Rose Lamys Essay Ascendant beauf (Aszendent Spießer, Seuil, 2025) befasst sich mit der sozialen Verachtung und Klassendominanz in Frankreich, insbesondere durch die Analyse der abfällig gebrauchten Figur des „Beauf“, Inbegriff des peinlichen unkultivierten Spießertums. Lamy führt das Konzept der „kulturellen Gentrifizierung“ ein, bei dem dominante Klassen populäre kulturelle „Territorien“ (wie Chansons oder Orte wie PMU-Bars, also Bars mit Wettbüro) annektieren, ihre populäre Natur auslöschen und sie durch eine bürgerliche Linse neu definieren. Sie fühlt sich durch solche Prozesse „verletzt“, da sie ihren kulturellen Vorlieben die Authentizität absprechen und sie aus dem Bereich der „Eleganz“ ausschließen. Die Autorin verknüpft persönliche Erfahrungen der Klassendemütigung – wie die Abwertung ihres Musikgeschmacks für Joe Dassin – mit einer soziologischen Untersuchung der Mechanismen, die diese Stigmatisierung aufrechterhalten. Lamy kritisiert dabei auch Teile der Linken, die durch Elitismus und „Parisianismus“ zur Entfremdung von den classes populaires und zur Etablierung des „Beauf“-Stereotyps beigetragen haben. Lamy kritisiert die Verachtung gegenüber der französischen Provinz und ihren Bewohnern, die oft als „Ploucs“ (Hinterwäldler) oder „Bouseux“ (Dorfdeppen) dargestellt werden. Sie prangert Filme an, die ländliche Charaktere als „Karikaturen, dumm, dreckig“ zeigen und in einer Realität „ohne Staat“ oder öffentliche Dienste angesiedelt sind, was schädliche Stereotypen verfestigt.

Der Begriff „Beauf“ ist höchstwahrscheinlich eine Kurzform von „beau-frère“ (Schwager). Er wurde 1972 vom Comiczeichner Cabu (d.i. Jean Cabut) als Comicfigur erfunden. Der Begriff „Beauf“ wird von Lamy als Instrument beschrieben, das von den dominierenden Klassen verwendet wird, um die populären Klassen zu stigmatisieren und zu „entmenschlichen“. Der „Beauf“ wird im Gegensatz zum „Grand Duduche“ beschrieben, dem träumerischen Gymnasiasten, Pazifisten und Öko, einer Figur, die der Comiczeichner Cabu als sein Selbstporträt schuf. Der Duduche ist idealistisch, humanistisch, gebildet, nicht gewalttätig, offen, feministisch, antirassistisch, wählt links oder extrem links. Dies verdeutlicht die dichotome Sichtweise. Cabu verwendete Duduche bis zu seiner Ermordung im Jahr 2015 weiterhin in seinen Zeichnungen. Gérard Mauger, ein Soziologe, schlägt vor, dass der Begriff auch von B.O.F. (Beurres, Œufs, Fromages – Butter, Eier, Käse) abgeleitet sein könnte, eine Bezeichnung für Händler während der Besatzungszeit, die einen zweifelhaften Ruf hatten, indem sie die Knappheit ausnutzten. Der „Beauf“ ist laut Lamy historisch eng mit der französischen Linken und den politischen Ereignissen nach Mai 1968 verbunden. Nach den Parlamentswahlen von 1968, bei denen die französische Bevölkerung massiv für die rechte Partei der Gaullisten stimmte, entstand in der Linken ein Groll gegen jene Wähler, die die Revolution nicht unterstützten. In diesem Kontext entstand die Figur des „Beauf“ als „Feind“ der Linken: Der frühere Verbündete, der Arbeiter, der die Revolution bringen sollte, wurde zum „gewissen Gegner“. Die Linke begann, zwischen „guten Armen“ (die dem linken Projekt treu blieben und beispielsweise Marx lasen) und „schlechten Armen“ zu unterscheiden, die „falsch“ wählten, zu viel fernsahen, ihren Kindern „irgendwelche“ Namen gaben und „spießige“ Musik hörten.

