Verrückt ist, wer die Wirklichkeit in die Fresse bekommt

Ce matin, Franck propose de me montrer sa face de loup-garou, un simulacre de métamorphose, pour que je comprenne, que je fasse l’expérience de la peur, pour me prouver je ne sais quoi, sa folie ou le contraire. Il m’emmène dans sa chambre, me fait asseoir, se tient debout face à moi l’air concentré et en un éclair change d’expression, ses yeux fixes exorbités, se met à trembler, crispe sa mâchoire, retrousse ses babines, sort les crocs, serre les dents à s’en faire péter l’émail, souffle et crache, cela dure, je soutiens faiblement son regard, il insiste, sa veine temporale qui palpite, le rouge qui monte au front. Puis Franck s’arrête net, rigole, satisfait de sa performance – alors, t’as flippé ?

Weiterlesen

Die Zerbrechlichkeit der Körper angesichts undurchschaubarer Gefahren

Certains soirs, ou avant de m’endormir, je m’étais mis à revivre notre voyage passé à Florence, avec la sensation que jamais nous ne connaîtrions à nouveau pareils moments d’insouciance et d’harmonie. Ils appartenaient à hier, sans espoir de retour. Ce sentiment de perte m’oppressait. Nous avions vécu comme une expérience normale ce qui ne l’était pas. Un des derniers moments de nos vies d’avant, sans que personne ne nous ait alertés. Personne à moins que Marina A, avec ses performances énigmatiques aux apparences gratuites ou absurdes, ne nous eût montré une voie aux contours énigmatiques. La fragilité des corps face à des dangers insaisissables, notre mortalité de feuilles légères accrochées au fil de la vie quand on nous promettait l’éternité bionique.

Weiterlesen

Es hört gar nicht auf, geboren zu werden

 

Pendant que je roulais avec le corps de mon frère, en train de se décomposer légèrement, tous deux trimbalés sur l’autoroute, j’écoutais l’Incarnatus est de la plus belle des messes de Haydn. Ce petit bout de musique chantée prétendait opérer en quelques minutes un miracle : Et homo factus est. Un homme ? Une femme ? Un être humain prend corps devant nous. Et par paliers, ça s’incarne, c’est fait. Ça n’arrête pas de naître, des fleurs s’ouvrent en accéléré, la peau se construit et les yeux s’ouvrent. Ça se fabrique sous nos yeux.

Weiterlesen

Musik-Fiktionen: Kerangal mit Pinget, Garcia und Reza

Maylis de Kerangals „Canoës“ bündelt einige der Dimensionen musikalischer Bezüge bei Pinget, Garcia und Reza, zum einen die semiotisch-formale Strukturierung und Arbeit der intertextuellen Bezüge, dann aber auch die tiefe Verbindung von Musikalität und Körperlichkeit, eigener Identität und musikalischer Erlebnisdimensionen. Resonanz meint, wenn ein Körper mit einem anderen mitschwingt oder mittönt, etwa bei den Bordunsaiten von Lauten.

Ende der Welt, Klimafiktion, Götterdämmerung

Reverdys „Climax“ führt im Norden Norwegens zerstörte Natur bei einem Fischerdorf vor, mit sterbenden Bären und Fischen, schmelzenden Gletschern und einem Unfall auf der Ölplattform. Wie in der nordischen Legende findet ein Kampf zweier Prinzipien statt. Das Ende der Welt wird in dem so düsteren wie schönen dystopischen Roman eingeläutet.

Afrika, Europa und der dritte Kontinent

Der senegalesische Autor Mohamed Mbougar Sarr legt mit seinem fünften Buch einen weiteren Baustein seiner politischen Literatur vor, neben Themen bisheriger Bücher wie Migration nach Sizilien (Silence du chœur), Homosexualität im Senegal (De purs hommes), Dschihadismus in der Sahelzone (Terre ceinte) tritt nun mit „La plus secrète mémoire des hommes“ die Literatur selbst in seinen Fokus.

Maske, Porträt, vergrößert, unscharf

Célia Houdart liefert ein gegenseitiges Doppelporträt zweier Fotografen, die das Buch „Journée particulière“ motivieren. Houdart reflektiert die ästhetischen Zugänge zur Welt, die mit der Fotografie möglich geworden sind. Ein flüchtiger Blick, der den kurzen Szenen ihres Schreibens entsprechen mag.

Erinnerungsblitze – und Vergessen: Proust und Modiano

Patrick Modiano zu lesen, wie ein Werk, in der Zeit strukturiert und sich erneut der Erinnerung und dem Verschwinden stellend, das lässt ihn als „ein Marcel Proust unserer Zeit“ erscheinen, in der Formulierung des Ständigen Sekretärs der Schwedischen Akademie, Peter Englund.

