Zur Gattung des Präsidialromans

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In Freundschaft für Wolfgang Asholt.

Bleistift auf dem Dichtersarg: Kunst und Macht

Enfin, le président s’est persuadé que Sarfati serait facile à manœuvrer parce qu’il n’a aucune idée politique, il veut juste être président pour le statut, pour le fun : l’habitation à l’Elysée, l’avion présidentiel, les voyages officiels au Kirghizstan, avec des bayadères et des sabres, toutes ces conneries. Et puis dans cinq ans il s’en ira bien gentiment, ancien président de la république ce n’est pas rien, il aura toujours un chauffeur, un bureau, des secrétaires, des gardes du corps, il pourra continuer à frimer devant ses potes de la télé.

Michel Houellebecq, Anéantir

Schließlich hat sich der Präsident eingeredet, dass Sarfati leicht zu manövrieren wäre, weil er keine politische Idee hat, er will nur der nächste Präsident sein, wegen des Status, wegen des Spaßes: die Wohnung im Elysée-Palast, das Präsidentenflugzeug, offizielle Reisen nach Kirgisistan, mit Bajaderen und Säbeln, all dieser Mist. Und in fünf Jahren geht er dann ganz brav, als ehemaliger Präsident der Republik ist das nicht nichts, er hat immer noch einen Chauffeur, ein Büro, Sekretärinnen, Leibwächter, er kann weiterhin vor seinen Kumpels im Fernsehen angeben.

Es ist in Frankreich wieder soweit in diesem Frühjahr 2022, diesmal allerdings im Zeichen der durch Putin gefährdeten Friedensordnung Europas. Jean-Christophe Buisson sieht Politikwissenschaft und Literatur gleichzeitig beteiligt an den Wahlen zur präsidialen Amtszeit, dem Quinquennat: „In Frankreich gibt es eine Geisteswissenschaft, die Redekunst, Theater, Ballett und Kino miteinander verbindet. Dieser Topf gefüllt mit Kultur trägt den Namen Politik. Alle fünf Jahre, wenn die Präsidentschaftswahlen anstehen, beginnt er zu kochen – zur Freude von Politologen und Romanautoren. Erstere werden ernst und beschreiben, letztere schreiben mit mehr Leichtigkeit.“ 1 Aus französischer Perspektive bleibt sicher der Kulturföderalismus der deutschen Bundesländer hinderlich für einen vergleichbaren Präsidialroman bzw. Kanzlerroman. Die Berliner Republik hatte so behutsam wie konsequent nationale Kulturpolitik gestärkt, die Beauftragten für Kultur und Medien im Bundeskanzleramt wollten wie der Deutsche Kulturrat ein eigenständiges Kulturministerium auf nationaler Ebene. Aber am 19. März 2021 beschließt die 2019 gegründete Kulturministerkonferenz, dass es keine Zentralisierung des Kulturföderalismus geben solle, und somit auch kein Bundeskulturministerium. Vor den Wahlen 2021 witterte der Kulturrat wieder Morgenluft und stellte in seiner erneuten Forderung fest, Kulturpolitik sei mit anderen Politikfeldern verschränkt zu begreifen. 2 Doch eine deutsche Form des Präsidialromans wird sich wohl so schnell nicht in Richtung der französischen Gattung entwickeln, solange Machtvertreter wie Künstler Kulturpolitik der BRD dezentral begreifen.

Es gibt freilich kleinere Beispiele deutscher Kanzler bzw. der deutschen Kanzlerin als Protagonisten: Madame Merkel ist Romanfigur in Christine de Mazières’ Roman der sog. Flüchtlingskrise, La route des Balkans von 2020, wo sie meist nur als „la chancelière“ erscheint:

La caméra balaie la place et se fixe vers le cortège qui se dirige vers le centre d’accueil. Quelques voitures de police délimitent le périmètre. Soudain, des passants la reconnaissent. On entend des sifflements. Sur la droite retentissent quelques cris : « Volksverräterin, Hure ! Traîtresse au peuple, putain ! »

La chancelière passe devant eux, imperturbable. Dans le centre d’accueil, elle prend son temps, pendant une heure et demie, pour s’entretenir avec les représentants des organisations caritatives, les bénévoles, les réfugiés, sans oublier le ministre-président de la Saxe et le maire de Heidenau.

Qu’importent les citoyens en colère qui continuent à crier dehors, elle ne pourrait pas de toutes les façons les faire changer d’avis, pense-t-elle. Les grincheux existeront toujours et elle préfère songer à la majorité, silencieuse, qui n’est pas hostile aux étrangers.

Christine de Mazières, La route des Balkans

Die Kamera schwenkt über den Platz und richtet sich auf den Demonstrationszug, der sich auf das Aufnahmezentrum zubewegt. Einige Polizeiautos grenzen den Bereich ab. Plötzlich wird sie von Passanten erkannt. Es sind Pfiffe zu hören. Auf der rechten Seite ertönen einige Rufe: „Volksverräterin, Hure!“ [Dt. im Original]

Die Bundeskanzlerin geht ungerührt an ihnen vorbei. In der Erstaufnahmeeinrichtung nimmt sie sich anderthalb Stunden Zeit, um mit Vertretern von Hilfsorganisationen, freiwilligen Helfern, Flüchtlingen und nicht zuletzt mit dem sächsischen Ministerpräsidenten und dem Bürgermeister von Heidenau zu sprechen.

Die wütenden Bürger, die immer noch draußen herumschreien, kümmern sie nicht, sie könne sie sowieso nicht umstimmen, meint sie. Querulanten wird es immer geben und sie denkt lieber an die stille Mehrheit, die Ausländern gegenüber nicht feindlich gesinnt ist.

Unter anderem dieselbe Geschichte der Flüchtlingskrise erzählt Konstantin Richter in Die Kanzlerin: eine Fiktion 3, allerdings fokussiert er statt äußerer Handlung auf das Innenleben Merkels. Im folgenden Beispiel sitzt Merkel in der Mittelloge des Bayreuther Festspielhauses, im Gegensatz zum französischen Präsidenten des nachfolgenden Beispiels wird sie dabei wenig kunstsinnig dargestellt – auf Wagners Musikdrama ist sie vorbereitet wie auf andere Tagesordnungspunkte:

Die Kanzlerin hatte sich vorgenommen, die ruhigeren Passagen von Tristan und Isolde zu nutzen, um über ein paar Dinge nachzudenken. Im Ersten Aufzug wollte sie das Griechenland-Hilfspaket behandeln. Im Zweiten Aufzug würde sie sich den hohen Asylbewerberzahlen widmen. Und im Dritten Aufzug hätte sie vor dem Liebestod bestimmt noch ein paar Minuten, um ein weiteres Mal die Minsker Vereinbarung durchzugehen, die den Frieden in der Ostukraine sichern sollte.

Zuhören wollte die Kanzlerin auch ein bisschen. Sie mochte klassische Musik, besonders Opern. So stand es zumindest auf ihrer Homepage. Nur hatte sie Tristan und Isolde schon oft gesehen. Sie war mit Handlung und Rezeptionsgeschichte hinreichend vertraut. Außerdem hatte sie die Mappe gelesen, die ihre Mitarbeiter zusammengestellt hatten. Etwaige Fachfragen, mit denen ja immer zu rechnen war, würde sie mühelos beantworten. Kurz: Sie konnte es sich leisten, einen Teil der Zeit, die ihr in Tristan und Isolde zur Verfügung stand, für die Arbeit abzuzweigen.

Konstantin Richter, Die Kanzlerin: eine Fiktion

Die Zeit kommentierte süffisant: „Der Journalist Konstantin Richter hat nun ein Buch geschrieben, in dem es fast ausschließlich um das Innenleben von Angela Merkel geht. Sein kurzer Roman Die Kanzlerin schildert einen temporären Ausschnitt, von Beginn der sogenannten Flüchtlingskrise über Merkels Ausspruch ‚Wir schaffen das‘ und die angebliche Grenzöffnung bis zum Abkommen mit der Türkei. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, wann der erste Depp einige der privatesten Dinge über die Kanzlerin, die in diesem Roman stehen, wütend in Internetforen hineintriumphiert. Dann träfe Richter jedoch keine Schuld. Er hat seinem Buch sicherheitshalber die Gattungsbezeichnung ‚Fiktion‘ beigestellt und weist darauf hin, dass es sich nicht um eine ‚Dokumentation tatsächlicher Geschehnisse‘ handele. Wo der Journalist aufhören muss, weil er von dem, was andere Menschen wirklich denken, nichts wissen kann, da kommt der auktoriale Erzähler und darf alles hinzuerfinden.“ 4 Richter lässt die Kanzlerin soviel über sich selbst lesen, dass sie zum Schluss nicht mehr weiß, was davon Realität und was Fiktion ist: „Die Kanzlerin hatte schlichtweg zu viel gelesen und wusste nicht mehr, woran sie sich selbst erinnerte und was sie bloß bei Langguth, Boysen und Roll über sich erfahren hatte.“ 5 Dass eine dem französischen Präsidialroman vergleichbare Gattung in der deutschen Gegenwartsliteratur weitgehend fehlt, die Gründe hierfür sind so komplex und historisch gewachsen wie komparatistisch aufschlussreich. Wie romantauglich der neue Bundeskanzler Olaf Scholz sich erweist und damit auch das Verhältnis von Politik und Kunst nach der Ära Merkel, wird sich erst zeigen.

Eine beiderseitige Verquickung gilt es also zu untersuchen zwischen politischer Macht und kulturell-ästhetischer, hier fiktionaler Repräsentation in Form von Dichterlob, Mäzenatentum, copinage oder eben eines französischen Präsidialromans der letzten Amtszeiten 2007, 2012, 2017, 2022 und bereits 2027 (in Houellebecqs neuestem Roman Anéantir), im Präsidialroman Les 155 jours de Marine Le Pen unter dem Pseudonym von Blaise de Monluc wird gar eine neue Cohabitation imaginiert, diesmal zwischen Macron und Marine Le Pen. Die präsidialen Dystopien um Marine Le Pen finden sich bei Gilles Gaetner aktualisiert in seinem Buch Le Monde selon Zemmour: récit imaginaire d’un rêve brisé von 2022, hier spielt der Autor durch, was mit der Wahl des rechtsextremen Bewerbers Eric Zemmour zum Präsidenten geschehen würde, passiver Widerstand des öffentlichen Dienstes, Revolte der Kulturwelt, Sicherheitsgesetze, Abschiebungen, überhaupt härtere Rechtsprechung, schließlich Auflösung des Parlaments. Die Verquickungen von Literatur und Präsidentschaft sind Teil der politischen Kultur der Republik: Das Bekenntnis zum französischen Roman national beinhaltet gerade auch für Präsidentschaftskandidaten mit Migrationshintergrund wie Nicolas Sarkozy oder Eric Zemmour eine Aufzählung der großen hommes de lettres, so in der Conclusion von Zemmours La France n’a pas dit son dernier mot:

Moi qui viens d’une terre conquise par la France, comme l’Alsace, la Corse ou la Provence, j’ai toujours considéré que c’était une chance infinie et un insigne honneur que de devenir le compatriote de Pascal et Descartes, Richelieu et Chateaubriand, Bonaparte et Flaubert, Lavoisier et Hugo, etc.

Pourtant, chaque jour, notre pays se livre à la détestation acharnée de son histoire, à la criminalisation systématique de ses héros. Écoles, universités, médias, jusqu’au président de la République, toutes les institutions crachent sur la France et les générations qui l’ont faite.

Eric Zemmour, La France n’a pas dit son dernier mot 6

Ich, der ich aus einem von Frankreich eroberten Land wie dem Elsass, Korsika oder der Provence stamme, habe es immer als unendliches Glück und eine unvergleichliche Ehre angesehen, Landsmann von Pascal und Descartes, Richelieu und Chateaubriand, Bonaparte und Flaubert, Lavoisier und Hugo usw. zu sein.

Dennoch betreibt unser Land tagtäglich die unerbittliche Verachtung seiner Geschichte und die systematische Kriminalisierung seiner Helden. Schulen, Universitäten, Medien, bis hin zum Präsidenten der Republik – alle Institutionen spucken auf Frankreich und die Generationen, die es geschaffen haben.

