Inhalt
Der Roman Courir après les ombres (Plon, 2015) von Sigolène Vinson entwirft eine komplexe und tragische Erzählung, die sich um die Obsession des Protagonisten Paul Deville mit dem französischen Dichter Arthur Rimbaud dreht. Diese Obsession ist nicht nur ein zentrales Motiv, sondern auch der tragische Angelpunkt, der Pauls Handlungen, seine Rechtfertigungen und letztlich sein Scheitern in einer globalisierten Welt bestimmt. Rimbaud dient dabei als Projektionsfläche für Pauls idealistische Sehnsüchte, die sich jedoch unweigerlich mit den brutalen Realitäten des internationalen Handels und imperialistischer Machtpolitik verflechten.
Der Roman zeigt, wie eine idealistische Vision pervertiert werden kann, wenn sie als Rechtfertigung für Ausbeutung dient. Pauls tragischer Tod, während er sich im Glauben wähnt, für die „Poeten“ zu kämpfen und Rimbauds Werk zu vollenden, ist die ultimative Ironie seiner Obsession. Doch die Übergabe der Bücher an Cush lässt einen schmalen Pfad der Hoffnung offen, dass die Poesie, befreit von den Fesseln des Kommerzes und der Selbsttäuschung, ihren wahren Wert in der kommenden Generation entfalten könnte. Paradoxerweise ist Paul von der Suche nach den ungeschriebenen afrikanischen Gedichten Arthur Rimbauds besessen, eine Obsession, die ihm als Deckmantel für seine oft moralisch zweifelhaften Geschäfte dient und die er als einen Versuch sieht, „ein neues Weltsystem zu schaffen“ oder den „Kapitalismus zu Fall zu bringen“. Seine „Schatzsuchen“, die sich oft als literarische oder abstrakte Unternehmungen erweisen, führen ihn zu einer Reihe von Begegnungen mit lokalen Charakteren wie Harg, einem ehemaligen Hafenadministrator und nun Nomadenhirten, Mariam, einer somalischen Fischerin, und Sanda, einem blinden burmesischen Rubinhändler. Diese Figuren repräsentieren die lokale Realität und die Auswirkungen des globalen Handels, während Paul sich in seinen Träumen verliert, die oft die Realität verzerrt widerspiegeln, wie etwa die des Pingouin, eines Schiffswracks, das er fälschlicherweise Rimbaud und seinem angeblichen Liebhaber John Tucker Rountree zuschreibt.
Die Geschichte entwickelt sich zu einer tragischen Reise der Desillusionierung und des Scheiterns. Pauls Versuche, poetische oder revolutionäre Ideale mit der Ausbeutung von Rohstoffen und dem Aufbau militärischer Infrastrukturen zu verbinden, führen zu katastrophalen Ergebnissen, sowohl für sich selbst als auch für die Menschen um ihn herum. Seine Mission am Assal-See, angeblich zur Gewinnung von Lithium, erweist sich als Betrug, der die lokale Bevölkerung schädigt. Harg, zunächst Pauls Komplize bei der Jagd nach literarischen Spuren, wird zum Piraten, um gegen die Umweltverschmutzung und Ausbeutung seiner Heimat zu kämpfen, und wird schließlich getötet. Mariam, die von Paul zunächst ein „Perlenkette“-Geschenk erhält, muss sich der harten Realität der chinesischen Shrimpzucht-Anlagen stellen und beginnt, Haifischflossen zu verkaufen, um zu überleben. Cush, Hargs Cousin, begibt sich auf eine gefährliche Reise nach Europa, um denen zu entkommen, die seine Mutter getötet haben, und entdeckt Rimbauds Gedichte. Pauls eigene Reise endet mit seiner Dengue-Fieber-Erkrankung und schließlich seinem Tod bei einem Feuergefecht mit Piraten, wobei er bis zuletzt an die poetische Rechtfertigung seines Handelns festhält. Der Roman zeichnet ein düsteres Bild globaler Machtdynamiken und der Kollision von idealistischen Visionen mit brutaler Realpolitik, in dem individuelle Schicksale oft als Kollateralschäden enden.