Kulturelle Aneignung als Tragikomödie der Generationen

Der frisch pensionierte Geschichtsprofessor mit Hang zum Alkohol, geschieden, ist der Protagonist von Abel Quentins zweitem Roman, „Le Voyant d’Étampes“, den die konservative Presse wie der Figaro und Valeurs actuelles bereits als Menetekel der Cancel Culture feiert – Quentin persifliert die medialen Reaktionen auf Jean Roscoffs Buch und nimmt damit auch die Debatte um seinen eigenen Roman vorweg.

Schüler: verbannter Engel

Wenn man Bücher für den Französischunterricht sucht, ist schnell von prosaischen Ausdrücken die Rede, von ‚Ganzschriften‘ oder ‚Kompetenzen‘. Pädagogisch-didaktische Absichten tendieren leicht zu landeskundlichen oder moralischen guten Absichten, aber es gibt auch diese dunklere Faszination für die Abgründe der Pubertät, des Heranwachsens, bei denen selbst ein Lehrer seine überlegene Distanz verlieren kann und besessen wird. Hierzu gehört der Roman Bélhazar. Das Eingangsmotto von Thomas Wolfes Coming of Age Roman Look homeward, Angel, französisch L’Ange exilé, knüpft an Eugene Gant an, eine autobiographisch gefärbte jugendliche Figur in einer schwierigen Familie, und er ist „als Fremder sich selbst ein Gespenst (…), der in seiner Seele so einsam ist wie in der Welt“. 1

Weiterlesen

Anmerkungen
  1. « … en ses douloureuses et sombres entrailles un étranger avait été porté à la vie, nourri d’éternité par des messages perdus, un étranger qui serait à lui-même son propre fantôme, qui hanterait sa propre demeure ; seul dans son âme, seul au monde. Ô perdu ! »>>>

Provinz im Niedergang: eine Art Inventar der Tiefen unseres Landes

« Après tout, la France est la France, comme vous le disiez hier. »

Honoré de Balzac, Le Médecin de campagne.

Daniel Rondeau reiht sich in die Gruppe der Schriftsteller ein, die Romane als Zyklus schreiben. Ob das eine Serialisierung wie bei Filmserien ist oder ein Marketinginstrument, muss man im Einzelfall beurteilen. Sein Zyklus ist noch unvollständig, die Titel 1. Mécaniques du chaos, 2. Arrière-pays und 3. Hors-sol (noch nicht erschienen, livres hebdo nennt diesen Schlussband allerdings Les fils) deuten ein dystopisches Panorama an. Après tout, la France soll die Trilogie heißen. Après tout, das bedeutet: „cependant ; tout bien considéré ; quoi qu’il en soit ; dans le fond“. Also vielleicht: Alles in allem Frankreich; Frankreich wie dem auch sei; Letztendlich Frankreich, oder: Dennoch Frankreich.

Weiterlesen

Das große Schweigen im Vater-Prozess, im Barbie-Prozess

Roger de Wecks Bericht zum Barbie-Prozess für die Zeit erwähnte damals auch den Autor des Vaterromans Enfant de salaud: „Sorj Chalandon, der glänzende Berichterstatter von Libération, verzweifelte über den „tausend Fragen“, die im Barbie-Prozeß hätten gestellt werden sollen, meist nicht gestellt wurden, in Ausnahmefällen nicht gestellt werden durften.“ 1 Der Roman verknüpft nun Chalandons Auseinandersetzung mit der großen Geschichte – dem Schlächter von Lyon Klaus Barbie – und mit intimer Familiengeschichte – dem eigenen, 2014 verstorbenen Vater, der bereits 2015 Gegenstand des Romans Profession du père war. Zum Prozess ging der Autor nach eigenen Angaben auf Vorschlag des Vaters und gemeinsam mit ihm:

Weiterlesen

Anmerkungen
  1. Roger de Weck, „Schweigen vor dem Leid der Opfer“, Die Zeit, 3. Juli 1987.>>>

Algerien, inneres Land

In ihrem zweiten Roman befasst sich Lilia Hassaine mit der Frage der Integration (bzw. der Ausgrenzung) der algerischen Bevölkerung der ersten Generation in die französische Gesellschaft zwischen den frühen 1960er und den späten 1980er Jahren: In den späten 1950er Jahren zieht Naja in der Region Aurès in Algerien ihre drei Töchter allein auf, seit ihr Mann Saïd zum Arbeiten nach Frankreich rekrutiert wurde. Einige Jahre später, nachdem er Facharbeiter geworden ist, gelingt es ihm, seine Familie in die Region Paris zu holen. Naja wird schwanger, aber ihre Lebensumstände erlauben es dem Paar nicht, das Kind zu behalten. Hassaine hat den Roman ihrer Mutter gewidmet, und es ist nicht zuletzt eine Hommage an die algerischen Frauen, ohne dabei heikle Missstände auszusparen: das antirassistische Gehabe eines Teils der französischen „Kaviar“-Linken, die Ghettoisierung, Sexismus und Drogenmissbrauch.