Zemmours patriotische Einreihung der eigenen Person in eine illustre Reihe ist semantisch präzise gebaut, er selbst ist ja in Montreuil geboren, aber dass seine jüdischen Eltern algerischer Herkunft 1952 bereits nach Frankreich kommen konnten, ist späte Folge des Décret Crémieux von 1870, das Juden in den nordafrikanischen Kolonien die französische Staatsangehörigkeit verlieh. Zemmour greift als Präsidentschaftsbewerber Forderungen auch des bürgerlichen Lagers (etwa von Sarkozy oder Fillon in ihren Wahlkampfreden und -büchern) auf, dass französische Institutionen wie Geschichtsunterricht in der Schule wieder patriotisch ausgerichtet statt kritisch in Bezug etwa auf die eigene Geschichte sein sollten. Seine rhetorische Steigerung der Institutionenreihe läuft auf den Präsidenten zu, auch diesem (und in Wahlkampfzeiten vor allem diesem, Macron und etwa der von ihm eingeholte „Bericht zur kolonialen Raubkunst“) gilt Zemmours Vorwurf, er spucke auf die patriotische Heldenreihe, in der sich der politische Gegner ja zuvor selbst positioniert hatte.

Auch Macron ist freilich der Inszenierung der Nähe des Präsidenten zu den „Großen Dichtern“ der Nation verfallen. Johan Faerber analysiert in Le grand écrivain, cette névrose nationale eine mediale Inszenierung der Beisetzung im Jahr 2017 des Schriftstellers und Mitglieds der Académie, Jean d’Ormesson, mit 92 Jahren. Die feierliche Live-Schalte aus dem Ehrenhof des Invalidendoms wird von Faerber als Bühnenstück für zwei Personen beschrieben: der tote Dichter und der junge Präsident, der mit starker Geste einen einfachen Bleistift auf d’Ormessons Grab niederlegt.

Staatsbegräbnis für Jean d’Ormesson

Emmanuel Macron, le jeune président, s’avance, d’un air grave. Il a l’impression d’être devant la littérature. Il en est saisi. Son visage ne dit rien sinon que le moment sans doute est important. Il sursignifie la sobriété pour dire combien, à la vérité et par génie du contraste des communicants, c’est la Grandeur qu’il faut voir à chaque instant. Combien être modeste pour un président, c’est savoir s’incliner devant le Grand corps mort du Grand écrivain. Au Grand homme, la patrie et son jeune président éternellement reconnaissants – le temps des actualités.

Johan Faerber, Le grand écrivain, cette névrose nationale 7

Emmanuel Macron, der junge Präsident, tritt mit ernster Miene vor. Er hat das Gefühl, vor der Literatur zu stehen. Er ist von ihr ergriffen. Sein Gesicht sagt nichts, außer dass der Moment zweifellos wichtig ist. Er überbetont die Nüchternheit, um zu sagen, dass es in Wahrheit und aufgrund des genialen Kontrasts der Kommunikatoren die Größe ist, die man in jedem Moment sehen muss. Wie sehr Bescheidenheit für einen Präsidenten bedeutet, sich vor dem Großen toten Körper des Großen Schriftstellers zu verneigen. Dem Großen Mann sind das Vaterland und sein junger Präsident ewig dankbar – die Zeit der Nachrichten.

Es ist Faerber nicht um eine Entlarvung präsidialen Pomps zu tun, sondern er fragt in seinem Buch, warum in gleichem Maße Leser und Publikum diese „nationale Neurose“ pflegen:

Si, comme Leïla Slimani et Marie Darrieussecq, sa soif d’être un Grand écrivain paraît impossible à rassasier, la stupéfiante acceptation par tous de la comédie autour de son intronisation comme telle témoigne d’un désir symétrique au premier, dynamique et clef de voûte de la persistance de la question du Grand écrivain dans le champ contemporain. Cet autre désir, c’est celui du public, des lecteurs : il n’y a pas que les écrivains à désirer être Grands écrivains. Les Français veulent un Grand écrivain, Macron lui-même désire un Grand écrivain. Il désire honorer la mémoire de ce qui rendra, par jeu de miroirs, sa présidence Grande. Car ce que démontre l’enterrement de d’Ormesson, dans toute sa parodie qui s’ignore cruellement et joyeusement, c’est combien, à la vérité, ce n’est pas uniquement sa soif personnelle mais notre soif commune de Grands écrivains qui est impossible à rassasier.

Johan Faerber, Le grand écrivain, cette névrose nationale 8

Wenn, wie bei Leïla Slimani und Marie Darrieussecq, ihr Durst, ein Großer Schriftsteller zu sein, unmöglich zu stillen scheint, zeugt die erstaunliche Akzeptanz der Komödie um seine Inthronisierung als solcher durch alle von einem symmetrischen Verlangen, das dynamisch und der Schlüssel zum Fortbestehen der Frage nach dem Großen Schriftsteller im zeitgenössischen Feld ist. Dieser andere Wunsch ist der Wunsch des Publikums, der Leser: Nicht nur Schriftsteller wünschen sich, ein Großer Schriftsteller zu sein. Die Franzosen wünschen sich einen Großen Schriftsteller, Macron selbst wünscht sich einen Großen Schriftsteller. Er möchte das Andenken an denjenigen ehren, der seine Präsidentschaft durch das Spiel der Spiegel zu einer Großen machen wird. Denn was die Beerdigung von d’Ormesson in all ihrer grausam-freudigen, sich selbst ignorierenden Parodie zeigt, ist, dass es in Wahrheit nicht nur sein persönlicher Durst, sondern unser gemeinsamer Durst nach Großen Schriftstellern ist, der nicht gestillt werden kann.

Der Präsidialroman bezeugt gewissermaßen in chiastischer Umkehrung das, was der niedergelegte Bleistift beim Staatsbegräbnis des grand écrivain ist, eine Verschmelzung von Kanon und Macht, von Schriftsteller und Präsident. Im Interview mit Faerber fragte Christine Marcandier, warum Präsidenten wie De Gaulle, Giscard, Mitterrand ein Prestige durch instrumentalisierte Literatur suchen und ob es dereinst auch eigene Memoiren von Macron geben werde: „Ein großer Politiker und gleichzeitig ein großer Schriftsteller zu sein, das ist der Traum, der seit Napoleon das politische und literarische Leben Frankreichs in Atem hält. Es ist die absolute Fantasie des alten Jahrhunderts, politische und literarische Macht in ein und derselben Person zusammenfallen zu lassen, als ob die Macht durch die vermeintliche Macht des Schreibens wie nie zuvor erhellt werden könnte. Hugo träumte davon. Lamartine träumte davon. Chateaubriand träumte davon. Es fehlt nicht an Beispielen, die von dieser als heilig und hoch angesehenen Vereinigung von Kopf und Beinen vibrieren, um insgesamt den höchsten Körper zu erhalten: den des Führers, des Magiers.“ 9 In welchen literarischen Formen lässt sich diese nationale Fantasie systematisieren?

Tout l’art de la politique: Typen des Präsidialromans

Soweit ich sehe, liegt bislang keine Typologie des rezenten politischen Romans in Frankreich vor. Innerhalb dieses weiten Felds von narrativen Gesellschaftsentwürfen bildet auch der Präsidialroman einen Part mit Untergruppen, die hier nur grob skizziert werden können:

a. Der Zeit- oder Sittenroman im Sinne Balzacs flicht politische Ereignisse meist ein, um die ‚privaten‘ oder in der Provinz angesiedelte Geschichten mit der großen nationalen Geschichte zu verknüpfen. Präsidenten tauchen hier wie in einer Nachrichtensendung im Hintergrund auf und aktivieren eigene Epochenbilder beim Leser. Hierzu zwei Ausschnitte aus Romanen von Karine Tuil und Nicolas Mathieu. Die Abwägung, ob bestimmte Stellen eines Romans bereits rechtfertigen, das ganze Werk zum Präsidialroman zu rechnen, umso mehr, wenn Namen wie De Gaulle oder Mitterrand nur metonymisch für eine bestimmte Zeit angeführt werden, müssen wir hier nicht entscheiden, aber es fällt doch auf, wie häufig die französischen Staatspräsidenten durch die Romane geistern. Nehmen wir Karine Tuils Roman L’Insouciance um den Kampf um Aufstieg, Afghanistankrieg-Rückkehrer, religiösen Terrorismus, Internetverleumdungen und andere gesellschaftliche Konflikte als Beispiel, so wird hier Verrat anekdotisch konzeptualisiert. Im Telefonat steht eine Figur für Glaube an Freundschaft, die andere wählt den Blick des machiavellistischen Strategen:

Il l’avait confié le soir même de son retour, au téléphone, à Laurence Corsini, l’une des seules à lui avoir envoyé un message amical lorsque son départ définitif après un mois de mise au placard avait été annoncé : « La trahison, elle a été le fait de mes amis. » Il avait entendu le rire de Corsini dans le combiné. « Tes amis ? Est-ce que tu sais ce que François Mitterrand avait dit de la politique pendant l’été 1988 à son chef de cabinet, Jean Glavany, qui venait de perdre les élections législatives en Hautes-Pyrénées ? Il lui avait dit : “Ne croyez pas que la loyauté soit la règle en politique. Elle est l’exception. La règle, c’est la trahison.” Et il ajoutait que tout l’art de la politique était de construire des rapports de forces qui vous mettaient à l’abri des trahisons. Tu n’as pas su construire ces rapports, c’est tout. »

Karine Tuil, L’Insouciance

Das hatte er noch am Abend seiner Rückkehr am Telefon Laurence Corsini anvertraut, die eine der wenigen war, die ihm eine freundliche Nachricht geschickt hatte, als sein endgültiger Abgang nach einem Monat in der Versenkung bekannt wurde: „Der Verrat, er wurde von meinen Freunden begangen.“ Er hatte Corsinis Lachen aus dem Hörer gehört. „Deine Freunde? Weißt du, was François Mitterrand im Sommer 1988 zu seinem Kabinettschef Jean Glavany, der gerade die Parlamentswahlen in Hautes-Pyrénées verloren hatte, über die Politik gesagt hatte? Er hatte ihm gesagt: „Glauben Sie nicht, dass Loyalität in der Politik die Regel ist. Sie ist die Ausnahme. Die Regel ist der Verrat.“ Und er fügte hinzu, dass die Kunst der Politik darin besteht, Machtverhältnisse aufzubauen, die dich vor Verrat schützen. Du hast es einfach nicht geschafft, diese Verhältnisse aufzubauen“.

Mitterrand wird in diesem Zitat (einen historischen Beleg konnte ich nicht finden) als Stratege einer Kunst der Politik präsentiert, exakt an der Schwelle zu seiner zweiten Amtszeit: Schutz vor Verrat und Machterhalt stehen auch im Buch von Karine Tuil dann vor inhaltlicher Überzeugung oder moralischen Werten.

Ein weiteres Beispiel aus Nicolas Mathieus Roman diesen Jahres, Connemara, thematisiert den zweiten Wahlgang der letzten Präsidentschaftswahlen 2017 zwischen Emmanuel Macron und Marine Le Pen. „Et votez bien!“, aus der Beobachtung, wie sich dieser Topos aus der medial allgegenwärtigen Wahlempfehlung gebildet hat, konfrontiert Mathieu vielleicht etwas einfach die indirekte Rede des besorgten Bürgermeisters mit den schweigenden Generationen des Wahlvolks und ihrem grimmigen vorübergehenden Triumpf über die Eliten:

— Et votez bien ! gueula Didier, le grand frère célibataire déjà passablement éméché.

Des gens trouvèrent ça drôle, d’autres moins.

Depuis que Marine Le Pen s’était qualifiée au second tour, cette phrase était devenue le mantra du pays. Dans les journaux, sur les réseaux, à la télé, importants divers et leaders d’opinion présumés se succédaient sans trêve pour décortiquer les causes du désastre et gourmander la nation. Le maire de Cornécourt lui-même, qui était sans étiquette et ne faisait pas de politique (dixit), y était allé de son petit couplet après la cérémonie. Il fallait faire barrage, pour la République et nos enfants, on ne pouvait pas jouer avec le feu comme ça, d’autant que les regards du monde entier étaient braqués sur la France, même si bien sûr il fallait entendre la colère, les difficultés des gens, etc. Les invités l’avaient écouté poliment avant de vider les lieux dans un piétinement calme émaillé de murmures sombres. Les vieux surtout semblaient s’alarmer de la situation, eux qui pourtant étaient les moins concernés par l’avenir. Chez les plus jeunes en revanche, et les hommes surtout, ce remue-ménage suscitait une sorte de jubilation mauvaise. C’était tout de même beau pour une fois de voir la panique en haut lieu, le prêchi-prêcha affolé des bien lotis. Leur tour de sentir le sol meuble sous leurs pieds. Pour deux semaines, l’ordre des choses semblait suspendu, les forces inversables.

Nicolas Mathieu, Connemara

„Und stimmt gut ab!“, brüllte Didier, der alleinstehende große Bruder, der schon ziemlich betrunken war.