Rimbaud als Projektionsfläche
Pauls primäres Ziel in Afrika scheint vordergründig der Aufbau eines chinesischen Netzwerks von Marinestützpunkten zu sein. Doch seine eigentliche, tief verwurzelte Motivation ist die Suche nach den ungeschriebenen afrikanischen Gedichten Arthur Rimbauds. Diese „Schatzsuche“ ist, wie Harg bemerkt, eher eine „Literatur- und Abstraktionssuche“, ein „Eifer, dem nachzujagen, was die Bücher sagen oder suggerieren“. Paul ist überzeugt, dass das Finden dieser Gedichte beweisen würde, dass Rimbaud sein poetisches Talent nicht im Alter von zwanzig Jahren aufgegeben hat, um Kaufmann oder Waffenhändler zu werden. Diese Überzeugung ist für Paul von entscheidender Bedeutung, denn sie dient ihm als moralischer Kompass und als Rechtfertigung für seine eigene, oft fragwürdige Rolle im globalen Rohstoffhandel. Er stilisiert Rimbaud zum „Waffenhändler“, um seine eigene Tätigkeit im Kontext der chinesischen Militarisierung zu legitimieren, und interpretiert dies als einen Versuch, „ein neues Weltsystem zu schaffen“ oder den „Kapitalismus zu Fall zu bringen“.
Un seul vers harari du poète et il n’aura pas abandonné son talent à vingt ans pour devenir marchand de café ou trafiquant d’armes. Harg avait douté de l’utilité de ses pelletées comme de la vocation d’Arthur Rimbaud. À chaque bordée, il avait répété à Paul : « Ici, la chaleur annihile tout, même les poèmes et l’envie d’écrire. » Paul avait continué à balayer l’air de son détecteur de métaux tout en faisant signe à l’Afar de maintenir son manche de pelle en main, il sentait qu’ils chauffaient. Le trésor n’était plus très loin. Et dedans, peut-être, les écrits jamais écrits d’Arthur Rimbaud.
Nur ein Harari-Vers des Dichters und er hätte sein Talent nicht mit zwanzig Jahren aufgegeben, um Kaffeehändler oder Waffenhändler zu werden. Harg hatte am Nutzen seiner Schaufelbewegungen ebenso gezweifelt wie an der Berufung Arthur Rimbauds. Bei jeder Ladung hatte er Paul wiederholt: « Hier vernichtet die Hitze alles, sogar die Gedichte und die Lust zu schreiben. » Paul hatte weiterhin die Luft mit seinem Metalldetektor abgesucht und dabei dem Afar bedeutet, seinen Schaufelstiel festzuhalten; er spürte, dass sie heiß liefen. Der Schatz war nicht mehr weit. Und darin, vielleicht, die niemals geschriebenen Werke Arthur Rimbauds.
Diese Passage legt den Grundstein für Pauls Charakterisierung und seine zentrale Obsession. Er zeigt, dass Pauls Motivation über das bloße Finden eines historischen Artefakts hinausgeht; er ist getrieben von dem Wunsch, Rimbauds poetische Integrität zu rehabilitieren und zu beweisen, dass der Dichter seine künstlerische Berufung nicht vollständig aufgegeben hat. Für Paul ist Rimbaud mehr als nur ein Schriftsteller; er ist eine Allegorie für den Kampf zwischen Idealismus und Materialismus, zwischen Kunst und Handel.
Hargs Skepsis („die Hitze vernichtet alles, sogar die Gedichte“) dient als Kontrast zu Pauls unerschütterlichem Glauben und als Stimme der Realität, die Paul oft ignoriert. Pauls fortgesetzte Suche mit dem Metalldetektor symbolisiert seine hartnäckige Verfolgung einer literarischen Chimäre. Der „Schatz“ ist für Paul nicht primär finanzieller Natur, sondern ein Beweis dafür, dass Poesie auch unter den härtesten Bedingungen (in der Hitze Djiboutis, im Kontext von Handel und Krieg) überleben kann. Dieser Glaube ist eng mit Pauls eigenem Kampf verbunden, einen Sinn im Leben zu finden, der über den reinen Profit hinausgeht, und dem Erbe seines Vaters gerecht zu werden, der ebenfalls von der Suche nach einem „neuen Weltsystem“ getrieben war. Die „niemals geschriebenen Werke“ werden zum Symbol für Pauls eigene unerfüllten Träume und seinen Versuch, eine höhere Bedeutung in einer Welt zu finden, die er als „ordinär“ und „vulgär“ empfindet.