Weiterlesen

Gleichzeitig zu existieren

Beiläufig hat die Literatur epidemische Choreographien eingebaut in ihre Geschichten. Eine Literaturgeschichte von Corona ist wahrscheinlich spannender in Texten, die keine Corona-Romane sein wollen. Der Lockdown färbt die Texte ein, für jeden epochenbildend, der in zehn Jahren in einem Film oder Roman übers letzte Jahrzehnt ein Gespür für das Zeitgenössische geben möchte, wie für den Mauerfall oder für die Zeit nach dem Einsturz des World Trade Center.

Weiterlesen

Telerealität-Fiktionen von Bellanger und de Vigan

Auch Autoren sehen fern. Medienwirklichkeiten werden Romangegenstand (wie früher mündliche Erzählstoffe), womöglich auch Poetologien. Die beiden Romane von Delphine de Vigan, Les enfants sont rois, und von Aurélien Bellanger, Téléréalité, erscheinen zwanzig Jahre nach dem französischen Einstieg in das neue Fernsehen. Bellangers Ausgangspunkt für sein Buch war nach eigenen Aussagen der Verkauf von Endemol, bei Delphine de Vigan war es die Erkenntnis durch eine Fernsehsehndung, dass es Kinder gibt, die als sehr junge Youtube-Influencer wie Stars gehandelt werden.

Weiterlesen

News-Roman vom perfekten Gefangenen

„Un premier roman urbain, ultra-réaliste et social“, so wurde Mathieu Palain für seinen ersten Roman Sale gosse charakterisiert. 1 Urban, ultrarealistisch und sozial. Eine ähnliche Zuschreibung brachte ihm für den zweiten Roman nun den Preis des Nachrichtenromans ein, Le Prix du Roman News für Ne t’arrête pas de courir. Der Prix du Roman News wurde 2011 von der Modekultur-Zeitschrift Stiletto und Publicisdrugstore, einer Drogerie, die teils Brauerei, teils Buchhandlung und teils Kiosk ist, ins Leben gerufen. Journalistische Recherche, Dokumentation und Phantasie sind die Grundlagen des News-Roman. Mit dem Preis wird ein Werk ausgezeichnet, das aktuelle Ereignisse (eine Situation, eine Geschichte oder Protagonisten, die es gegeben hat) wie einen Roman behandelt. 2 Man kann sich fragen, ob dies wirklich eine Gattung und ein Korpus bezeichnet, wenn man die zehn vorherigen Preisträger/innen betrachtet:

Weiterlesen

Anmerkungen
  1. „Un Fil à la page reçoit Cécile Coulon et Mathieu Palain“, Ouest-France, mardi 8 octobre 2019>>>
  2. Vgl. https://www.babelio.com/prix/152/du-Roman-News.>>>

Jaurès getötet, geträumt

La postérité de Jaurès, sa mémoire au XXe siècle n’ont pas de commune mesure, à quelques exceptions près, avec l’intensité de sa vie et la valeur de son action. Plus Jaurès a été célébré, moins il a été compris.

Vincent Duclert et Gilles Candar 1

Die Ermordung von Jean Jaurès im Jahr 1914 ist ein zentrales Thema im Roman von Thierry Froger, Et pourtant ils existent. In abschnittslosen Kurzkapiteln mit schnellen Perspektivwechseln arbeitet der Roman nochmals am nationalen Mythos, als fragendes Motto wird aus Jacques Brels Chanson Jaurès (aus einem anderen bleiernen Krisenjahr, 1977) zitiert:

Weiterlesen

Anmerkungen
  1. Vincent Duclert et Gilles Candar, Jean Jaurès (Paris: Fayard, 2014). Dt.: „Die Nachwelt von Jaurès und sein Andenken im 20. Jahrhundert sind, von einigen Ausnahmen abgesehen, mit der Intensität seines Lebens und dem Wert seines Handelns nicht zu vergleichen. Je mehr Jaurès gefeiert wurde, desto weniger wurde er verstanden.“>>>