Im Larousse wurde der „Beauf“ 1988 ursprünglich als „Beau-frère“ und als „Typ eines durchschnittlichen Franzosen, reaktionär und rassistisch, inspiriert von einer Comicfigur“ definiert. Die Ausgabe von 2021 des „Grand“ und „Petit Larousse“ beschreibt ihn als „durchschnittlichen Franzosen mit engen und bornierten Ansichten, der sich im Allgemeinen vulgär verhält“. Aus soziologischer Sicht existiert der „Beauf“ nicht als objektive Kategorie; er ist ein „Aggregat von Überzeugungen und Stereotypen“. Gérard Mauger erklärt, dass die Figur des „Beauf“ gleichzeitig eine stigmatisierte Darstellung der populären Klassen und eine idealisierte Selbstdarstellung derjenigen produziert, die sich als Gegenteil dieser stigmatisierten Gruppe sehen. Es ist ein „Werkzeug der Dominanz“, das dazu dient, die populären Klassen zu entmenschlichen und zu zermalmen.
Sein Aussehen und Kleidung wird tendenziös als rundes, rötliches Gesicht, oft mit Schnurrbart, kurzen Haaren, teilweiser Glatze beschrieben, er trägt karierte Hemden, Unterhemden, klassische Hosen oder Shorts. In der Haltung kann man ihn als misogyn, machistisch, homophob, rassistisch, fremdenfeindlich, anti-intellektuell, ordnungsliebend, konservativ, konformistisch, grob, stumpfsinnig, kriegerisch beschreiben. Von den Interessen her liebt er die Jagd, Pétanque, Fernsehen, Varieté-Musik, Camping, Pferdewetten (Tiercé), Tour de France oder Fußball. Er fährt gerne Autos und isst Fleisch. Politisch ist er Wähler der Rechten oder der extremen Rechte (in den 90ern oft Jean-Marie Le Pen, heute Marine Le Pen und den Rassemblement National). Seine kulturellen Präferenzen werden mit mangelnder Bildung, Intelligenz und einem Mangel an „gutem“ kulturellen Geschmack in Verbindung gebracht, zum Beispiel dem Ansehen von CNews und „Touche pas à mon poste“ statt Theater oder Lesen. Vornamen wie Kevin, Jordan, Kimberley werden als „beauf“ bezeichnet und kommen aus der Massenkultur.
Der „Beauf“ sammelt alle Stimmen der Unterdrückung, die auf einer Hierarchisierung von ökonomischem, sozialem und kulturellem Kapital basiert. Die Stigmatisierung durch den „Beauf“-Begriff trägt zu Klassenverletzungen bei, die konkrete Folgen für Lebensbedingungen, Gesundheit und Lebenserwartung haben können. Rose Lamy lehnt es ab, den „Beauf“ als Negativbild zu sehen oder sich von ihren Wurzeln zu distanzieren. Sie entscheidet sich dafür, den Begriff positiv neu zu definieren. Für sie bedeutet „beauf“, „eine vertraute Kultur“ zu tragen, „sensible und mitreißende Lieder“ zu mögen und Filme zu sehen, die „Charaktere aus den classes populaires mit Handlungsfähigkeit“ darstellen. Sie betont ihren Stolz auf ihre Herkunft und möchte den „bürgerlichen Blick“ durchbrechen. Die Autorin stellt fest, dass eine eigenständige weibliche „Beauf“-Figur in den Medien kaum existiert; stattdessen werden Frauen oft als bloße Anhängsel ihrer männlichen Pendants oder auf stereotype Rollen reduziert. Sie werden als „zu viel“ (zu vulgär, zu männlich) oder „nicht genug“ (nicht schön, nicht feminin genug nach bürgerlichen Maßstäben) wahrgenommen.
Rose Lamy analysiert im Kapitel über das cinéma social detailliert, wie die Figur des „beauf“ im französischen Gegenwartskino exotisiert und unter die Kontrolle der „culture bourgeoise“ gebracht wird. Diese Darstellung erfolgt insbesondere durch das Verfahren des sogenannten casting sauvage, das auf spezifische Weise strukturiert ist: Dieses Castingverfahren wird fast ausschließlich für Filme aus dem Bereich des cinéma social verwendet, also Produktionen, die Armut, Gewalt, familiäre Brüche oder soziale Verwahrlosung zeigen wollen. Die Regisseure suchen gezielt nach „authentischen“ Körpern und Lebensformen – junge Menschen aus armen Verhältnissen, oft „racisés“, Arbeitern oder „beaufs“. Dabei geht es nicht darum, sozial repräsentativ zu besetzen, sondern vielmehr darum, Klischees einer sozialen Klasse mit echten Personen zu verkörpern.
