ukraine der Oligarchen, einige Monate vor der Maidan-Revolution und der Einsetzung einer pro-europäischen Regierung: Eine neue Präsidentin bereitet sich auf ihre Amtseinführung vor: Olena Hapko – Le Point nennt sie „eine Art testosterongesteuerter Julia Timoschenko“ 4 – hat nur vorübergehend gesiegt, Oligarchen vor Ort und russischer Geheimdienst provozieren Volksaufstände gegen sie. 30 Tage liegen zwischen dem Sieg und dem eigentlichen Amtsantritt, und dieser Zeitraum ist ähnlich gefährlich für sie wie jetzt in der Realität das Leben des realen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
Il reste un dernier obstacle à franchir, un dernier adversaire à abattre, et pas des moindres. La voix suave de Vladimir Poutine, qu’elle a entendue brièvement au téléphone, lui revient en mémoire. Derrière le timbre aigu du président russe, elle a senti son assurance, presque de l’amusement. La première fois qu’elle l’a rencontré, il n’y avait que le timbre aigu. Ce devait être en 2001 ou 2002, lors d’une de ces conférences internationales où se mêlent grands de la finance et de la politique. L’ancien officier du FSB paraissait mal à l’aise dans ses habits de président. Il avait passé les deux jours de l’événement à faire des sourires aux dirigeants occidentaux présents, à guetter leur approbation, particulièrement celle des Américains. Quand il avait aperçu Olena dans un couloir, sa suite de brutes à oreillettes sur les talons, il avait paru intimidé. Il avait encore exagéré sa démarche chaloupée de sportif ou de mauvais garçon, cachant sa gêne dans les mouvements secs de ses bras. Était-ce l’aura de la Chienne, ou plus simplement le fait de s’adresser à une femme sûre d’elle et séduisante ? Le président russe avait retrouvé pour la saluer les gestes gauches et l’air falot de sa jeunesse, accentué par son costume trop large. Elle s’était forcée, pour le mettre à l’aise, à lui débiter une blague vulgaire, facile, sur ces Occidentaux si friands de sommets internationaux dans les montagnes et qui grelottaient dès qu’ils sortaient dans la rue, même le temps de rejoindre leur voiture. Il lui en avait été reconnaissant, elle l’avait lu dans ses yeux. Et voilà que dix ans plus tard il la menace à mots couverts… Olena ne sous-estime pas son adversaire. Depuis qu’il est au pouvoir, il a montré en quelle estime il tenait les oligarques, ceux du même sang qu’Olena Hapko. Khodorkovski est en prison, Berezovski en exil, Goussinski a tout perdu… Les autres se tiennent tranquilles, ils ont compris les règles : ne pas faire de politique, ne pas chercher à conduire ses affaires de manière vertueuse et partager le gâteau avec les nouveaux venus, les amis du chef – ses copains de judo, ses anciens collègues du KGB ou de Saint-Pétersbourg, ses partenaires en affaires… L’Ukraine n’a plus rien à voir avec la Russie : sa démocratie est imparfaite, mais la concurrence entre oligarques crée un semblant de pluralisme. Quelques mois plus tôt, Poutine est revenu à la présidence après avoir pris le risque insensé d’abandonner les rênes à sa terne doublure, le Premier ministre Medvedev. On dit ces deux-là pédés, se rappelle Olena, cherchant à distinguer dans les intonations du président si elle peut se faire son idée. Elle ne sous-estime pas son adversaire mais elle sait combien il peut être lent, calculateur. Poutine n’est véritablement agressif que quand il est acculé, menacé. En jouant finement, elle peut retarder l’échéance, semer la confusion chez l’adversaire. Les Russes n’ont aucune raison de passer immédiatement à l’offensive. Ils lui ont lancé une perche, désormais ils attendent de voir. Lors des négociations gazières, elle saura prendre le dessus. Pour cela, elle dispose d’un avantage sur son interlocuteur : elle est une femme. Poutine a l’air de les craindre à en mourir, ses blagues misogynes le prouvent. Les Russes veulent la déstabiliser, la pousser à la faute, c’est de bonne guerre. Cela ne veut pas dire qu’ils soient prêts à utiliser toutes leurs cartouches d’un coup, ce serait idiot de leur part. En attendant, charge à elle de gagner du temps, de renforcer ses positions, de faire le ménage…