Die Vorstellung, dass Rimbaud bis zuletzt Dichter geblieben ist, gibt Paul die Hoffnung, dass der „Kaufmann den Poeten nicht getötet hat“. Diese imaginäre Wahrheit ist so mächtig, dass Paul sie über die banale Realität stellt, indem er etwa eine Geschichte erfindet, nach der der gestrandete Dampfer Pingouin dem letzten Liebhaber Rimbauds, John Tucker Rountree, gehörte und dessen Gedichte enthielt. Die faktische Überprüfung durch einen CNRS-Forscher, der den Pingouin als gewöhnliches Militärschiff identifiziert, kann Pauls fiktionales Narrativ nicht erschüttern. Er hält an seiner Geschichte fest, um an einen Rimbaud zu glauben, der seine „unveröffentlichten Gedichte“ in Afrika hinterlassen hat.
Obsession und Ausbeutung
Pauls Rimbaud-Obsession ist untrennbar mit seiner Arbeit für die Shanghai Petroleum, Chemical and Mineral Corporation verbunden, einem chinesischen Unternehmen, das die wirtschaftliche und militärische Präsenz Chinas in Afrika und am Persischen Golf ausbaut. Er sieht seine Mission, Land für chinesische Marinestützpunkte zu erwerben, nicht als bloße Geschäftstätigkeit, sondern als einen „revolutionären“ Akt, der den „Niedergang der westlichen Welt“ beschleunigen und „die Wirtschaft und Politik zum Teufel jagen“ soll. Die Suche nach Rimbauds Gedichten dient als Deckmantel für seine Geschäfte, die oft auf Kosten der lokalen Bevölkerung gehen. Sein Versuch, „poetische oder revolutionäre Ideale mit der Ausbeutung von Rohstoffen und dem Aufbau militärischer Infrastrukturen zu verbinden“, führt zu katastrophalen Ergebnissen. Zum Beispiel plant er, Lithium aus dem Assal-See in Dschibuti zu gewinnen, obwohl dies die lokalen Afar-Karawanenführer, die den See seit Jahrhunderten nutzen, schädigen würde. Selbst als Laboranalysen ergeben, dass das Lithium nicht so rein ist wie erhofft, drängt Paul auf die Installation einer Lithiumextraktionsanlage, da er weiß, dass die Chinesen den Afar das Lithium zum Preis von einfachem Salz abkaufen werden. Diese Doppelmoral, die Pauls Handeln durchzieht, wird schmerzlich deutlich, als Harg, sein Komplize bei der Rimbaud-Suche, erkennt, dass Paul das Salz des Assal-Sees stiehlt, während er ihn nach ungeschriebenen Gedichten suchen lässt. Harg, ein ehemaliger Hafenadministrator, der zum Hirten zurückgekehrt ist, wird später sogar zum Piraten, um gegen die Umweltverschmutzung und Ausbeutung seiner Heimat zu kämpfen, was seine eigene Verzweiflung angesichts der globalen Machtdynamiken widerspiegelt. Pauls Überzeugung, durch seine Arbeit für China „die Ungerechtigkeit der Welt“ zu beheben, erweist sich als fundamentale Selbsttäuschung, denn er „bricht den Pickelstiel des afrikanischen Nomaden“.
Ma cheminée dressée de vapeur et de cuivre –
Ma poupe d’ivoire et d’or –
Battent l’écume –
Soulèvent les sorcières de poussière –
Les courants du Ghoubet,
Les ornières immenses du reflux,
Vont et viennent circulairement vers Aden,
Vers les lèvres de l’Anglais,
Vers les fûts de sa jetée,
Dont l’angle est choyé
Par des tourbillons de matièreEn bas de page, il saisit une inscription : « Les lèvres de John – Arthur Rimbaud – 16 avril 1890. » Il laisse tomber la feuille dans la mer et dit en regardant le ciel : […].