Die Suche nach Authentizität führt laut Lamy zur Exotisierung der Klassenzugehörigkeit: Personen aus ländlichen oder armen Milieus werden wie kuriose Objekte entdeckt – in Tanzsälen, bei Rasenmäherrennen oder stock-car-Wettbewerben. Dabei wird die „Andersheit“ des „beauf“ hervorgehoben, sein Körper, sein Akzent, seine Kleidung, seine Ausdrucksweise gelten als „roh“, „echt“, „berührend“ – aber nie als komplex oder artikuliert. Die betreffenden Laiendarsteller werden unter die ästhetische und symbolische Kontrolle der bourgeoisen Filmschaffenden gestellt. Im Film La Tête haute etwa suchte die Regisseurin Emmanuelle Bercot eigentlich einen gewalttätigen, ungehobelten Jugendlichen. Als sie Rod Paradot fand – höflich, ruhig, freundlich –, war sie laut Lamy enttäuscht, weil er dem gewünschten „authentischen“ Stereotyp nicht entsprach. Erst durch intensive Arbeit wurde er an die gewünschte Rolle „angepasst“.
Oft werden diese Entdeckten als exotische Trophäen gefeiert – z. B. durch César-Nominierungen – und dann fallengelassen. Sie bleiben Außenseiter in einer Welt, die sie nur kurzfristig für ihre „Authentizität“ benutzt. Das erinnert Lamy an „tourisme culturel“: Die bourgeoise Öffentlichkeit konsumiert die soziale Realität der anderen, kehrt aber rasch in ihr komfortables Milieu zurück. Rose Lamy verwendet den Begriff „bourgeois gaze“ (in Anlehnung an Laura Mulveys „male gaze“), um die strukturelle Blickregie der Bourgeoisie zu beschreiben: Der Film zeigt die Welt der Armen nicht aus deren Perspektive, sondern durch den wohlwollend-mächtigen Blick einer bürgerlichen Instanz, die bestimmt, was als authentisch, ästhetisch, rührend oder „wahr“ gilt. Diese Mechanismen führen laut Lamy zu einer symbolischen Aneignung und Entfremdung: Die „beaufs“ dürfen nur als Typen, nie als Subjekte existieren. Ihre Lebenswelt wird musealisiert, sentimentalisierend verklärt oder als Problemzone dargestellt – aber stets unter Kontrolle einer Instanz, die sich zugleich als kritisch und wohlmeinend inszeniert.
Lamys Kritik am Film Vingt Dieux lässt sich in fünf zentralen Punkten zusammenfassen: Lamy wirft (1.) dem Film vor, dass er die politische und soziale Realität ländlicher Gebiete verkürzt darstellt. Der Film reduziert das Thema des Rechtsrucks auf eine kulturell entleerte Sicht auf „das Land“, als reines Territorium ohne soziale oder politische Tiefe. Diese Verklärung der Ruralität ohne Klassenanalyse führt, so Lamy, in eine Sackgasse. Sie schlägt deshalb eine Ergänzung zu den bekannten linken Slogans vor: « La promotion de la ruralité sans lutte des classes, c’est du tourisme en province. » Lamy, die selbst aus einer ländlich-proletarischen Familie stammt und sich vom Filmthema zunächst angesprochen fühlt, empfindet (2.) die Darstellung der Figuren als unrealistisch, stereotyp und entmenschlichend. Totone, der jugendliche Protagonist, wirkt wie eine Karikatur eines rohen, unzivilisierten Landjungen. Die Nebenfiguren wirken ebenfalls klischeehaft, in ihrer Sprache, Erscheinung (Mullet-Frisur, Jogginganzug) und sozialen Isolation. Besonders die Szene (3.), in der Totone allein seinen Vater beerdigt, ohne Beistand von Familie, institutioneller Struktur oder sozialem Netz, empfindet Lamy als zutiefst unwahrscheinlich und verletzend. Die Szene steht