Einige Leute fanden das lustig, andere weniger.

Seit Marine Le Pen sich für den zweiten Wahlgang qualifiziert hatte, war dieser Satz zum Mantra des Landes geworden. In den Zeitungen, in den Netzwerken und im Fernsehen lösten sich wichtige Persönlichkeiten und vermeintliche Meinungsführer ohne Unterlass ab, um die Ursachen des Desasters zu zerlegen und die Nation zu beschimpfen. Selbst der Bürgermeister von Cornécourt, der parteilos war und sich nicht politisch betätigte (dixit), hatte nach der Zeremonie sein eigenes kleines Couplet vorgetragen. Man müsse einen Damm errichten, für die Republik und unsere Kinder, man könne nicht so mit dem Feuer spielen, zumal die Augen der ganzen Welt auf Frankreich gerichtet seien, auch wenn man natürlich die Wut, die Schwierigkeiten der Menschen usw. hören müsse. Die Gäste hatten ihm höflich zugehört, bevor sie die Räume in einem ruhigen, von dunklem Gemurmel durchzogenen Getrampel räumten. Vor allem die älteren Menschen schienen alarmiert zu sein, obwohl sie sich am wenigsten um die Zukunft sorgten. Bei den Jüngeren hingegen, vor allem bei den Männern, löste die Aufregung eine Art bösen Jubel aus. Es war doch schön, einmal die Panik an der Spitze zu sehen, das panische Predigen der Wohlhabenden. Jetzt waren sie an der Reihe, den weichen Boden unter ihren Füßen zu spüren. Für zwei Wochen schien die Ordnung der Dinge außer Kraft gesetzt, die Kräfte umkehrbar.

Der Roman Connemara, der eigentlich die sehr persönliche Wiederbegegnung der Rückkehrerin Hélène in der Provinz mit Christophe erzählt, der das Kaff ihrer Jugend nie verlassen hatte, lässt hier politische Rede als Kakophonie einprasseln auf ein zerrissenes Volk, letztlich gewährt allein der Sport, der eine grundlegende Rolle im Buch spielt, den zerrissenen Franzosen Momente der Vereinigung.

Au mariage comme ailleurs, on ne pouvait éviter longtemps d’aborder ce sujet. Les têtes étaient si farcies de sondages, les esprits tellement gavés d’analyses et de chiffres. Cette interminable campagne avait tordu les nerfs de tout un peuple. Mais dans cette immense rafle des consciences, il demeurait presqu’autant de vues que de Français. Ainsi, certains avaient regardé le débat de l’entre-deux-tours, d’autres pas. Il y en avait qui ne loupaient jamais un JT et d’autres qui ne voulaient plus en entendre parler. Macron avait ses fans, Le Pen ses sympathisants. Les militants s’obnubilaient chacun dans son couloir. Les niches, les variantes, les groupuscules, les singularités pullulaient sous le microscope des analystes qui feignaient de tout comprendre. Des gens bien intentionnés plaidaient pour plus d’éducation, de moyens, de temps, d’écoute. D’autres plus sévères ne voyaient que déclin, minage, recul et prônaient de cruels tours de vis. Les blasés n’y croyaient plus. Les optimistes compulsifs rêvaient pour la millième fois d’hypothétiques refondations. De part et d’autre de ces lignes de partage qu’on croyait morales et qui, bien souvent, relevaient plus platement de l’origine, de la géographie, du niveau scolaire ou de la fortune, des acharnés crachaient leur dégoût du camp d’en face, symétriques dans le rejet, également convaincus, tous malheureux et crevant de certitudes.

Nicolas Mathieu, Connemara

Bei Hochzeiten und anderen Anlässen ließ sich das Thema nicht lange vermeiden. Die Köpfe waren so voller Umfragen, die Gedanken so vollgestopft mit Analysen und Zahlen. Die endlose Kampagne hatte die Nerven eines ganzen Volkes zerrüttet. Aber bei dieser riesigen Razzia des Bewusstseins gab es fast so viele Ansichten wie Franzosen. Einige hatten sich die Debatte zwischen den beiden Wahlgängen angesehen, andere nicht. Einige verpassten nie eine Nachrichtensendung, andere wollten nichts mehr davon wissen. Macron hatte seine Fans, Le Pen ihre Sympathisanten. Die Aktivisten beschäftigten sich mit sich selbst, jeder in seinem eigenen Korridor. Unter dem Mikroskop der Analysten, die vorgaben, alles zu verstehen, wimmelte es von Nischen, Varianten, Gruppierungen und Singularitäten. Wohlmeinende Menschen plädierten für mehr Bildung, mehr Mittel, mehr Zeit, mehr Zuhören. Andere, die strenger waren, sahen nur Niedergang, Unterminierung und Rückschritt und sprachen sich für ein grausames Drehen an der Schraube aus. Die Abstumpfenden glaubten nicht mehr daran. Die Zwangsoptimisten träumten zum tausendsten Mal von hypothetischen Neugründungen. Auf beiden Seiten dieser Trennlinien, die man für moralisch hielt, die aber oftmals eher auf Herkunft, Geografie, Bildungsniveau oder Vermögen zurückzuführen waren, spuckten die Verbissenen ihren Ekel vor der anderen Seite aus, symmetrisch in der Ablehnung, gleichermaßen überzeugt, alle unglücklich und an Gewissheiten zerbrechend.

b. Der Politroman beobachtet zentraler als der Sittenroman das politische System in seiner Dynamik, zum Beispiel Intrigen, Wahlkampfkampagnen, Karrierewege, um damit auch eine bestimmte Weltdeutung anschaulich zu machen, vom aktvistischen Engagement bis zum desillusionierten Nihilismus, von konkreten Ideologien oder grotesker Komik bis zu kühler Beobachtung.

Der Staatsmann und ehemalige Richter Jean-Louis Debré beispielsweise legte 2020 mit seinem Präsidialroman La Rumeur eine Stellungnahme zur Vermischung von Wahrheit und Gerüchten in der mediatisierten Welt vor. In einem Bericht des Nouvel Observateur aus dem Jahr 2018 hat der Politiker bereits Stellung genommen zur Selbstjustiz, die immer mehr die richterliche Arbeit zu ersetzen drohe: „Die Forderung nach Transparenz für alle Bürger ist einer der Eckpfeiler der Demokratie. Das bedeutet, dass diejenigen, die gegen das Gesetz verstoßen, bestraft werden müssen. Dies setzt jedoch die Einhaltung von Rechts- und Verfahrensregeln voraus, damit die Opfer die Möglichkeit haben, eine Klage einzureichen, und die Angeklagten die Möglichkeit haben, ihre Meinung zu äußern. Es ist Sache des Richters, die Verantwortlichkeiten der einen und der anderen Seite festzulegen. Transparenz ist nicht das, was wir erleben. Gerüchte ersetzen Beweise, einseitige Denunziation ersetzt die kontradiktorische Debatte, verdrängt die Unschuldsvermutung, die Verurteilung ohne Urteil ist einseitig, öffentlich, selbst wenn das Gericht entschieden hat. Wo bleibt die Rechtskraft des Urteils? Wir befinden uns nicht mehr im Rahmen eines Verfahrens, das die verschiedenen Parteien respektieren muss, das auf einer gerichtlichen Untersuchung beruht, sondern in einem Vorgehen der Rache, der Revanche. Wo bleibt die Forderung nach Transparenz seitens derjenigen, die sie fordern? Die Bürgerwehr ersetzt die Richter. Die Geschichte zeigt, wohin das alles führen kann.“ 10

Jean-Louis Debré, Interview zu La Rumeur

Die Verlagszusammenfassung stellt den Zusammenhang klar her: „Wer steckt hinter dem Gerücht, dass der Staatschef trotz seines jungen Alters schwer krank ist und möglicherweise an einer erneuten Kandidatur gehindert wird? Die politische Welt ist in Aufruhr, wo viele ein Interesse daran haben, dieses Gerücht im Vorfeld der neuen Präsidentschaftswahlen aufrechtzuerhalten. „ 11

Le présentateur du 13 heures de TF1 annonce que le président de la République s’est rendu, tôt dans la matinée, à Tourcoing, où il a partagé avec des habitants un petit déjeuner au centre social du quartier de la Bourgogne. La journaliste chargée de couvrir le déplacement officiel, correspondante de la chaîne, précise que le chef de l’État a pu ainsi se rendre compte des « actions concrètes » mises en place pour lutter contre le décrochage scolaire, soutenir la promotion de la citoyenneté et l’égalité femmes-hommes. Il a aussi, ajoute-t-elle, « échangé très simplement » avec les habitants, qui lui ont surtout demandé des nouvelles de sa santé en lui souhaitant un prompt rétablissement. Le président a ensuite visité une entreprise qui œuvre à l’insertion professionnelle des résidents du quartier. Il y a été accueilli chaleureusement, et la question qui était, ici aussi, sur toutes les lèvres avait encore trait à son état de santé. Une femme lui a même remis un paquet de chicorée torréfiée en lui disant que  cela avait guéri son mari. Le chef de l’État l’a remerciée de sa délicate attention.

Cette rumeur qui depuis un certain temps se propage sur les réseaux sociaux a manifestement bien été entendue dans la région, tient à souligner la journaliste, avant de rendre l’antenne à Paris, après avoir à peine évoqué le long discours du président sur la politique en faveur de la réinsertion sociale.

Jean-Louis Debré, La rumeur

Der Moderator der 13-Uhr-Sendung von TF1 berichtet, dass der Präsident der Republik am frühen Morgen nach Tourcoing gereist ist, wo er im Sozialzentrum des Stadtteils Bourgogne mit den Einwohnern ein Frühstück eingenommen hat. Die mit der Berichterstattung über die offizielle Reise beauftragte Journalistin und Korrespondentin des Senders erklärte, der Staatschef habe sich dabei von den „konkreten Maßnahmen“ überzeugen können, die zur Bekämpfung des Schulabbruchs, zur Unterstützung der Förderung der Staatsbürgerschaft und der Gleichstellung von Frauen und Männern ergriffen wurden. Sie fügte hinzu, dass er sich auch „ganz einfach“ mit den Einwohnern ausgetauscht habe, die ihn vor allem nach seiner Gesundheit fragten und ihm eine baldige Genesung wünschten. Anschließend besuchte der Präsident ein Unternehmen, das sich für die berufliche Eingliederung von Bewohnern des Viertels einsetzt. Dort wurde er herzlich empfangen und die Frage, die auch hier in aller Munde war, bezog sich wieder auf seinen Gesundheitszustand. Eine Frau überreichte ihm sogar eine Packung gerösteten Zichorienkaffee und erzählte ihm, dass ihr Mann dadurch geheilt worden sei. Das Staatsoberhaupt bedankte sich für diese Aufmerksamkeit.

Die Journalistin betonte, dass dieses Gerücht, das seit einiger Zeit in sozialen Netzwerken verbreitet wird, in der Region offensichtlich gut verbreitet wurde, bevor es nach Paris zurückkehrte.

Ohne an dieser Stelle zu viel zu verraten, präsentiert der Roman einen Präsidenten in der Zeit der gezielten Skandale oder verselbständigten Gerüchte, und der Roman endet mit dem Gerücht als politischem Instrument:

Peu lui importe que cette rumeur ne repose sur aucune preuve : elle est l’instrument qui doit lui permettre d’en finir politiquement avec Polès. C’est le but qu’il s’est fixé, et il emploiera tous les moyens pour l’atteindre, heureux de constater que le pouvoir a repris la maîtrise des événements après avoir vérifié que la rumeur, même fausse, peut être en politique une arme de destruction efficace.

Jean-Louis Debré, La rumeur

Es ist ihm egal, dass es für dieses Gerücht keine Beweise gibt: Es ist das Instrument, mit dem er Polès politisch aus dem Weg räumen will. Er ist froh, dass die Machthaber wieder die Kontrolle über die Ereignisse übernommen haben, nachdem sie sich davon überzeugt haben, dass selbst falsche Gerüchte in der Politik eine wirksame Zerstörungswaffe sein können.

Ein weiteres Beispiel des präsidialen Politromans mit besonderem Setting wäre etwa Charles Roquin Le Roi von 2022: der französische Thronprätendent Louis (XXII.) de Bourbon steigt in seinem Roman mit in den Präsidentschaftswahlkampf ein (mit der Alliance Royale existiert in Frankreich ja tatsächlich eine aktive monarchistische Partei).

