Uchronie und Heil: Emmanuel Carrère

Emmanuel Carrère beschreibt Jahrzehnte nach der Publikation seines Buchs „Le Détroit de Behring“ (1986, dt. „Kleopatras Nase: kleine Geschichte der Uchronie“, 1993.) in seiner Wiederveröffentlichung von 2025, „Uchronie“, mit eigenem Vorwort, seine Bewegung als eine von der Imagination zur Akzeptanz, vom Spiel zur Verantwortung, vom uchronischen Möglichkeitsüberschuss zur gelebten Realität. Die Uchronie bei Carrère ist nicht nur Gattungsbezeichnung, sondern auch ein poetologischer Kommentar: Der Text selbst ist eine Uchronie, reflektiert aber zugleich, was eine Uchronie leisten kann – und wo ihre Grenzen liegen, etwa in seinen Büchern „La Moustache“ oder „Le Royaume“.

Schiff aus offenem Meer: Philippe Sollers

Philippe Sollers ist am 6. Mai 2023 in Paris gestorben, mit 86 Jahren. Die ersten Todesmeldungen in Deutschland beziehen sich weitgehend nur auf „Femmes“, ein Buch, mit dem der Autor und Literaturtheoretiker 1983 eine zugänglichere Form des Schreibens gefunden hatte. Bücher des 21. Jahrhunderts bleiben zu entdecken: „Passion fixe“ (2000), „Un amour américain“ (Mille et une nuits, 2001), „L’Étoile des amants“ (2002), „Une vie divine“ (2005), „Un vrai roman : mémoires“ (Plon, 2007), „Les Voyageurs du temps“ (2009), „Trésor d’amour“ (2011), „L’Éclaircie“ (2012), „Médium“ (2013), „L’École du mystère“ (2015), „Mouvement“ (2016), „Beauté“ (2017), „Centre“ (2018), „Le Nouveau“ (2019), „Désir“ (2020), „Légende“ (2021), „Graal“ (2022).

Die Öffnung der Höhle: Pierre Michon

Nach einem Vierteljahrhundert veröffentlicht Pierre Michon auf Basis des viel gelobten Textes „La Grande Beune“ 2023 nun ein Diptychon, den Roman „Les deux Beune“, mit einem zweiten Teil des obsessiven Begehrens eines jungen Lehrers in einer Welt vorzeitlicher Höhlen der Dordogne.