Benoît Vitkine, Les loups
Es gibt noch eine letzte Hürde zu überwinden, einen letzten Gegner, den es auszuschalten gilt, und das ist nicht wenig. Die sanfte Stimme von Vladimir Putin, die sie kurz am Telefon gehört hatte, kam ihr wieder in den Sinn. Hinter dem hohen Timbre des russischen Präsidenten spürte sie seine Selbstsicherheit, fast schon Belustigung. Als sie ihn zum ersten Mal traf, war da nur das hohe Timbre. Es muss 2001 oder 2002 gewesen sein, auf einer dieser internationalen Konferenzen, auf denen sich die Großen der Finanzwelt und der Politik mischen. Der ehemalige FSB-Offizier schien sich in seinem Präsidentengewand unwohl zu fühlen. Er hatte die beiden Tage der Veranstaltung damit verbracht, die anwesenden westlichen Politiker anzulächeln und auf ihre Zustimmung, insbesondere die der Amerikaner, zu lauern. Als er Olena in einem Flur mit ihrem Gefolge aus ohrenbetäubenden Rüpeln auf den Fersen gesehen hatte, hatte er eingeschüchtert gewirkt. Er hatte seinen wippenden Sportler- oder Böser Junge-Gang noch übertrieben und seine Verlegenheit in den spröden Bewegungen seiner Arme versteckt. War es die Aura der Chienne oder einfach die Tatsache, dass er mit einer selbstbewussten und attraktiven Frau sprach? Der russische Präsident hatte bei der Begrüßung die unbeholfenen Gesten und den falkenhaften Blick der Jugend wiedergefunden, der durch ihr übergroßes Kostüm noch betont wurde. Um ihm ein gutes Gefühl zu geben, hatte sie sich gezwungen, ihm einen billigen, vulgären Witz über die Westler zu erzählen, die so gerne internationale Gipfel in den Bergen abhalten und die zittern, sobald sie auf die Straße gehen, sogar bis sie ihr Auto erreicht haben. Er war ihr dankbar dafür gewesen, sie hatte es in seinen Augen gesehen. Und jetzt, zehn Jahre später, droht er ihr hinter vorgehaltener Hand… Olena unterschätzt ihren Gegner nicht. Seit er an der Macht ist, hat er gezeigt, wie sehr er die Oligarchen schätzt – die Oligarchen, die mit Olena Hapko verwandt sind. Chodorkowski sitzt im Gefängnis, Beresowski im Exil, Gusinski hat alles verloren… Die anderen verhalten sich ruhig, sie haben die Regeln verstanden: Keine Politik machen, nicht versuchen, ihre Geschäfte tugendhaft zu führen und den Kuchen mit den Neuankömmlingen, den Freunden des Chefs, teilen – seinen Judokumpels, seinen ehemaligen Kollegen vom KGB oder aus St. Petersburg, seinen Geschäftspartnern… Die Ukraine hat nichts mehr mit Russland zu tun: Ihre Demokratie ist unvollkommen, aber der Wettbewerb zwischen den Oligarchen schafft einen Anschein von Pluralismus. Einige Monate zuvor war Putin ins Präsidentenamt zurückgekehrt, nachdem er das törichte Risiko eingegangen war, die Zügel an seinen stumpfen Doppelgänger, Premierminister Medwedew, abzugeben. Man sagt, die beiden seien schwul, erinnert sich Olena und versucht, aus der Betonung des Präsidenten herauszuhören, ob sie sich darüber ein eigenes Bild machen kann. Sie unterschätzt ihren Gegner nicht, aber sie weiß, wie langsam und berechnend er sein kann. Putin ist nur dann wirklich aggressiv, wenn er in die Enge getrieben und bedroht wird. Durch geschicktes Spiel kann sie den Zeitpunkt hinauszögern und den Gegner verwirren. Die Russen haben keinen Grund, sofort in die Offensive zu gehen. Sie haben ihr einen Korb gegeben und warten nun ab. Bei den Gasverhandlungen wird sie die Oberhand behalten. Dafür hat sie einen Vorteil gegenüber ihrem Gesprächspartner: Sie ist eine Frau. Putin scheint sie zu Tode zu fürchten, was seine frauenfeindlichen Witze beweisen. Die Russen wollen sie destabilisieren, sie in die Enge treiben, das ist ein guter Krieg. Das bedeutet aber nicht, dass sie bereit sind, alle ihre Patronen auf einmal einzusetzen, das wäre dumm von ihnen. In der Zwischenzeit liegt es an ihr, Zeit zu gewinnen, ihre Positionen zu stärken, aufzuräumen…