« Eh ouais ! s’exclama John. Sauf que le vieux n’était pas fou… ! En tout cas pas stérile. Il a bien eu un fils, trois même. Mais vu le bordel de l’époque – je passe les détails, quand on sait qu’un royaliste a fini président de la République, on se dit que les gens étaient vraiment paumés… Vu la connerie de ses contemporains, donc, Henri V a préféré cacher ses enfants. Son testament les exhorte, eux et leurs descendants, à ne dévoiler leur essence royale que le jour où leur peuple en sera digne. Et ce jour…

– Laisse-moi deviner, c’est aujourd’hui ? »

Insensible à mon ironie, John répliqua très sérieusement :

« Non. C’était il y a cinq ans. Un certain Louis, qui depuis sa naissance passait pour un noblaillon de province, limite un péquenaud, a révélé qu’il était le descendant direct du comte de Chambord : son arrière-arrière-arrière-petit-fils par une succession continue d’aînés mâles faisant de lui le seul, l’unique, l’irréfragable propriétaire du royaume de France. »

Charles Roquin, Le Roi

„Ja!“, rief John aus. „Nur dass der Alte nicht verrückt war …! Auf jeden Fall nicht unfruchtbar. Er hatte zwar einen Sohn, sogar drei. Aber angesichts des Chaos der damaligen Zeit – ich überspringe die Details, wenn man bedenkt, dass ein Royalist Präsident der Republik wurde, denkt man, dass die Leute wirklich verwirrt waren… Angesichts des Schwachsinns seiner Zeitgenossen zog es Heinrich V. also vor, seine Kinder zu verstecken. Sein Testament ermahnt sie und ihre Nachkommen, ihr königliches Wesen erst an dem Tag zu enthüllen, an dem ihr Volk dessen würdig ist. Und dieser Tag…“

„Lass mich raten: ist heute?“

Unbeeindruckt von meiner Ironie erwiderte John sehr ernst:

„Nein. Es war vor fünf Jahren. Ein gewisser Louis, der seit seiner Geburt als Provinz-Kleinadliger galt, an der Grenze zum Hinterwäldler, enthüllte, dass er der direkte Nachkomme des Grafen von Chambord ist: sein Ur-Ur-Ur-Enkel durch eine kontinuierliche Folge von männlichen Erstgeborenen, die ihn zum einzigen, unwiderlegbaren Eigentümer des Königreichs Frankreich machen.“

Pascale Boniface publiziert als anerkannter Politologe für internationale Beziehungen seinen Roman Le bateau ivre, in dem er einen Präsidenten Alexandre Ronac (Mac-ron scheint durch) auftreten lässt, der als politischer Außenseiter mit seiner Reformagenda überraschend gewählt wurde, aber nun einer Welle islamistischer Anschläge gegenübersteht. In der Folge driftet die Gesellschaft immer mehr zur extremen Rechten ab, und Bonifaces Analyse wird in der Verlagsankündigung als so realistisch wie spielerisch sehr nah an wirklichen Ereignissen dargestellt: „Wie werden sich die verschiedenen Protagonisten positionieren, die zwischen Überzeugungen, Glauben, taktischen Positionierungen und kurzfristigen Interessen hin- und hergerissen sind? Pascal Boniface beschreibt diese unerbittliche Entwicklung hyperrealistisch und führt uns in eine fesselnde Erzählung, in der sich tragische Situationen, köstliche Porträts und überraschende Wendungen vermischen.“ 12 Die dramatis personae, die der Autor voranstellt, geben ein szenisches Panorama des politischen Systems incl. Lobbyisten und Pressure Groups ab:

Responsables politiques | Président de la République, Alexandre Ronac
Ministres | Affaires étrangères : Dominique Lazarais • Intérieur : Julien Granzaud • Sports : Jean-Marc Noirot
Parlementaires
Groupe Renouveau | François Valchaud • Erwann Lheureux • Céleste Métayer • Gilles Cornier Boulu • Christophe Garnier • Laurence Rochereau
Groupe Union des Républicains (UDR) | Marc Siba
Leaders d’extrême droite | Éric Mella • Eugène Malourd
Leaders d’opinion
SOS Laïcité | Frédéric Carel • Rémy Hastin • Ahmed Moktar
Essayistes | Gérald Plagest • Charles-Henri Debaine • Bernard Meyer • Samia Tazir
Universitaires | Damien Cordier • Cécile Lorend
Journalistes | Pierre Wiedmann • Vincent Crimaud • Alexis Montguillot
Salafiste | Mohammed
À l’étranger | Émir de Daesh • Abu al-Tikriti

Pascal Boniface über sein Buch

Ein Leser reagierte bei Amazon: „Ein Roman zwar, aber so wahr! Pascal Boniface, ein ausgezeichneter Geopolitologe, zeigt uns sein Talent als Schriftsteller mit einem ersten Roman, der von Anfang bis Ende fesselt. Auf den Seiten entdeckt man eine feine und so treffende Analyse von Politikern, Journalisten, Polemikern, Pseudo-Experten, Akademikern… niemand wird verschont.“ 13

Trois minutes avant le coup d’envoi, tous leurs voisins et la plupart des spectateurs de leur tribune se retournèrent vers la tribune présidentielle qui venait brusquement de se remplir. Le président de la République avait fait son apparition, accompagné de celui de la Fédération française de football.

Alexandre Ronac était un véritable amateur de football depuis sa prime jeunesse. Venir au stade n’était pas pour lui une de ces ennuyeuses obligations protocolaires, mais un véritable plaisir. Il fallait simplement qu’il contrôle ses émotions. Il était président, il restait supporter, mais ne pouvait pas réagir de façon aussi démonstrative que dans sa jeunesse. À l’époque, il avait subi les moqueries de ceux qui pensaient que le football était une affaire de « beaufs », un sport trop populaire qu’il convenait de mépriser si l’on voulait montrer qu’on était du bon côté de la barrière sociale. Être passionné par le foot et appartenir aux élites étaient aussi incompatibles que l’eau et le feu. Il y eut quelques sifflets, pas mal d’applaudissements, mais protestataires et fans prenaient tous des photos qu’ils enverraient immédiatement sur les réseaux sociaux ou à leurs proches, preuves de leur présence à cet événement important. La tribune était garnie de ministres, comme à chaque fois que le président venait. Tous n’aimaient pas le foot, loin de là, mais c’était l’occasion de voir le président, d’échanger avec lui au buffet, ou simplement d’être vu par lui. Lors d’un match précédent, il ne devait pas être présent au stade car il était à l’étranger, mais une modification d’agenda de dernière minute lui avait finalement permis d’y assister. Il avait prévenu le protocole de la Fédération l’après-midi du match. La nouvelle de cette modification d’agenda avait apparemment fuité, puisque dans l’heure qui avait suivi, il y eut douze demandes de ministres et secrétaires d’État, qui tout à coup avaient une envie irrépressible de venir voir un match dont ils se contrefichaient le matin même. Les républiques et les présidents passent, le phénomène de cour demeure. Heureusement que le protocole de la FFF était d’un parfait professionnalisme, digne de celui du Quai d’Orsay, et savait faire face à ce type d’imprévu. Et savait parfois dire non.

Pascale Boniface, Le bateau ivre

Drei Minuten vor dem Anpfiff drehten sich alle ihre Nachbarn und die meisten Zuschauer auf ihrer Tribüne zur Präsidententribüne um, die sich plötzlich gefüllt hatte. Der Präsident der Republik war erschienen, zusammen mit dem Präsidenten des französischen Fußballverbands.

Alexandre Ronac war seit seiner frühen Jugend ein echter Fußballfan. Der Besuch im Stadion war für ihn keine lästige protokollarische Pflicht, sondern ein echtes Vergnügen. Er musste nur seine Emotionen unter Kontrolle halten. Er war Präsident, er blieb Fan, aber er konnte nicht mehr so demonstrativ reagieren wie in seiner Jugend. Damals hatte er den Spott derjenigen zu spüren bekommen, die meinten, Fußball sei etwas für „Hinterwäldler“, ein zu populärer Sport, den man verachten müsse, wenn man zeigen wolle, dass man auf der richtigen Seite der sozialen Schranke stehe. Fußballbegeisterung und Zugehörigkeit zur Elite waren so unvereinbar wie Feuer und Wasser. Es gab ein paar Pfiffe und nicht viel Applaus, aber sowohl Protestler als auch Fans machten Fotos, die sie sofort in sozialen Netzwerken oder an ihre Verwandten verschicken würden, um zu beweisen, dass sie bei diesem wichtigen Ereignis anwesend waren. Die Tribüne war mit Ministern besetzt, wie bei jedem Besuch des Präsidenten. Längst nicht alle mochten Fußball, aber es war eine Gelegenheit, den Präsidenten zu sehen, sich mit ihm am Buffet auszutauschen oder einfach von ihm gesehen zu werden. Bei einem früheren Spiel sollte er nicht im Stadion sein, da er sich im Ausland befand, aber eine kurzfristige Terminänderung hatte es ihm schließlich ermöglicht, dem Spiel beizuwohnen. Er hatte das Protokoll der Föderation am Nachmittag des Spiels informiert. Die Nachricht von der Terminänderung war offenbar durchgesickert, denn innerhalb der nächsten Stunde gab es zwölf Anfragen von Ministern und Staatssekretären, die plötzlich das unbändige Verlangen hatten, sich ein Spiel anzusehen, das ihnen am Morgen noch egal gewesen war. Die Republiken und Präsidenten kommen und gehen, das höfische Phänomen bleibt. Zum Glück war das Protokoll des FFF so professionell wie das des Quai d’Orsay und wusste mit solchen Unwägbarkeiten umzugehen. Und konnte manchmal auch Nein sagen.

Einen Sonderfall des Politromans bilden Schlüsselromane, die oft unter Pseudonym erscheinen und in denen Insider (oder zumindest vom Verlag behauptete) leicht verschlüsselt eine Nähe zu investigativem Journalismus herstellen. Ihre literarische Qualität kann dabei durchaus nebensächlich sein. Nur unter Pseudonym publiziert etwa Jupiter sein als Schlüsselroman inszeniertes Buch L’élection de la dernière chance: une campagne électorale pour sauver la France aus dem Jahr 2021. Hier stehen sich der progressive Émile Beaufort und der gaullistische Jean Chotard mit seiner Tendenz zum Populismus als Kandidaten gegenüber. Der Historiker und Memoirenschreiber von Jacques Chirac, Jean-Luc Barré, hat seinerseits erkennen lassen, dass sein Roman Le corps d’origine von 2021 vom Skandal um den Präsidentschaftsbewerber der Républicains François Fillon frei inspiriert ist.

Le chef de l’État, Louis Moulins-Duthilleul, ayant dû renoncer, à près de quatre-vingts ans, à briguer un second mandat, on voit en Guillaume Roussel une sorte d’héritier naturel. Nul ne semble mieux placé, en tout cas, pour lui succéder. Roussel a quitté ses fonctions six mois avant l’échéance pour préparer la future campagne présidentielle. À cinquante-huit ans, faute de rival crédible et fort d’un bilan à Matignon jugé satisfaisant dans les sondages d’opinion, il a toutes chances de remporter l’élection. D’autant que sa désignation comme candidat, obtenue à la quasi-unanimité, a pris des allures de sacre lors du congrès de la Droite populaire. Une puissante machine de guerre électorale aussitôt mise en ordre de marche.

L’Élysée lui semble donc tout acquis quand au cours de la première quinzaine de février, à quelques semaines du premier tour fixé au 20 avril, une mauvaise rumeur s’est mise à circuler dans divers milieux parisiens.

Jean-Luc Barré, Le corps d’origine

Da der Staatschef Louis Moulins-Duthilleul mit fast achtzig Jahren auf eine zweite Amtszeit verzichten musste, sieht man in Guillaume Roussel eine Art natürlichen Erben. Niemand scheint jedenfalls besser geeignet zu sein, seine Nachfolge anzutreten. Roussel trat sechs Monate vor dem Termin von seinem Amt zurück, um den bevorstehenden Präsidentschaftswahlkampf vorzubereiten. Mit seinen 58 Jahren, dem Fehlen eines glaubwürdigen Rivalen und seiner in Meinungsumfragen als zufriedenstellend eingestuften Bilanz in Matignon hat er alle Chancen, die Wahl zu gewinnen. Seine Nominierung als Kandidat, die fast einstimmig erfolgte, wurde auf dem Kongress der „Droite populaire“ (Volksrechte) zu einer Art Krönung. Eine mächtige Wahlkampfmaschine, die sofort in Gang gesetzt wurde.

Der Élysée-Palast schien ihm also sicher, als in der ersten Februarhälfte, wenige Wochen vor dem ersten Wahlgang am 20. April, in verschiedenen Pariser Kreisen ein böses Gerücht die Runde machte.