exemplarisch für das, was sie als strukturelle Unwahrscheinlichkeit des Films kritisiert: Keine staatlichen Stellen kümmern sich um die Vormundschaft der kleinen Schwester, Totone fährt ohne Führerschein einen Tankwagen, es fehlt jede Form von institutioneller, familiärer oder gemeinschaftlicher Einbettung, das Dorf wirkt wie ein rechtsfreier, verwahrloster Raum, was nicht der Realität entspricht. (4.) Die Landschaft wird im Film mit Zärtlichkeit und Schönheit inszeniert – die Menschen dagegen erscheinen ihr herabgewürdigt, flach, grob und gefühllos. Lamy kritisiert diese unverhältnismäßige Blickführung: „Les animaux aussi bénéficient d’un regard empreint d’amour […]. Mais les humains, eux, ne sont pas filmés avec la même douceur.“ Diese Kluft erinnert sie an bourgeoise Repräsentationen der Arbeiterklasse, wie sie Gramsci beschrieb: als dumpfe, triebhafte, politisch und moralisch unterentwickelte Wesen. Lamy verweist (5.) auf eine komplexere Realität des ländlichen Raums: Die Mehrheit der Menschen in kleinen Städten und Dörfern wähle nicht rechts. Der Film stütze jedoch ein gängiges Narrativ von der rechtsradikalen Provinz, ohne die Gegenwart linker Kämpfe, familiärer Solidarität und sozialer Verantwortung in diesen Regionen zu zeigen. Lamys persönliche Geschichte, besonders das Beispiel der solidarischen Familienpraxis nach einem schweren Unfall, steht als positives Gegennarrativ: Zärtlichkeit, Würde und Solidarität existieren – auch in der Provinz. Lamy sieht im Film Vingt Dieux ein Beispiel für eine romantisierende, aber zugleich stigmatisierende und unpolitische Darstellung ländlicher Räume, die sie weder authentisch noch analytisch überzeugt. Der Film verfehlt die Realität der ländlichen Klassenverhältnisse und verstärkt Klischees, statt sie zu hinterfragen.
Lamy greift zentrale Begriffe und Thesen Bourdieus auf und integriert sie direkt in ihre Analyse. Sie verwendet etwa den Begriff „racisme de l’intelligence“, um die neue Form der Abwertung des „beauf“ zu beschreiben. Nicht mehr allein kultureller Geschmack oder Lebensstil führen zur Abwertung, sondern mangelnde Bildung und intellektuelle Ausdrucksfähigkeit. Lamy zitiert u.a. aus Bourdieus La Distinction, um zu zeigen, wie das Bildungssystem Klassenunterschiede als angeblich natürliche Unterschiede legitimiert. Sie erläutert, dass laut Bourdieu die kulturellen Präferenzen der classes populaires keine „Wahl“, sondern Anpassung an ökonomische Notwendigkeit sind. So erscheint etwa die Vorliebe für Fernsehen statt Oper nicht als Ausdruck eines „niederen Geschmacks“, sondern als Ergebnis struktureller Distanz zu kulturellem Kapital. Lamy zitiert Bourdieu und Luc Boltanski, um zu zeigen, dass die Darstellung der „beaufs“ in Medien und Kultur keine Selbstrepräsentation, sondern eine Projektion von außen ist. Die dominanten Klassen sprechen über die unteren Klassen, bestimmen deren Bild und damit deren soziale Realität: „Les classes populaires ne parlent pas, elles sont parlées.“ In Reflexionen über das cinéma social zitiert Lamy Bourdieu zur Entfremdung der Beherrschten durch die Übernahme eines fremden Blicks: Die dominanten Klassen haben die Kontrolle über die Deutung ihrer selbst, während die unteren Klassen sich stets objektiviert durch fremde Brillen betrachten müssen.
