Woher kommt also die Freude?

Tanguy Viel publiziert 2024 bei Minuit ein Vivarium, also eine Anlage für Lebewesen. Der Verlag kündigt diese Fragmente an als „verglaste Schutzräume für das sich bewegende Denken“, eine Lebensumgebung also, in der wir uns aufhalten können, „im unaufhörlichen Austausch des Lebendigen und des Benannten, wo man manchmal am Rande aller Dinge flüchtige Entschlüsse und Sprachausfälle entdeckt“. Tiphaine Samoyault schreibt in Le Monde: „Das Ergebnis ist ein Buch, das sich sehr von seinen üblichen Büchern unterscheidet, weit entfernt vom Roman, wie er ihn überwiegend geschrieben hat, von Cinéma bis La Fille qu’on appelle (Minuit, 1999 und 2021), und der Vertrauen in die Fiktion, ihre Figuren und ihre Szenerien hat.“ Im Gespräche mit Nathalie Crom in Télérama bekennt Viel: „Der Roman scheint mir nicht mehr die Fähigkeit zu besitzen, die neuen Komplexitäten der Welt zu absorbieren – wie er es im 19. und 20. Jahrhundert getan hatte.“

Nos sentiments, avance un philosophe allemand, ne se trouveraient pas seulement en nous, mais d’abord et surtout dans l’atmosphère qui nous enveloppe. C’est elle qui viendrait nous imposer son autorité affective, selon des lois synesthésiques qui la plupart du temps brouillent la source de notre émotion. On y remédie volontiers par une série de mots aussi mouvants que vaporeux comme « atmosphère » justement, ou « ambiance ». Les Anglais disent mood, les Allemands Stimmung. Mais, à force que les canaux secrets par lesquels nous percevons acheminent chacun leurs signaux, comme une bande FM saturée qui ferait se tuiler sans cesse les ondes, on ne sait plus déchiffrer dans ce qui nous entoure autre chose qu’un vague mais intense « sentir ». Rares situations où se fait jour l’exigence littéraire comme domaine de compétences inaliénables, quand seule une mise en œuvre poussée des moyens du langage peut venir à notre rescousse et dire ce fondu des choses, ouvrant le pluriel d’un vécu à l’inflorescence de ses qualités, les nouant alors musicalement, dans le respect du tremblé qui les a fait naître. Mais un tel vœu ne s’exauce pas d’être seulement prononcé et l’écriture, dont on est si prompt à croire qu’elle ouvre et déplie la matière, nous savons aussi ce qu’elle en voile, gardienne postée devant la grande porte de la perception, souriant en mille formules crispées, prêtes à l’emploi, et répétées machinalement au visiteur aventureux. Si souvent par exemple les ciels sont d’azur et les pavés luisants. Si la neige tombe, saurat-elle étendre sous nos yeux autre chose que son grand manteau blanc ? Nous sommes les otages du monde parlé, quand nos émotions si souvent naissent toutes langées dans leurs catachrèses. Reste donc, encore et toujours, à reprendre le grand combat : déchirer l’armure de ladite gardienne en la défiant avec ses propres armes, court-circuitant la grande partie de main chaude qui ne cesse d’encombrer une diction neuve des phénomènes – notre langue alors comme une vieille monnaie qu’on essaierait infiniment de désoxyder, cherchant à se souvenir de quelle réalité primordiale, de quelle vérité affective elle voudrait encore déterminer la valeur, tandis qu’elle n’en est plus depuis longtemps l’étalon-or mais plutôt la grande place boursière. Et depuis tout ce temps, elle a déclenché de telles tempêtes spéculatives, on s’est tant payé de mots, qu’il est presque impossible d’en oublier les jeudis noirs.

C’est presque étrange mais voilà : quand le soleil dégèle la campagne et frappe la longue façade en verre du supermarché, que tôt encore il rase le toit des premières voitures sur le parking avec autour la brume encore, mettons, l’hiver quand la buée aussi sort de nos bouches, que le même soleil semble s’emplafonner contre un ciel de carton, alors je ne sais pas, peut-être le sentiment d’être à l’ouverture du monde quand à mon tour je me gare là devant le grand hangar maquillé de vitres et d’enseignes lumineuses, et que je m’apprête à faire mes courses. D’où survient donc la joie ? Du répons des vitres au soleil récitant ? Du bruit du caddy sur le bitume granuleux ? Ou du coulé de moi dans l’ordinaire des jours ? Un peu de tout cela peut-être venu me rejoindre sur le grand parking : nous sommes, écrivait William James, « de mystérieuses condensations ».