Mein Schornstein aus Dampf und Erz –
Mein Heck von Elfenbein und Gold –
Peitschen den Schaum –
Wecken die Hexen des Staubs –
Die Strömungen des Ghoubet,
Die gewaltigen Furchen des Rückflusses,
Ziehen kreisend hin und her nach Aden,
Zu den Lippen des Engländers,
Zu den Schaftgerüsten seiner Mole,
Deren Winkel gehätschelt wird
Von wirbelnder Materie.Unten auf der Seite schreibt er: „Die Lippen von John – Arthur Rimbaud – 16. April 1890.“ Er lässt das Blatt ins Meer fallen und sagt mit Blick zum Himmel: […].
Wie ein verlorener Vers aus Rimbauds Les Illuminations erscheint das Gedicht, die Vision eines Schiffes, das zugleich Maschine, Altar und Fiebertraum ist: der Schornstein aus Kupfer und Dampf erhebt sich als stolzes Organ, die Elfenbein- und Goldhecke funkelt wie ein trügerisches Heiligtum. Die Bewegung des Wassers – Schaum, Rückfluss, Strömungen – wird zu einem ekstatischen Tanz, der Staubhexen aufruft und Materiewirbel gebiert. Der Hafen von Aden erscheint nicht als Ort der Ankunft, sondern als kreisender Schlund, ein Magnet für Begehren und Kolonialmacht: „die Lippen des Engländers“, die Mole, deren Winkel von Strudeln liebkost wird. Rimbaud’sche Entzückung mischt sich hier mit Verfall, Technik mit Magie, Meer mit Asphalt – ein delirierender Blick, der das Exotische und das Mechanische in eine Vision der modernen, fiebernden Welt zusammenschweißt.
Dieser Auszug ist zentral für die gesamte Handlung des Romans. Er stellt den konkreten „Schatz“ dar, nach dem Paul und Harg suchen. Die Entdeckung dieses Gedichts in der aus dem Wrack der Pingouin geborgenen Truhe – mit der angeblichen Unterschrift Rimbauds und dem Datum – ist der Höhepunkt von Pauls jahrelanger Suche nach Rimbauds „nie geschriebenen Werken“ und seinen Versuchen, zu beweisen, dass der Dichter sein Talent nicht aufgegeben hat, um Händler zu werden. Das Gedicht ist der Katalysator für viele von Pauls Handlungen und seine fortgesetzte Beschäftigung mit der Pingouin und der Figur Rimbauds.
Die Zuschreibung an Arthur Rimbaud und die Erwähnung von John (John Tucker Rountree, Rimbauds angeblicher letzter Liebhaber und Eigner der Pingouin) dient dazu, Pauls Illusionen und seine Fiktionen über Rimbaud zu bestätigen. Obwohl Paul diese Geschichte selbst erfunden hat und weiß, dass der Dichter keine Verbindung zu dem Schiff hatte und seine poetische Schaffenszeit kurz war, ist das Gedicht der Moment, in dem Pauls Wunschdenken eine scheinbare Realität annimmt. Es ist der tragische Höhepunkt seiner Bemühungen, Poesie und Idealismus über die materielle Realität siegen zu lassen, selbst wenn diese Realität manipuliert ist. Die Tatsache, dass Harg das Gedicht später als verschwunden oder als Scherz abtut, unterstreicht die Zerbrechlichkeit dieser Illusion und die Spannung zwischen Pauls romantischer Suche und der harten, unpoetischen Realität des Handels und der Geopolitik.
Tragische Desillusionierung
Diese Passagen offenbaren die zentrale thematische Spannung des Romans: den Konflikt zwischen Poesie/Idealismus und Handel/Realpolitik, personifiziert durch Arthur Rimbaud selbst und dessen Rezeption. Rimbauds biografische Wendung vom Dichter zum Händler, insbesondere seine spätere Existenz als „einbeiniger Händler“, wird zum Symbol für den Verlust von Idealismus und die Unterwerfung unter materielle Zwänge. Harg, der als Nomade und Hirte eine andere Lebensweise repräsentiert, stellt diese Entwicklung in Frage und projiziert sie auf Pauls Handlungen.
Faut-il que l’être humain suive l’exemple du poète échevelé qui a terminé son existence en commerçant unijambiste ? L’homme se met enfin debout, mais ce n’est pas encore assez. À son apogée, c’est sur une jambe qu’il doit marcher. Est-ce là le sens du progrès ?