Die diebische Lust des Lesers fasst Marianne Payot zusammen: „Guillaume Roussel, der Anführer des Stammkorps, ist ein Spezialist des Doppelspiels: Alles an seinem öffentlichen Auftritt – ein Politiker von hoher Integrität und ein guter katholischer Familienvater – ist Lug und Trug. Diese Doppelzüngigkeit hat dem Énarque, Ex-Premierminister und großen Favoriten der bürgerlichen Rechten bei den kommenden Präsidentschaftswahlen gut getan. Doch gut einen Monat vor der Wahl taucht ein böses Gerücht auf: Er soll in den Mord an einem marokkanischen Escort-Boy verwickelt sein. Nur sein gefürchteter Anwalt und seine Frau, die gar nicht so unscheinbar ist, halten ihm die Treue. Wir gestehen zu, dass nichts an dieser Geschichte besonders moralisch ist, was sie umso unterhaltsamer macht.“ 14 Das Amoralische wird auch bei Joseph Macé-Scaron, La surprise du chef von 2021, lustvoll in Szene gesetzt, worin der Außenseiterkandidat für die Präsidentschaft Benjamin Strada ein Spiel der Täuschungen wie ein Theaterstück inszeniert.

Noch expliziter als Barré erklärt Marie Tanguy ihren Text Confusions zum Schlüsselroman der eigenen Mitarbeit im Wahlkampfteam von En Marche:

La conscience des enjeux et le stress paroxysmique poussaient chacun à donner le meilleur de lui-même. Le 99 rue de l’abbé Groult était, plus encore qu’à l’accoutumée, une grosse ruche bourdonnante. À chaque étage, helpers, salariés, experts et conseillers s’affairaient, fiévreux, efficaces, concentrés, afin que la conférence de presse du lendemain soit un succès. Car c’est elle qui allait mettre un terme à l’accusation récurrente : EM n’a pas de programme.

Marie Tanguy, Confusions

Das Bewusstsein, was auf dem Spiel stand, und der paroxysmale Stress trieben jeden Einzelnen dazu, sein Bestes zu geben. Die Rue de l’abbé Groult 99 war noch mehr als sonst ein großer, summender Bienenstock. Auf jeder Etage arbeiteten Helfer, Mitarbeiter, Experten und Berater fieberhaft, effizient und konzentriert daran, dass die Pressekonferenz am nächsten Tag ein Erfolg wurde. Denn sie war es, die dem immer wiederkehrenden Vorwurf ein Ende bereiten sollte: EM hat kein Programm.

Für den Nouvel Observateur stellte sich Tanguy mit diesem „roman-témoignage“ 15 in eine Reihe enttäuschter ehemaliger Macron-Anhänger. 16 Zugleich ist das Buch eine Entlarvung von politischem Marketing und substanzlosem Storytelling.

— Concentrons-nous. Je reprends. Il y a le 32 pages, c’est le programme, enfin c’est le projet.

— Le 32 pages, c’est le tract en fait.

— Oui ! Exactement ! Tirage 8 millions d’exemplaires. Diffusion marchés, métro, boîtes aux lettres. Tractage, quoi.

— Ensuite, il y a le livre. Le livre, c’est le contrat avec la nation.

— C’est différent du projet ?

— Attends, attends, là, c’est la base. Tu as d’un côté le projet, de l’autre le contrat avec la nation.

— Et donc le contrat avec la nation, c’est le cœur du projet, celui sur lequel le président engagera son capital politique.

— Vu qu’il présidera, et qu’il ne gouvernera pas, tout ça.

— En gros, le taux de TVA appliqué à l’audiovisuel public, c’est le projet. La réforme des retraites pour accompagner les mutations du travail, c’est le contrat avec la nation.

— Mais il faut vraiment deux objets ?

— Évidemment. Pour illustrer la rupture de la démarche. Ce sera un petit livre, une quarantaine de pages max. Il faut l’écrire avant la fin de la semaine (regard appuyé dans ma direction).

Marie Tanguy, Confusions

– Konzentrieren wir uns. Ich fange noch einmal an. Es gibt die 32 Seiten, das ist das Programm, das ist der Entwurf.

– Die 32 Seiten sind eigentlich der Wahlprospekt.

– Ja, genau! Auflage 8 Millionen Exemplare. Verteilung auf Märkten, in der U–Bahn, in Briefkästen. Tractage, was auch immer.

– Dann gibt es noch das Buch. Das Buch ist der Vertrag mit der Nation.

– Ist das etwas anderes als das Projekt?

– Warte, warte, hier ist die Grundlage. Du hast auf der einen Seite das Projekt und auf der anderen Seite den Vertrag mit der Nation.

– Und der Vertrag mit der Nation ist das Herzstück des Projekts, auf das der Präsident sein politisches Kapital verwenden wird.

– Da er den Vorsitz führen wird und nicht regieren wird und so weiter.

– Im Großen und Ganzen ist der Mehrwertsteuersatz, der auf den öffentlichen Rundfunk angewandt wird, das Projekt. Die Rentenreform, um den Wandel der Arbeit zu begleiten, ist der Vertrag mit der Nation.

– Aber braucht man wirklich zwei Objekte?

– Offensichtlich. Um den Bruch in der Vorgehensweise zu veranschaulichen. Es wird ein kleines Buch sein, höchstens 40 Seiten. Es muss bis zum Ende der Woche geschrieben werden (eindringlicher Blick in meine Richtung).

c. Der utopische, heute in Frankreich doch eher dystopische Präsidialroman wählt eine nahe Zukunft und präsentiert alternative Geschichte oder polemische Entwürfe in mehr oder weniger kritischer oder skandalisierender Wirkungsabsicht, etwa wenn vor einem islamischen oder einem rechtsextremen Kandidaten bzw. Kandidatin gewarnt wird oder wenn gesellschaftliche Entwicklungen zugespitzt werden, z.B. Klimakrise, Ressourcenknappheit, antidemokratische Tendenzen. Als Beispiel sei der Roman Le brun et le rouge von Michèle Cotta und Robert Namias von 2020 genannt, der die drei dunklen Jahre (2025 – 2028) eines Frankreichs erzählt, das innerhalb weniger Monate in den Faschismus abrutscht: nach der Niederlage eines jungen Mitte-Präsidenten wird Charlotte Despenoux die junge Präsidentin aus der rechtsextremen Partei LFD (La France d’abord).

Sur l’écran qui lui faisait face, les chaînes d’info diffusaient pour la énième fois la nécrologie du ministre de la Police. Mazaudet, Charlotte Despenoux, les deux étaient à ce point indissociables depuis la campagne de 2025 qu’en visionnant ces images la présidente crut voir sa propre histoire. Trois ans. Trois années seulement, s’était dit Charlotte en franchissant le lourd portail du parc. En remontant l’allée jusqu’à la terrasse, elle se revit ce jour de mai 2025. La campagne avait été rude, mais c’était l’époque de tous les possibles. La France à genoux allait enfin se relever et les Français retrouver leur fierté noyée depuis des décennies dans un pays sans âme ni frontières.

Michèle Cotta und Robert Namias, Le brun et le rouge

Auf dem Bildschirm vor ihr strahlten die Nachrichtensender zum x-ten Mal den Nachruf des Polizeiministers aus. Mazaudet, Charlotte Despenoux, die beiden waren seit der Kampagne von 2025 so untrennbar miteinander verbunden, dass die Präsidentin beim Betrachten der Bilder glaubte, ihre eigene Geschichte zu sehen. Drei Jahre. Nur drei Jahre, hatte Charlotte gedacht, als sie das schwere Tor zum Park durchschritt. Als sie die Auffahrt zur Terrasse hinaufging, sah sie sich selbst wieder an jenen Tag im Mai 2025. Der Wahlkampf war hart gewesen, aber es war die Zeit der unbegrenzten Möglichkeiten. Das Frankreich auf den Knien würde endlich wieder aufstehen und die Franzosen würden ihren Stolz wiederfinden, der seit Jahrzehnten in einem Land ohne Seele und Grenzen ertränkt worden war.

d. Weitere Sonderformen des Präsidialromans wie Marc Dugains Wahlkampf-Politthriller Trilogie de l’emprise um den Parteichef Philippe Launay oder Patrick Rambauds zahlreiche satirische „Chroniken“ der französischen Präsidenten Sarkozy, Hollande und Macron bei Grasset sind kulturwissenschaftlich so aufschlussreich wie teilweise literarisch schwer zu bewerten. Mit den Jahren scheint Rambaud angesichts der Entwicklungen allerdings selbst das Lachen vergangen zu sein: „Mehr noch als Emmanuel I. ist es die Epoche, die ihn langweilt, ja sogar verzweifeln lässt. Es genügt, am Ende des Bandes seine vernichtende Replik auf die Bürgerin Virginie Despentes, „Madonna der Opfer“, zu lesen – die seine Nachbarin in der Académie Goncourt war und deren „wir stehen auf, wir verpissen uns, wir schreien und nerven euch!“ er verurteilt –, um seine allmähliche und chaplineske Abkehr von der modernen Zeit zu ermessen.“ 17

e. Beim memorialen Präsidialroman schließlich wird eine historische Person in den Mittelpunkt gestellt, mit der der Autor durchaus bekannt sein kann – hierzu rechne ich im Folgenden Yasmina Reza, Laurent Binet oder Philippe Besson –, so dass eine Identität von Erzählinstanz bzw. Figureninventar einerseits und politischer Gegenwart andererseits betont wird. Die Personalisierung des Literarischen wie des Politischen ergänzen hier einander.

De toute façon vous l’inventerez: Reza, Binet, Besson

Plus tard, je parle avec mon ami Marc dans un café.

De toute façon vous l’inventerez. Les écrivains ont en commun avec les tyrans de plier le monde à leur désir.

Je dis oui.

Yasmina Reza, L’aube le soir et la nuit

Später unterhalte ich mich mit meinem Freund Marc in einem Café.

Auf jeden Fall werden Sie ihn erfinden. Schriftsteller haben mit Tyrannen gemeinsam, dass sie die Welt nach ihren Wünschen biegen.

Ja, sage ich.

Yasmina Reza und Nicolas Sarkozy

Als Reza den Präsidentschaftskandidaten Nicolas Sarkozy ein Jahr lang für ihr Buch L’aube le soir et la nuit von 2007 begleitete, waren diverseste Erwartungen geweckt. Mirja Kuckuk fasste zusammen: „Die einen wollten ein messerscharfes Porträt lesen, die anderen sagenhafte Enthüllungen. Enttäuscht wurden beide. Intelligent, oberflächlich, ehrgeizig, ungeduldig, selbstverliebt, nervös und manchmal wie ein kleines Kind – so erlebte und beschreibt die Autorin ihr Sujet Sarkozy.“ 18 Wie in der teilnehmenden Kriegsberichterstattung des Journalismus gibt es auch engagiertere Teile wie den folgenden Auszug, aber die Autorin bleibt doch in einer distanzierten Beobachtung des Kandidaten.

Dans les pages « Rebonds » de Libération du 30 avril, une chronique intitulée, « Pour Ségolène Royal, contre Nicolas Sarkozy », et sous-titrée : « un appel d’intellectuels de gauche avant le second tour de la présidentielle ».

Je passe sur la faiblesse du texte car ce n’est pas mon sujet, pour m’intéresser aux signatures. Une centaine de noms, la plupart écrivains, metteurs en scène, comédiens, cinéastes, musiciens ou tout simplement « artistes ». Par quelle étrangeté, des gens dont la fantaisie est la raison d’être, dont la liberté et parfois la gloire consistent à s’être échappés du raisonnable, endossent avec cette gravité furieuse le statut d’intellectuel ?

Yasmina Reza, L’aube le soir et la nuit

Auf den „Rebonds“-Seiten von Libération vom 30. April findet sich eine Kolumne mit dem Titel „Für Ségolène Royal, gegen Nicolas Sarkozy“ und dem Untertitel „Ein Aufruf von Linksintellektuellen vor der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen“.

Ich übergehe die Schwäche des Textes, da dies nicht mein Thema ist, und wende mich den Unterschriften zu. Etwa hundert Namen, die meisten von ihnen Schriftsteller, Regisseure, Schauspieler, Filmemacher, Musiker oder ganz einfach „Künstler“. Wie seltsam ist es, dass Menschen, deren Daseinsberechtigung die Fantasie ist, deren Freiheit und manchmal ihr Ruhm darin besteht, dem Vernünftigen entflohen zu sein, mit diesem wütenden Ernst den Status eines Intellektuellen annehmen?