Alexandra Schwartzbrod kommt in ihrer Besprechung für Libération vom 3. Februar zu dem heute vielleicht umso gültigeren Fazit: „Diesen großartigen Kriminalroman zu lesen bedeutet, sich direkt in das aktuelle Geschehen in der Ukraine einzufühlen, wo es ebenso um persönliche Ambitionen wie um politische Einsätze oder wirtschaftliche Beute geht. Benoît Vitkine, der mit dem Thema vertraut ist, weil er jahrelang für Le Monde darüber berichtet hat, gelingt es, uns dank einer großartigen Frauenfigur und eines Schreibstils, der rollt und singt und uns gefangen nimmt, in diesen Mahlstrom zu ziehen. Nach Donbass im Jahr 2020, das uns mitten in den Bruderkonflikt zwischen russischen und ostukrainischen Separatisten führte, verleiht er den aktuellen Spannungen rund um die Ukraine eine neue Dimension.“ 5
Kai Nonnenmacher
- „Et Benoît Vitkine rend avec force cette atmosphère étrange, cette routine d’une guerre qui n’en finit pas. On est du côté des gens, à ras des rues et des maisons, on voit le quotidien de la vie ou plutôt de la survie. On entend au loin les déflagrations, les tirs de mortier, comme un bruit de fond devenu familier. Le roman montre ces vieilles femmes, veuves impassibles, qui tentent de préserver l’illusion d’une vie normale et continuent de faire des confitures comme si de rien n’était. Et ces enfants, à l’école, qui écoutent sagement des cours sur les obus et les mines. Pendant que des deux côtés de la ligne de front, les profiteurs continuent de tirer leur épingle du jeu en se livrant à de multiples trafics.“ Michel Abescat, France Inter, 20. Februar 2020.>>>
- Olivia Gesbert, „Le biais de la fiction lui permet de saisir une autre dimension du conflit, plus subjective et plus humaine.“, „Cap à l’Est : Benoît Vitkine, Guillaume Herbaut, Cédric Gras“, France Culture, 20. Juli 2020.>>>
- „Il faut saluer la performance de Benoît Vitkine, qui parvient dans cet imbroglio politique à se frayer un chemin pour ficeler l’intrigue d’un polar et le rendre attachant, émouvant, sensible. Avec, pourtant, l’étrange sentiment que le romancier et le journaliste jouent à cache-cache et que le premier dame le pion à l’homme de l’actualité brûlante. Il tend à maintenir dans une sorte d’équidistance, d’équivalence, les forces en place, les ressorts humains, d’en peser avec beaucoup de subtilité les motivations, à l’affût d’un peu de justice, ou de rationalité, dans un lieu en proie à tous les excès. Le romancier laisse pourtant échapper sa tendresse, et peut-être son sentiment profond, avec ce mot d’enfant qui clôt le récit : « Ça sert à quoi, tonton Henrik, des fortifications ? »“ Annie Daubenton, „Les liens du sang et du charbon“, En attendant Nadeau, 15. Juli 2020.>>>
- Julie Malaure, „Vitkine : « Pour Poutine, l’indépendance de l’Ukraine est une incongruité »“, Le Point, 19. Februar 2022.>>>
- „Lire ce formidable roman noir, c’est entrer de plain-pied dans l’actualité ukrainienne où se jouent autant les ambitions personnelles que les enjeux politiques ou les butins économiques. Benoît Vitkine, qui connaît intimement le sujet pour l’avoir couvert des années durant pour le Monde, parvient à nous entraîner dans ce maelstrom grâce à un superbe personnage de femme et à une écriture qui roule et chante et nous happe. Après Donbass en 2020, qui nous plongeait au cœur du conflit fratricide entre séparatistes russes et ukrainiens de l’est, il donne une autre dimension aux tensions actuelles autour de l’Ukraine.“ Alexandra Schwartzbrod, „Jeudi polar: «les Loups», l’Ukraine entre chienne et loups“, Libération, 3. Februar 2022.>>>