Was auf den ersten Blick wie eine kulturelle Randnotiz erscheint – das stereotype Bild des tumben, kulturell rückständigen Mannes aus der Arbeiterklasse – entpuppt sich in Lamys Untersuchung als Schlüssel zur Analyse eines tief verankerten, aber oft übersehenen gesellschaftlichen Mechanismus: des klassistischen Mépris, insbesondere innerhalb des linken Milieus. Dies führte zu einer „Verbürgerlichung“ der Linken, die Elitismus und Parisianismus praktiziert und so die classes populaires, die sie einst repräsentierte, von der Linken entfremdet. Lamy, sich selbst der Arbeiterklasse zurechnend, erkennt im abwertenden Umgang mit dem beauf eine Form der sozialen Gewalt, die sie aus ihrer feministischen Arbeit bereits gut kennt: Es beginnt mit dem Spott, setzt sich fort in der sprachlichen Zuschreibung, in Ironie, Witzen und Zuschreibungen, und führt schließlich zur Entsolidarisierung – zur Entmenschlichung des Beauf. Wenn ganze Bevölkerungsgruppen systematisch mit Rückständigkeit, Sexismus oder kultureller Inkompetenz gleichgesetzt werden, fällt es leicht, ihre Benachteiligung im Gesundheitswesen oder ihre sinkende Lebenserwartung gleichgültig hinzunehmen, so Lamy in einem Interview mit Caroline Pernes in Télérama (9. Mai 2025).
Besonders kritisch beleuchtet Lamy dabei das Verhalten einer bestimmten Linken: Sie zeigt auf, wie gerade jene, die sich wirtschaftlich progressiv geben, blind bleiben für die eigene kulturelle Überheblichkeit. In der ironischen Distanz zur variété française, in der abfälligen Rede über bestimmte TV-Formate oder in der Verwendung des Begriffs plaisir coupable – all das trägt laut Lamy zur Aufrechterhaltung eines Systems bei, das soziale Herabsetzung normalisiert. Zugleich benennt Lamy eine Leerstelle in dieser Herabsetzung: die femme beauf, die in medialen wie wissenschaftlichen Diskursen bestenfalls als „Frau von“ auftaucht – anonym, klischeehaft, nie als Subjekt. Ihre Präsenz, so Lamy, beschränkt sich auf die Randspalten des gesellschaftlichen Interesses, etwa in der Rubrik der faits divers. Das Buch stellt den Mythos des meritokratischen Aufstiegs in Frage, indem es aufzeigt, dass Erfolg oft durch „unsichtbares Kapital“ (soziales und kulturelles Kapital) und nicht allein durch Anstrengung oder Talent bestimmt wird. Die Autorin sieht ihren eigenen Erfolg als „Zufallsgewinn“ oder „Tele-Reality-Charakter“ und weigert sich, als „transfuge de classe“ (Klassenüberläuferin) wahrgenommen zu werden, um ihren Ursprüngen treu zu bleiben.
Ascendant beauf ist kein nostalgisches Plädoyer für Authentizität oder ein naiver Versuch, den beauf zu rehabilitieren. Vielmehr legt Lamy offen, wie sehr Spott und kultureller Ausschluss politische Solidarität verhindern. Ihre zentrale These: Der mépris anti-beauf ist kein harmloses Laster aufgeklärter Milieus, sondern Ausdruck einer tiefgreifenden, strukturell wirksamen Verachtung, die soziale Gerechtigkeit sabotiert. Ein Hauptargument von Lamy ist mit „kultureller Gentrifizierung“ ein Prozess, bei dem dominante Klassen populäre kulturelle Ausdrucksformen vereinnahmen und ihrer ursprünglichen, authentischen Natur entziehen. Das Buch betont, dass Klassenzugehörigkeit konkrete, oft drastische Auswirkungen auf Lebensbedingungen, Gesundheit und Lebenserwartung hat, was den Mythos der Meritokratie entlarvt. Zudem beleuchtet Lamy die oft herablassende Darstellung ländlicher Gebiete und die Entfremdung sowie Prekarität, die viele Jobs der Arbeiter und Kleinbürger prägen. Abschließend plädiert Rose Lamy dafür, den Begriff „Beauf“ positiv neu zu besetzen, um den classes populaires Stolz und Handlungsfähigkeit zurückzugeben und eine humanere Repräsentation ihrer Realität zu fördern.
Lamy wählt einen mitunter irritierend formulierten Zugriff auf die Soziologie der Distinktion, auf die Narration der Scham und auf eine kritische Gegenüberstellung von bildungsfernem oder antiintellektuellem Arbeiter und spießigem Kleinbürgertum gegenüber linken Eliten. Die Beispiele sind aber so entlarvend, explosiv wie auch aus deutscher Perspektive aufschlussreich, dass sie sensibilisieren, kulturelle Formen sozialer Verachtung im Nachbarland (und zumindest ähnlich im eigenen) selbst kritisch zu sichten.