Die erfolgreiche Wahl erscheint in L’aube le soir et la nuit als regelrechte Alteration, man denke an Kantorowicz’ These politischer Theologie von den zwei Körpern des Königs:

Sous le soleil de midi, longeant le cercle des présents, les présidents serrent les mains. Le président élu me tend la main, et je la serre. Il est autre, et je suis autre aussi.

Yasmina Reza, L’aube le soir et la nuit

In der Mittagssonne, entlang des Kreises der Anwesenden, schütteln die Präsidenten Hände. Der gewählte Präsident reicht mir die Hand, und ich schüttle sie. Er ist jetzt ein anderer, und ich bin auch eine andere.

Laurent Binet legt 2012 sein Buch Rien ne se passe comme prévu über François Hollande vor, und auch hier finden sich neben erzählenden Passagen Beobachtungen und Analysen:

C’est là que je commence à percer l’un des secrets de sa rhétorique : dans le débat, François Hollande fonctionne comme au judo, c’est-à-dire qu’il utilise la force de l’adversaire. Il n’esquive pas les attaques mais au contraire les encaisse, les absorbe et les reprend à son profit. Le procédé a le mérite d’être à la fois spectaculaire et d’une grande élégance. Dans Libération, lorsque Nicolas Demorand l’accuse d’être un « Chirac de gauche inexpérimenté », il dit : « Un de ces mots est devenu président de la République. Ce n’est déjà pas si mal… » Le soir même, dans le documentaire sur la primaire, on lui demande de commenter ces propos de Fabius : « Franchement, vous imaginez Hollande président ? On rêve ! » Et lui de répondre, avec une ironie teintée de lyrisme : « Eh bien, je garde le mot : c’est un beau rêve. Je suis content qu’il y participe. » Enfin, le lendemain, lors des débats, il nous offre une version plus burlesque du procédé. Lorsqu’on lui rapporte une attaque de Ségolène Royal qui a dit : « Hollande, c’est un notable. Avec lui, c’est “dormez, braves gens !” », il répond gaiement : « Sur la question du sommeil, je le confirme, il faut dormir de temps en temps pour récupérer ! »

Laurent Binet, Rien ne se passe comme prévu

Hier beginne ich, eines der Geheimnisse seiner Rhetorik zu lüften: In der Debatte funktioniert François Hollande wie beim Judo, d. h. er nutzt die Kraft des Gegners. Er weicht den Angriffen nicht aus, sondern kassiert sie im Gegenteil, saugt sie auf und übernimmt sie zu seinen Gunsten. Das Verfahren ist spektakulär und elegant zugleich. Als Nicolas Demorand ihn in Libération beschuldigte, ein „unerfahrener linker Chirac“ zu sein, sagte er: „Eines dieser Worte ist Präsident der Republik geworden. Das ist schon nicht so schlecht…“. Am selben Abend wird er in der Dokumentation über die Vorwahlen gebeten, Fabius’ Worte zu kommentieren: „Ehrlich gesagt, können Sie sich Hollande als Präsident vorstellen? Man träumt!“ Darauf antwortete er mit lyrisch gefärbter Ironie: „Nun, ich behalte das Wort: Es ist ein schöner Traum. Ich bin froh, dass er daran teilnimmt.“ Am nächsten Tag schließlich, während der Debatte, bietet er uns eine burleske Version des Verfahrens. Als man ihm von einem Angriff von Ségolène Royal berichtete, die gesagt hatte: „Hollande ist ein Notar. Mit ihm heißt es ’Schlaft, ihr guten Leute!’“ Er antwortet gut gelaunt: „Was die Frage des Schlafs angeht, so bestätige ich, dass man ab und zu schlafen muss, um sich zu erholen!“.

Die Rezeption von Binets Präsidialroman war durchwachsen, so führte Pierre Jassogne einige Argumente der Debatte an, vor allem die fehlende ästhetische Freiheit, neue Einsichten der literarischen Fiktion zu bieten, mahnt er an: „Alles in allem ein schrecklich vorhersehbares Buch, das die bereits lange Liste der Essays und Dokumente über François Hollande ergänzen wird. Zweifellos ist die Ursache dafür eine allzu getreue Wiedergabe dessen, was Laurent Binet während dieser Kampagne gehört und gesehen hat. Denn dort, wo man wirklich hinter die Kulissen einer Präsidentschaftskampagne blicken möchte, dort, wo man von Laurent Binet erwartet hätte, dass er uns diese Kampagne auf unkonventionelle Weise präsentiert, wird der Autor vom Storytelling einer Kampagne eingeholt, wie man es in allen Zeitungen finden kann. Daher entsteht auch der Eindruck eines Buches, das nur die kleinen Sätze und Anekdoten festhält, eines Textes, der sich auf eine Zusammenstellung von Offs und Witzen zwischen Politikern und Journalisten beschränkt, eines Textes, der auch als eine Art Ventil erscheint, wie die zahlreichen Tweets, die diesen Wahlkampf geprägt haben.“ 19 Literatur verkümmert hier zum bloßen Spiegel eines Informationsflusses in Echtzeit über präsidiale Gesten, wie er Internet und Medien füllt: „Damit beteiligt sich Laurent Binet, ohne es zu wollen, an dieser „Peopolisierung“ der Politik, aber vor allem an dieser neuen Art, Informationen herzustellen und zu konsumieren, bei der man überall die gleichen Phrasen findet.“ 20

Philippe Besson mit Brigitte Macron

Philippe Besson macht keinen Hehl aus seiner Sympathie für Emmanuel Macron und der Freundschaft mit seiner Frau Brigitte. In Un personnage de roman von 2017 begleitet er den Wahlkampf des Kandidaten. 2018 wehrt sich der Schriftsteller gegen Vorwürfe des copinage, als er zum Konsul von Los Angeles ernannt wird. 21 Fast wie eine mythische Berufungsszene erzählt Besson, wie er zum Schreiben des Buches kam:

Le soir du 30 août, Emmanuel M. apparaît sur le plateau du journal télévisé. Il est 20 heures. Il se produit alors, en moi, une chose étrange. L’apparition provoque une illumination, une révélation. Je pense : cet homme sera président un jour. Et ce n’est pas à cause de ce qu’il dit, non, c’est à cause de l’image, de ce qui se dégage de l’image, en cet instant précis.

(Illumination, ai-je dit. Cela fait donc de moi un illuminé, j’en conviens.)

C’est cette impression d’irrésistible qui décide le livre. Je songe : je vais écrire l’histoire de l’homme qui devient président.

Très vite, cependant, mon élan mystique est corrigé par mon incurable lucidité et par les lois de la probabilité. Je me remémore les fondamentaux : on ne remporte pas une élection sans parti, sans troupes, sans argent, sans expérience, on ne remporte pas une présidentielle à trente-neuf ans.

Alors je me dis : je vais au moins écrire une aventure. Une aventure dont j’ignore l’épilogue, mais dont je sais déjà qu’elle sera faite d’étapes, de rebondissements, de péripéties, de risques, d’obstacles, de franchissements d’obstacles, de hasard, de nécessité. « La découverte passionnée de l’inconnu », disait Kundera.

Je vais écrire une espérance. Et dans l’espérance, on entend le souffle, l’exaltation, le bouillonnement, on redoute les désillusions.

Je vais écrire le destin d’un personnage et nous verrons bien s’il s’agit d’un destin fracassé, ou inabouti, ou accompli.

Philippe Besson, Un personnage de roman

Am Abend des 30. August erschien Emmanuel M. auf der Bühne der Nachrichtensendung. Es ist 20 Uhr. Da geschieht etwas Seltsames in mir. Die Erscheinung löst eine Erleuchtung, eine Offenbarung aus. Ich denke: Dieser Mann wird eines Tages Präsident sein. Und das liegt nicht an dem, was er sagt, nein, es liegt an dem Bild, an dem, was das Bild in diesem Moment ausstrahlt.
 
(Erleuchtung, habe ich gesagt. Das macht mich also zu einem Erleuchteten, da stimme ich zu).
 
Es ist dieser Eindruck des Unwiderstehlichen, der für das Buch entscheidet. Ich sinniere: Ich werde die Geschichte des Mannes schreiben, der Präsident wird.

Sehr schnell wird mein mysteriöser Impuls jedoch durch meine unverbesserliche Nüchternheit und durch die Gesetze der Wahrscheinlichkeit korrigiert. Ich besinne mich auf die Grundlagen: Man gewinnt keine Wahl ohne Partei, ohne Truppen, ohne Geld, ohne Erfahrung, man gewinnt keine Präsidentschaftswahlen mit neununddreißig Jahren.

Dann sage ich mir: Ich werde zumindest ein Abenteuer schreiben. Ein Abenteuer, dessen Epilog ich nicht kenne, von dem ich aber bereits weiß, dass es aus Etappen, Wendungen, Abenteuern, Risiken, Hindernissen, dem Überwinden von Hindernissen, dem Zufall und der Notwendigkeit bestehen wird. „Die leidenschaftliche Entdeckung des Unbekannten“, sagte Kundera.

Ich werde eine Hoffnung schreiben. Und in der Hoffnung hört man den Atem, das Hochgefühl, das Brodeln, man fürchtet die Desillusionierung.

Ich werde das Schicksal einer Figur schreiben, und wir werden sehen, ob es sich um ein zerschlagenes, oder ein unabgeschlossenes, oder ein erfülltes Schicksal handelt.

Houellebecq, Ritter der Ehrenlegion

Das Ende der fünfjährigen Amtszeit von Präsident Macron hat in Frankreich eine Flut von Bilanz ziehenden Büchern in die Buchhandlungen gespült, in einigen berichten auch Weggenossen oder Abtrünnige aus nächster Nähe. 22 Im Jahr 2019 hat der Präsident der Republik unter anderem Michel Houellebecq den Orden eines Ritters der Légion d’Honneur verliehen, der in Soumission die Wahl eines muslimischen Staatspräsidenten für 2022 vorausgesagt hatte und in Sérotonine eine Protestbewegung wie die Gelbwesten vorwegzunehmen schien. Wie Michael Wurmitzer betonte, macht Houellebecq allerdings in diesen narrativen Entwürfen „keine Zukunftsprognosen, sondern denkt Tendenzen seiner Gegenwart radikal weiter“. 23 Der neue Roman Anéantir stellt wiederum einen Präsidenten in den Mittelpunkt, unschwer erkennbar als Macron, der 2027 nicht wiedergewählt werden könnte:

La prochaine élection présidentielle aurait lieu dans moins de six mois maintenant, et le président, qui aurait été réélu sans difficulté, ne pouvait en aucun cas se représenter : depuis l’imprudente réforme constitutionnelle de 2008, nul ne pouvait exercer plus de deux mandats présidentiels consécutifs.

Michel Houellebecq, Anéantir

Die nächsten Präsidentschaftswahlen würden nun in weniger als sechs Monaten stattfinden, und der Präsident, der problemlos wiedergewählt worden wäre, durfte unter keinen Umständen erneut­ kandidieren: Seit der unklugen Verfassungsreform von 2008 durfte niemand mehr als zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten als Präsident ausüben­.

Unter den vergleichsweise wenigen Verrissen des Buches ist der von David Caviglioli im Nouvel Observateur bemerkenswert, der Präsident wird hier als „Machiavelli mit einer Tendenz in Richtung Putins“ bezeichnet, der politische Schachfiguren in Stellung bringt, um sich die Amtsgeschäfte zu sichern. 24 Adam Soboczynski liest den Roman wieder als Verfallsinszenierung, mehr Abgesang als Pamphlet: „Dass die Republik in diesem Roman am Abgrund steht, ist ausgemachte Sache. Die Demokratie ist nur noch eine lachhafte Veranstaltung, träge und unzeitgemäß. Die Nation driftet ins Populistische, und der Präsident soll in Zukunft durch die Abschaffung des Amtes des Premierministers eine weitaus dominantere Rolle einnehmen, als er sie in Frankreich ohnehin schon hat. Vielleicht kann die autoritäre Wendung den Zerfall, die Atomisierung des Westens aufhalten, diesen sogar revitalisieren. Die Protagonisten glauben es selbst nicht recht. In jedem Fall ist der Status quo nicht schützenswert.“ 25

Am traurigsten in Anéantir ist vielleicht die Marionette, die der Präsident für fünf Jahre einsetzen möchte, um dann wieder das Ruder übernehmen zu können. Benjamin Sarfati ist ein Star der Fernsehunterhaltung (tatsächlich hat ja Jean-Marie Bigard zeitweise eine Kandidatur erwogen). Judith von Sternburg diskutiert die politischen Konzeptionen von Houellebecqs Figureninventar: „Der Amtsinhaber setzt auf eine Verfassungsänderung und baldige Rückkehr. Eine „postdemokratische“ Entwicklung, wie Paul Raison ohne Aufregung feststellt. Er ist Juges Vertrauter und Berater – die Nachnamen bringen den Richter und die Vernunft zusammen, dass der auch literarisch aktive Le Maire zudem vor zwei Jahren das Buch „Paul – eine Freundschaft“ vorlegte, ist noch ein Wink, der in Frankreich interessiert. Nach ein paar Eingangskurven erweist Paul sich als Hauptfigur.“ 26 David Cavigliolis Fazit über den politisch durchaus vernetzten Houellebecq und seinen Roman klingt bitter: „Man erwartete einen Groschenroman, man findet sich mit einer macrongläubigen Fan-Fiction wieder, die Tagträumen eines Finanzinspektors würdig ist. Bruno Le Maire und Houellebecq kennen sich seit 2006. Als Kabinettschef von Dominique de Villepin hatte Le Maire Houellebecq geholfen […], heißt es in „Le Monde“. Diese Freundschaft wird am besten von Zemmour, wieder er, in einer Szene beschrieben, die auf einer 2019 von „Valeurs actuelles“ organisierten Party im Winterzirkus gesichtet wurde.“ 27

Michel Houellebecq dans „L’Emission politique“. Spéciale présidentielle, France 2, 4 mai 2017.

