Manierismus als Symptom: Laurent Binet
Laurent Binets „Perspective(s)“ ist ein historischer Kriminalroman als polyperspektivischer Briefroman, der sich in die ästhetischen, politischen und erkenntnistheoretischen Debatten im Italien des 16. Jahrhunderts vertieft, dabei jedoch eine eminent moderne Frage stellt: Wie konstruiert sich Wahrheit im Zusammenspiel von Perspektive, Macht und Medium? Wie kann Kunst – sei sie gemalt oder erzählt – aufrichtig und gleichzeitig wirksam sein? Die Perspektive bildet dabei einen epistemologischen Leitfaden und stilistischen Organisationsmodus. Sie steht zugleich für den maltechnischen Durchbruch der Renaissance wie für dessen manieristische Verformung und Verunsicherung, aber auch für den erzählstrategischen Zugriff Binets, der als „Übersetzer“ alter Briefe auftritt und damit sowohl Historiographie als auch Fiktion als narrative Konstrukte entlarvt.