Drei Körper, drei Epochen

Lorenzo ist ein junger Renaissancemaler, der die Kunst revolutionieren will, während er seiner Suche nach Schönheit nachgeht und seine Leidenschaften auslebt. Was Baptiste betrifft, so gehört er einer geregelten Bourgeoisie an. Im Mai 1968 strebt er nach mehr Freiheit, vor allem aber nach mehr Exzessen. Tahar schließlich ist nach Frankreich geflüchtet und möchte eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten. „Jeder versucht um jeden Preis, sein Ziel zu erreichen: Schönheit zu erreichen, die Welt auf den Kopf zu stellen oder dem Exil einen Sinn zu geben. Auch wenn Zeiten und Orte sie trennen, werden diese Wesen von der gleichen Erregung durchzogen: dem Feuer der Leidenschaft.“ (Verlagstext)

Die Triptychen ihrer Körperteile ergeben die Struktur des Textes: I. Die Hand – II. Die Brust – III. Das Handgelenk – IV. Die Nase – V. Schultern – VI. Das Auge – VII. Die Augenbraue – VIII. Der Brustkorb – IX. Oberschenkel – X. Lippen – XI. Wangen – XII. Speiseröhre – XIII. Leber – XIV. Das Kinn – XV. Der Rücken – XVI. Stimmbänder – XVII. Das Gesäß – XVIII. Schweiß – XIX. Tränen – XX. Das Herz – XXI. Seele.

Je m’extirpe péniblement de l’eau pour atteindre le bord. Devant moi, quelques corps rougis, blanchis çà et là, tachés de crème solaire, des touristes qui espéraient passer leurs vacances tranquilles et à moindre coût au mois de septembre, quand les littoraux sont plus vides qu’en août. Ils nous dévisagent tels des fantômes d’algues, chuchotent à notre passage comme si nous gâchions quelque chose, une fête peut-être, ou bien le cours normal des choses. Je titube. Mon pied gauche projette du sable mouillé sur la serviette d’un homme gras qui me fusille du regard. Une main inconnue jette, tel un filet de pêche, une couverture qui, au lieu de me protéger, m’écrase, m’alourdit. On dirait du papier d’aluminium, des écailles, ou bien de la feuille d’or très légère, craquelée, qui crisse, produit d’invisibles étincelles. Je ne comprends pas ce que vient faire sur mes épaules cette cape étrange. Suis-je tout au fond de l’eau, déguisé en poisson parmi les araignées de mer ? Ou bien à la surface, chevalier d’un temps oublié, venu ici pour participer à d’anciennes cérémonies ? Sirène exclue du ventre de la baleine ? Je mélange tout. J’ai du mal à respirer, à avancer. J’ai du mal à me trouver. J’ai l’impression de m’enfoncer dans le sable. Difficile de marcher à cause de cette cape qui m’asservit. La main qui m’a couverte me tient comme si j’étais un fardeau. Un fardeau très léger. Elle me parle dans une langue que je ne connais pas, que je ne comprends pas. J’ai un peu de sang dans la bouche, j’ai dû me mordre à l’intérieur. Je ploie sous cette étrange peau. Je m’approche de mon ombre. Je pourrais la frôler par le menton. Sous mon corps épuisé, l’Europe a commencé.

Boris Bergmann, Les Corps insurgés

Ich habe Mühe, aus dem Wasser herauszukommen, um das Ufer zu erreichen. Vor mir ein paar gerötete Körper, hier und da bleichhäutig, mit Spuren von Sonnencreme, Touristen, die hofften, im September, wenn die Küsten leerer sind als im August, ruhig und günstig Urlaub machen zu können. Sie starren uns an wie Geister aus Seetang, flüstern einander bei unserem Vorbeigehen zu, als würden wir etwas ruinieren, eine Party vielleicht, oder den normalen Lauf der Dinge. Ich bin erschüttert. Mein linker Fuß wirft nassen Sand auf das Handtuch eines dicken Mannes, der mich anstarrt. Eine unbekannte Hand wirft, wie ein Fischernetz, eine Decke, die mich, anstatt mich zu schützen, zerdrückt und schwer macht. Sie sieht aus wie Aluminiumfolie, Schuppen oder sehr leichtes, rissiges, quietschendes Blattgold, das unsichtbare Funken erzeugt. Ich verstehe nicht, was dieser seltsame Umhang auf meinen Schultern macht. Befinde ich mich auf dem Grund des Wassers, verkleidet als Fisch unter den Seespinnen? Oder bin ich an der Oberfläche, ein Ritter aus einer vergessenen Zeit, der hierher kommt, um an alten Zeremonien teilzunehmen? Sirene aus dem Bauch des Wals ausgeworfen? Ich bringe alles durcheinander. Ich habe Probleme beim Atmen, beim Vorwärtskommen. Ich habe Schwierigkeiten, mich selbst zu finden. Ich habe das Gefühl, im Sand zu versinken. Es ist schwer zu gehen, wegen dieses Umhangs, der mich versklavt. Die Hand, die mich bedeckte, hält mich, als wäre ich eine Last. Eine sehr leichte Last. Man spricht zu mir in einer Sprache, die ich nicht kenne, die ich nicht verstehe. Ich habe ein bisschen Blut im Mund, ich muss mich in die Backe gebissen haben. Ich gehe gebeugt unter dieser seltsamen Haut. Ich nähere mich meinem Schatten. Ich könnte es mit dem Kinn streifen. Unter meinem erschöpften Körper hat Europa begonnen.

Kai Nonnenmacher

Kontakt