Abschließend noch ein Hinweis auf die grausame Bilanz der Macron-Jahre in Jean-Marc Parisis’ Roman On va bouger ce putain de pays von 2022. Cyril Crâmon, Investmentbanker und Enarque, hat hier als Dreißiger den Ehrgeiz, Präsident zu werden:

Crâmon à une fenêtre du bureau d’angle donnant sur le jardin, les arbres, les fleurs… « J’ai menti, oui, les yeux dans les yeux, j’ai menti. J’ai menti comme tout le monde à tout le monde. Et alors, quelle importance ? Les gens ne me croient plus, mais ils ne croient plus personne, plus à rien, nulle part. Ils ne croient même plus à ce qu’ils se racontent chez eux, dans leur lit ou ailleurs. Va parler d’avenir à des gens obsédés par l’Apocalypse, la mort de la planète, du travail, des Blancs, de la littérature, la mort de toutes et tous. Tu as vu le tableau chez les hommes ? Les seniors : des andropausés en Stan Smith. Les jeunes : des agneaux ou des dingos. La jeunesse, elle n’existe plus. La jeunesse, elle était à gauche… J’ai menti, oui, mais moins que les ministres. J’ai menti à des menteurs qui ne cessent de mentir sur moi… Le Braqueur, le Bankster, l’Imposteur, le Tyran, le Jupiter, l’Oligarque, le Pédé, le Fils à maman, l’Impuissant sans enfants, le Fossoyeur du pays, la Marionnette de l’État profond, le Traître et le Néantisé, le Psychopathe… N’en jetez plus ! J’ai tout joué. En cinq ans, je suis passé du Surdoué au Naze intégral. On me taxe de démesure, de sociopathie, d’hybris ! Pauvres cons, c’est la psychologie et la fonction présidentielles qui sont démesurées, hors norme ! Quel président digne de ce nom ne tenterait pas de sauver son pays par des réformes ou la vaccination ? Quel président négligerait de réparer les destins ? J’en connais, j’en ai connu. Je paie plus de vingt ans de présidence mesurée. Depuis Mitterrand… La vérité, Quentin, elle est de circonstances, comme toujours. La vérité, c’est que le programme sur lequel j’ai été élu est saboté depuis deux ans par un virus auquel personne ne comprend rien. Deux ans, presque la moitié du quinquennat. C’est sans précédent. Aucun chef d’État n’a été empêché à ce point, aucun n’a été autant critiqué, moqué, sarcasmé, exécré aussi injustement, aussi bestialement. On me tutoie, on me flanque des baffes, on me lance des œufs, on me grime en Hitler. Baba a peur, on me conseille de porter un gilet pare-balles… Mais toute passion est réversible. Les offenseurs compatiront, les injustes réhabiliteront, les haineux adoreront. Je les mènerai tous à résipiscence. Je ne lâcherai rien. »

Jean-Marc Parisis, On va bouger ce putain de pays

Crâmon an einem Fenster des Eckbüros mit Blick auf den Garten, die Bäume, die Blumen … „Ich habe gelogen, ja, Auge in Auge, ich habe gelogen. Ich habe wie jeder andere jeden angelogen. Was macht das schon? Die Leute glauben mir nicht mehr, aber sie glauben niemandem mehr, nichts, nirgends mehr. Sie glauben nicht einmal mehr an das, was sie sich zu Hause, im Bett oder sonst wo erzählen. Geh und rede mit Leuten über die Zukunft, die von der Apokalypse besessen sind, dem Tod des Planeten, der Arbeit, der Weißen, der Literatur, dem Tod von allen und jedem. Hast du das Bild bei den Männern gesehen? Die Senioren: Männer mit Andropause à la Stan Smith. Die Jugend: Lämmer oder Spinner. Die Jugend, sie existiert nicht mehr. Die Jugend: Sie war links … Ich habe gelogen, ja, aber weniger als die Minister. Ich habe Lügner angelogen, die nicht aufhören, über mich zu lügen… Der Räuber, der Bankster, der Hochstapler, der Tyrann, der Jupiter, der Oligarch, die Schwuchtel, das Muttersöhnchen, der kinderlose Impotent, der Totengräber des Landes, die Marionette des tiefen Staates, der Verräter und der Verneiner, der Psychopath… Schluss damit! Ich habe all das gespielt. Innerhalb von fünf Jahren habe ich mich vom Überflieger zum Vollnazi entwickelt. Man beschuldigt mich der Maßlosigkeit, der Soziopathie, der Hybris! Die präsidiale Psychologie und die Amtsfunktion sind maßlos, nicht der Norm entsprechend! Welcher Präsident, der diesen Namen verdient, würde denn nicht versuchen, sein Land durch Reformen oder Impfungen zu retten? Welcher Präsident würde es versäumen, Schicksale geradezurücken? Ich kenne solche Menschen, ich habe solche Menschen gekannt. Ich zahle für mehr als zwanzig Jahre maßvoller Präsidentschaft. Seit Mitterrand… Die Wahrheit, Quentin, ist wie immer den Umständen geschuldet. Die Wahrheit ist, dass das Programm, auf dessen Grundlage ich gewählt wurde, seit zwei Jahren von einem Virus sabotiert wird, den niemand versteht. Zwei Jahre, fast die Hälfte der fünfjährigen Amtszeit. Das ist beispiellos. Kein Staatschef wurde so sehr behindert, keiner wurde so sehr kritisiert, verspottet, sarkasiert, so ungerecht, so bestialisch verabscheut. Ich werde geduzt, geohrfeigt, mit Eiern beworfen und als Hitler verunglimpft. Baba hat Angst, man rät mir, eine kugelsichere Weste zu tragen… Aber jede Leidenschaft ist umkehrbar. Die Beleidiger werden Mitleid haben, die Ungerechten werden rehabilitieren, die Hasser werden anbeten. Ich werde sie alle zur Einsicht bringen. Ich werde nicht locker lassen.“

Der Provinzler mit Studium an der Sciences Po, Quentin Ixe, der sein vorheriges politisches Idol über einen Sexskandal hatte stürzen sehen, wird mit politischem Marketing und den Neuen Medien ein Steigbügelhalter für Cyril Crâmon, muss dann aber als Sonderberater des Präsidenten den Absturz dieser Welt erleben, mit diversen Affären, den Protesten der Gelbwesen, islamistischen Attentaten und Epidemien. Olivier Monys Besprechung dieses Abgesangs auf ein Quinquennat lässt an ein überdrehtes Theaterstück denken: „Es könnte sich also nur um eine weitere politische Posse in einer Zeit handeln, die reich an politischen Possen zu sein verspricht. Und doch ist On va bouger ce putain de pays weit mehr als das. Parisis entfaltet seine ganze Verve, aber auch eine gewisse und angenehme Form von Zärtlichkeit, die um ihre Figuren besorgt ist. Er extrahiert aus diesem Stoff das, was ihn universal macht, und zwar, wie gesagt, zunächst einmal literarisch. Der Leser mag manchmal an eine Art italienische Komödie denken, die vielleicht absichtlich übertrieben ist, aber aus der die Figuren des Grotesken hervorstechen. Diese jungen Helden sind bereits alt, bevor die Ausübung der Macht sie dazu bringt, alt zu sein. Darin steckt natürlich viel Lächerliches und schließlich vielleicht auch ein wenig von unserer allgemeinen Menschlichkeit.“ 28

Der französische Präsidialroman hat sich in den letzten 15 Jahren zu einer lebendigen Gattung entwickelt, offensichtlich gibt es in der Aufmerksamkeitsökonomie der Wahlkampagnen, aber auch im Verhältnis von Literarizität und Engagement einen Bedarf an komischen, düsteren oder kühlen Entwürfen der politischen Kultur der Republik. Die Texte, die in dieser breiten Schau nur kurz skizziert werden konnten, sind bis auf wenige Ausnahmen nicht ins Deutsche übersetzt, sie bilden für landeswissenschaftliche Einblicke und vergleichende Politikwissenschaften ein durchaus wertvolles Korpus. Literaturwissenschaftlich müsste man sie einerseits um Auftragsbiographien und politische Programmschriften der Präsidentschaftskandidaten, andererseits um politische Romane jenseits des Präsidialromans ergänzend lesen und auch die öffentlichen Debatten, die diese narrativen Gesellschaftsentwürfe provozieren, miteinbeziehen. Die Schriftsteller (teilweise selbst aus Politologie oder Politikbetrieb stammend) nehmen damit teil an der res politica als republikanische Literatur im extensiven Sinne, zwischen Pamphlet und Sachbuch, Biographie und Sittenbild. Denken wir zum Schluss an Jean Pauls deutschen Staatsroman Titan um 1800, wo der Protagonist Albano ja in der Konfrontation mit gescheiterten, weil zu einseitigen Figuren doch letztlich eine harmonische Bildung zum gereiften politischen Subjekt entwickeln soll, wird klar, dass dagegen der französische Präsidialroman des 21. Jahrhunderts sich idealistisches Bekenntnis und utopischen Gehalt kaum leisten will – oder kann. Denn er entwirft weitgehend ein Bild des Politischen ex negativo, oder wie Winston Churchill konzediert hat: „Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen – abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.“ 29

Auswahlbibliographie

  • Barré, Jean-Luc. Le corps d’origine: roman. Paris: Grasset, 2021.
  • Besson, Philippe. Un personnage de roman. Paris: Julliard, 2017.
  • Binet, Laurent. Rien ne se passe comme prévu. Paris: Grasset, 2012.
  • Boniface, Pascal. Le bateau ivre. Paris: Armand Colin, 2021.
  • Cotta, Michèle und Robert Namias. Le brun et le rouge: roman. Paris: Laffont, 2020.
  • Debré, Jean-Louis. La Rumeur: roman. Paris: Laffont, 2020.
  • Dugain, Marc. L’emprise: roman. Trilogie de l’emprise 1. Paris: Gallimard, 2014.
  • Dugain, Marc. Quinquennat: roman. Trilogie de l’emprise 2. Paris: Gallimard, 2015.
  • Dugain, Marc. Ultime partie: roman. Trilogie de l’emprise 3. Paris: Gallimard, 2016.
  • Gaetner, Gilles. Le Monde selon Zemmour: récit imaginaire d’un rêve brisé. Mareuil, 2022.
  • Houellebecq, Michel. Soumission. Paris: Flammarion, 2015.
  • Houellebecq, Michel. Anéantir. Paris: Flammarion, 2022.
  • Jupiter. L’élection de la dernière chance: Une campagne électorale pour sauver la France. Jupiter, 2021.
  • Macé-Scaron, Joseph. La surprise du chef. L’Observatoire, 2021.
  • Monluc, Blaise de, Les 155 jours de Marine Le Pen : Histoire du 1er gouvernement – Rassemblement national (24 juin – 29 novembre 2022), Archipel, 2021.
  • Parisis, Jean-Marc. On va bouger ce putain de pays. Paris: Fayard, 2022.
  • Philippe, Édouard und Gilles Boyer. Dans l’ombre: roman. Paris: JC Lattès, 2011.
  • Rambaud, Patrick. Chronique du règne de Nicolas Ier. Paris: Grasset, 2008.
  • Rambaud, Patrick. Deuxième chronique du règne de Nicolas Ier. Paris: Grasset, 2008.
  • Rambaud, Patrick. Troisième chronique du règne de Nicolas Ier. Paris: Grasset, 2009.
  • Rambaud, Patrick. Quatrième chronique du règne de Nicolas Ier. Paris: Grasset, 2010.
  • Rambaud, Patrick. Cinquième chronique du règne de Nicolas Ier. Paris: Grasset, 2012.
  • Rambaud, Patrick. Tombeau de Nicolas Ier et avènement de François IV. Paris: Grasset, 2013.
  • Rambaud, Patrick. François le Petit: Chronique d’un règne. Paris: le Grand livre du mois, 2015.
  • Rambaud, Patrick. Chronique d’une fin de règne. Paris: Grasset, 2017
  • Rambaud, Patrick. Emmanuel le magnifique: Chronique d’un règne. Paris: Bernard Grasset, 2019.
  • Rambaud, Patrick. Les cinq plaies du royaume: Deuxième chronique du règne d’Emmanuel Ier. Paris: Grasset, 2020.
  • Reza, Yasmina. L’aube le soir ou la nuit. Paris: Flammarion, 2007.
  • Roquin, Charles. Le roi. Cherche Midi, 2022.
  • Spector, David. 7500 euros: Pastiches politico-littéraires. Wombat, 2022.
  • Tanguy, Marie. Confusions. Paris: JC Lattès, 2020.