Tanguy Viel, Vivarium, Paris 2024

 

Unsere Gefühle, so ein deutscher Philosoph, sind nicht nur in uns, sondern vor allem in der Atmosphäre, die uns umgibt. Sie ist es, die uns ihre affektive Autorität aufzwingt, nach synästhetischen Gesetzen, die meistens die Quelle unserer Emotionen verschleiern. Diesem Problem begegnet man gerne mit einer Reihe von Wörtern, die ebenso beweglich wie flüchtig sind, wie „atmosphère“ oder „ambiance“. Die Engländer sagen mood, die Deutschen Stimmung. Aber da die geheimen Kanäle, durch die wir wahrnehmen, alle ihre eigenen Signale aussenden, wie ein gesättigtes UKW-Band, das die Wellen immer wieder zusammenbrechen lässt, können wir um uns herum nichts anderes mehr entziffern als ein vages, aber intensives „Fühlen“. Es gibt nur wenige Situationen, in denen der literarische Anspruch als eine unveräußerliche Kompetenz erscheint, in denen nur ein intensiver Gebrauch der sprachlichen Mittel uns helfen kann, diese Verschmelzung der Dinge zu beschreiben, den Plural einer Erfahrung für das Aufblühen ihrer Qualitäten zu öffnen und sie dann musikalisch zu verknüpfen, mit Respekt vor dem Zittern, das sie hervorgebracht hat. Aber ein solcher Wunsch erfüllt sich nicht, wenn er nur ausgesprochen wird und das Schreiben, von dem wir so schnell glauben, dass es die Materie öffnet und entfaltet, wir wissen auch, was dieses Schreiben verhüllt, wie ein Wächter vor dem großen Tor der Wahrnehmung, der in tausend verkrampften, gebrauchsfertigen Formeln lächelt, die dem abenteuerlustigen Besucher mechanisch wiederholt werden. Wie oft zum Beispiel ist der Himmel azurblau und glänzt das Kopfsteinpflaster. Wenn der Schnee fällt, kann er dann etwas anderes tun als seinen großen weißen Mantel vor unseren Augen auszubreiten? Wir sind Geiseln der gesprochenen Welt, wenn unsere Emotionen so oft in ihren verblassten Metaphern geboren werden. Es bleibt also nur, immer und immer wieder den großen Kampf aufzunehmen: Die Schutzrüstung des besagten Wächters aufzureißen, indem wir ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen, den großen Anteil der warmen Hand kurzschließend, die eine neue Diktion der Phänomene immer wieder erschwert – Unsere Sprache ist dann wie eine alte Währung, die man unendlich oft versucht zu entrosten, um sich daran zu erinnern, welche ursprüngliche Realität, welche affektive Wahrheit sie noch als Wert bestimmen möchte, während sie längst nicht mehr der Goldstandard, sondern eher der große Börsenplatz ist. Und in all dieser Zeit hat sie so viele Spekulationsstürme ausgelöst, so viel wurde über sie geredet, dass es fast unmöglich ist, ihre schwarzen Donnerstage zu vergessen.

Es ist fast schon seltsam, aber voilà: Wenn die Sonne die Landschaft enteist und auf die lange Glasfassade des Supermarktes trifft, wenn sie früh noch die Dächer der ersten Autos auf dem Parkplatz glattrasiert und um sie herum noch Nebel ist, sagen wir, im Winter, wenn der Nebel auch aus unseren Mündern kommt, wenn die gleiche Sonne sich gegen einen Himmel aus Pappe zu stemmen scheint, dann, ich weiß nicht, vielleicht das Gefühl, der Ouvertüre der Welt beizuwohnen, wenn auch ich dort vor der großen, mit Glas und Leuchtreklamen geschminkten Halle parke, im Begriff, meine Einkäufe zu erledigen. Woher kommt also die Freude? Aus dem Widerhall der Fensterscheiben in der rezitierenden Sonne? Aus dem Geräusch des Einkaufswagens auf dem körnigen Asphalt? Oder etwas, das von mir in den Alltag der Tage eingeflossen ist? Wir sind, wie William James schrieb, „mysteriöse Kondensationen“.

Kai Nonnenmacher

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