Kai Nonnenmacher

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Anmerkungen
  1. „Il existe en France une science humaine qui mêle l’art oratoire, le théâtre, le ballet et le cinéma. Cette marmite culturelle a pour nom la politique. Tous les cinq ans, à l’approche de l’élection présidentielle, elle se met à bouillir pour le plus grand bonheur des politologues et des romanciers. Les premiers se font graves et décrivent ; les seconds, plus légers, écrivent.“ Jean-Christophe Buisson, „La politique du rire“, Le Figaro, 4. Juni 2021.>>>
  2. Dt. Kulturrat, „Aufwertung: SPD will Kulturminister im Kanzleramt“, kulturrat.de, 29. August 2021.>>>
  3. Konstantin Richter, Die Kanzlerin: eine Fiktion, Kein & Aber Verlag, Zürich 2017.>>>
  4. David Hugendick, „Gefangen in Merkel“, Die Zeit, 12. April 2017.>>>
  5. Vgl. etwa Realities and Fantasies of German Female Leadership: From Maria Antonia of Saxony to Angela Merkel. Hrsg. von Elisabeth Krimmer und Patricia Anne Simpson. Women and Gender in German Studies. Camden House, 2019; Maaike Bleeker, „Being Angela Merkel“, in The Rhetoric of Sincerity, hrsg. von Ernst van Alphen, Mieke Bal und Carel Smith, Stanford: Stanford University Press, 2009, 247–262.>>>
  6. Eric Zemmour, La France n’a pas dit son dernier mot. Rubempré & Vautrin, 2021.>>>
  7. Johan Faerber, Le grand écrivain, cette névrose nationale. Paris: Pauvert, 2021.>>>
  8. Johan Faerber, Le grand écrivain, cette névrose nationale. Paris: Pauvert, 2021.>>>
  9. „Être un Grand homme politique et être un Grand écrivain en même temps, tel est le rêve qui, depuis Napoléon, tient la vie politique et littéraire française en haleine. C’est le fantasme absolu du Vieux siècle que de faire coïncider pouvoir politique et littéraire en une seule et même personne, comme si le pouvoir pouvait être éclairé comme jamais par la puissance supposée de l’écriture. Hugo en rêvait. Lamartine en rêvait. Chateaubriand en rêvait. Les exemples ne manquent pas qui vibrent de cette union comme sacrée et hautement prestigieuse, entre la tête et les jambes pour en somme obtenir le corps suprême : celui du Guide, du Mage.“ Christine Marcandier, Entretiens avec Johan Faerber : « Le Grand écrivain est la poursuite de la politique par d’autres moyens », Diacritik, 10 mars 2021.>>>
  10. „L’exigence de transparence, pour tous les citoyens quels qu’ils soient, est une des clefs de voûte de la démocratie. Cela induit que celles et ceux qui par leurs agissements contreviennent à la loi doivent être sanctionnés. Mais cela suppose le respect de règles de droit, de procédure pour que les victimes aient la faculté de déposer plainte et les mis en cause, de faire entendre leur point de vue. C’est au juge de fixer les responsabilités des uns et des autres. La transparence, ce n’est pas ce à quoi nous assistons. La rumeur remplace la preuve, la dénonciation unilatérale se substitue au débat contradictoire, écarte la présomption d’innocence, la condamnation sans jugement est unilatérale, publique, même lorsque la justice a tranché. Où est l’autorité de la chose jugée ? Nous ne sommes plus dans le cadre d’une procédure qui se doit de respecter les différentes parties, qui repose sur une enquête judiciaire, mais dans une démarche de vengeance, de revanche. Où est l’exigence de transparence de la part de ceux et celles qui la réclament ? Les justiciers remplacent les juges. L’histoire montre où tout cela peut mener.“ Jean-Louis Debré in Mathieu Delahousse, „Balance ton porc : La presse n’instruit pas comme un juge d’instruction“, Nouvel Observateur, 15. Februar 2018.>>>
  11. „Qui est à l’origine de la rumeur selon laquelle le chef de l’Etat, malgré son jeune âge, serait gravement malade et peut-être empêché de se représenter ? Le monde politique est en ébullition, où beaucoup ont intérêt à entretenir ce bruit à la veille de la nouvelle élection présidentielle.“ Verlagsankündigung Laffont des Buchs.>>>
  12. „Comment vont se situer les différents protagonistes, ballotés entre convictions, croyances, positionnements tactiques et intérêts à court terme ? Décrivant de façon hyperréaliste cet emballement implacable, Pascal Boniface nous entraîne dans un récit captivant où se mêlent situations tragiques, portraits savoureux et rebondissements surprenants.“>>>
  13. „Un roman certes, mais tellement vrai ! Pascal Boniface, excellent géopolitologue, nous dévoile son talent d’écrivain, avec un premier roman captivant du début jusqu’à la fin. A travers les pages on découvre une analyse fine et tellement pertinente des politiques, journalistes, polémistes, pseudo-experts, universitaires…personne n’est épargné.“>>>
  14. „Guillaume Roussel, le meneur du Corps d’origine, est un spécialiste du double jeu : tout, dans sa panoplie publique – homme politique de belle probité et bon père de famille catholique –, est fumée et tricherie. Une duplicité qui a bien réussi à cet énarque, ex-Premier ministre et grand favori, sous les couleurs de la Droite populaire, de l’élection présidentielle à venir. Mais, voilà, à un peu plus d’un mois de l’échéance, une mauvaise rumeur surgit : il serait impliqué dans l’assassinat d’un escort-boy marocain. Son entourage se délite, l’hallali est sonné, seuls son redoutable avocat et son épouse, pas si effacée que cela, lui restent fidèles. Avouons-le, rien n’est très moral dans cette histoire, ce qui la rend d’autant plus réjouissante.“ Marianne Payot, „Les livres à ne pas manquer“, L’Express, 22. Mai 2021.>>>
  15. „« Confusions », le roman-témoignage qui raconte la machine Macron de l’intérieur“, Nouvel Observateur, 15. September 2020.>>>
  16. „Marie Tanguy, ancienne plume du candidat Macron, l’étrille : « On en est restés à des slogans creux »“, Nouvel Observateur, 22. September 2020.>>>
  17. „Plus encore qu’Emmanuel 1er, c’est l’époque qui l’ennuie, voire le désespère. Il suffit de lire, en fin de volume, sa réplique cinglante à la citoyenne Virginie Despentes, « madone des victimes », qui fut sa voisine à l’Académie Goncourt, dont il condamne le « on se lève, on se casse, on gueule et on vous emmerde ! », pour mesurer son éloignement progressif et chaplinesque des temps modernes.“ Jérôme Garcin, „Macron, Gilets Jaunes, Despentes… Rambaud ne rigole plus“, Le Nouvel Observateur, 12. Oktober 2020.>>>
  18. Mirja Kuckuk, „Als ob es kein Gestern gäbe“, Süddeutsche Zeitung, 19. Mai 2010.>>>
  19. „Un livre terriblement prévisible en somme, qui viendra compléter la liste déjà longue des essais et documents sur François Hollande. Sans doute la cause d’une restitution trop fidèle de ce que Laurent Binet a entendu et vu pendant cette campagne. Car là où l’on voudrait vraiment entrer dans les coulisses d’une campagne présidentielle, là où l’on attendait Laurent Binet pour nous présenter cette campagne de façon décalée, l’auteur se voit rattraper par le story telling d’une campagne, tel que l’on peut le retrouver dans tous les journaux. D’où l’impression également d’un livre qui ne retient que les petites phrases, les anecdotes, un texte qui se limite à une compilation de offs et de blagues entre politiques et journalistes, un texte qui apparaît aussi comme une espèce de défouloir à l’image des nombreux tweets qui ont marqué cette campagne.“ Pierre Jassogne, „Laurent Binet, un écrivain „embarqué““, nonfiction.fr, 4. September 2012.>>>
  20. „En cela, Laurent Binet participe, sans le vouloir, à cette „peopolisation“ de la politique, mais surtout à cette nouvelle façon de fabriquer et consommer l’information, où l’on retrouve les mêmes phrases partout.“ Pierre Jassogne, „Laurent Binet, un écrivain „embarqué““, nonfiction.fr, 4. September 2012.>>>
  21. Besson consul à Los Angeles: Macron récuse tout „copinage“, L’Express, 30.8.2018>>>
  22. Vgl. z.B. Grégoire Poussielgue, „Le mandat de Macron par ceux qui l’ont vécu“, Les Echos, 15. November 2021, 11.>>>
  23. Michael Wurmitzer, „Selbstabschaffung von innen“, Der Standard, 11. Januar 2022, 21.>>>
  24. „Le chef de l’Etat qui achève son deuxième mandat pourrait bien être Macron, mais il n’est jamais nommé. Si c’est bien lui, le portrait n’est pas flatteur. Il apparaît en Machiavel tendance Poutine, qui rêve d’un régime présidentiel authentique et qui, en attendant de pouvoir de nouveau se présenter à la magistrature suprême, met ses pions en place pour assurer l’intérim. „ David Caviglioli, „« Anéantir », le roman de Houellebecq, le plus politisé, le plus catholique et… le plus raté“, Le Nouvel Observateur, 4 janvier 2022.>>>
  25. Adam Soboczynski, „So schön stirbt das Abendland“, Die Zeit, 13. Januar 2022, 49.>>>
  26. Judith von Sternburg, „Die perfekte Zeit zum Sterben“, Frankfurter Rundschau, 8. Januar 2022, 28.>>>
  27. „On attendait un roman cagoulard, on se retrouve avec une fan fiction macronolâtre, digne des rêveries diurnes d’un inspecteur des finances. Bruno Le Maire et Houellebecq se connaissent depuis 2006. Directeur de cabinet de Dominique de Villepin, Le Maire avait aidé Houellebecq pour « une histoire de douane et de chien », lit-on dans « le Monde ». Cette amitié, c’est Zemmour, encore lui, qui en parle le mieux, dans une scène aperçue lors d’une soirée organisée en 2019 par « Valeurs actuelles » au Cirque d’Hiver.“ David Caviglioli, „« Anéantir », le roman de Houellebecq, le plus politisé, le plus catholique et… le plus raté“, Le Nouvel Observateur, 4 janvier 2022.>>>
  28. „Ce pourrait donc n’être qu’une pochade politique de plus en une période qui promet d’en être riche. Et pourtant, On va bouger ce putain de pays est bien plus que cela. Parisis y déploie toute sa verve, mais aussi une certaine et plaisante forme de tendresse navrée autour de ses personnages. Il extrait de cette matière ce qui l’universalise, et d’abord, on l’a dit, littérairement. Le lecteur peut parfois penser à une sorte de comédie à l’italienne, volontairement excessive peut-être, mais dont ressortent les figures du grotesque. Ces jeunes héros sont déjà vieux avant que l’exercice du pouvoir ne les amène à l’être. Il y a là-dedans beaucoup de ridicule bien sûr et également, finalement, peut-être un peu de notre humanité commune.“ Olivier Mony, „Des jeunes gens trop vieux“, Livres hebdo, 5. Januar 2022.>>>
  29. „Indeed, it has been said that democracy is the worst form of government except all those other forms that have been tried from time to time.“ Winston Churchill, Rede vor dem Unterhaus am 11. November 1947, Sitzungsprotokoll.>>>