Muss der Mensch dem Beispiel des zerzausten Dichters folgen, der sein Dasein als einbeiniger Händler beendete? Der Mensch richtet sich endlich auf, aber das ist noch nicht genug. Auf seinem Höhepunkt muss er auf einem Bein gehen. Ist das der Sinn des Fortschritts?
Die erste Passage ist Hargs interne Reflexion über den Sinn des Fortschritts und die Menschheit, die scheinbar „auf einem Bein“ gehen muss – eine Metapher für Rimbauds Amputation, aber auch für eine verkrüppelte, rein kommerzielle Existenz.
Pourquoi faut-il que mon territoire se laisse traverser par tous les Arthur Rimbaud de la terre, ces hommes qui avancent sur une jambe quand moi je marche sur trois ? Sûrement reproche-t-il à Paul de corrompre la poésie en établissant l’armée et le commerce chinois à Djibouti : Rien qu’un marchand d’armes et de café confondus, rien qu’un Abdel Rimb, traître à ses rimes !
Warum muss mein Territorium sich von all den Arthur Rimbauds der Welt durchqueren lassen, diesen Männern, die auf einem Bein vorankommen, während ich auf dreien gehe? Sicherlich wirft er (Harg) Paul vor, die Poesie zu korrumpieren, indem er die chinesische Armee und den Handel in Dschibuti etabliert: Nichts als ein Waffenhändler und Kaffeeverkäufer in einem, nichts als ein Abdel Rimb, Verräter seiner Reime!
Die zweite Passage, Hargs abschließende, bittere Worte, bringt die Hauptkritik an Paul zum Ausdruck: Pauls Arbeit für das chinesische „Perlenkette“-Projekt wird als Korruption der Poesie und als Verrat an den Idealen angesehen, die Rimbaud (und Paul selbst) einst vertraten. Harg brandmarkt Paul als „Abdel Rimb, Verräter seiner Reime“, was Rimbaud selbst als Händler bezeichnete. Diese kritische Sichtweise betont die Ironie von Pauls Suche nach Rimbauds ungeschriebenen Gedichten, während er gleichzeitig aktiv an der Ausweitung eines rein kommerziellen und militärischen Systems beteiligt ist, das die Schönheit und Unschuld der Orte zerstört, die er angeblich liebt. Es ist ein moralischer Kommentar zur modernen Welt, in der Poesie und Kunst dem Profit geopfert werden.
Die Geschichte von Pauls Rimbaud-Obsession ist letztlich eine tragische Reise der Desillusionierung und des Scheiterns. Die Kiste, die Harg im Wrack des Pingouin findet, erweist sich als leer oder enthält nur unleserliche, von Meerwasser zerstörte Papiere. Dies symbolisiert die Fruchtlosigkeit seiner Suche nach handfesten Beweisen für Rimbauds afrikanische Dichtung. Obwohl Paul den oben zitierten, Rimbaud zugeschriebenen Vers in einem zweiten, später von Harg gefundenen Koffer entdeckt, verschwindet die Tinte kurz darauf durch das Meerwasser. Dies unterstreicht die Flüchtigkeit und Uneinholbarkeit der Wahrheit, die Paul so verzweifelt sucht. Harg, der den Vers gelesen hat, beschließt, Paul das Geheimnis vorzuenthalten, um ihn ein wenig leiden zu lassen, weil Paul in seinen Augen den „Kaufmann“ im Poeten gewählt hat. Pauls eigene geistige Gesundheit wird zunehmend von seiner „renoncement“ genannten Krankheit beeinflusst, einer „akuten Melancholie“, die er von seinem Vater, einem desillusionierten Wirtschaftsprofessor, geerbt hat. Sein Vater, der die Unfähigkeit seiner Studenten beklagte, die als bequem empfundene Welt zu verändern, war in seinen Wahnsinn geflüchtet, wo er Afrika auf dem Larzac-Plateau sah. Pauls eigener Fieberwahn, ausgelöst durch Dengue, verschwimmt immer mehr mit dieser ererbten Geisteskrankheit. Er beginnt, sich selbst als „verrückt“ zu bezeichnen und seine Handlungen als den „Mord“ an den „Poeten und Philosophen“ Harg, Mariam und Sanda zu interpretieren.
Rimbauds Erbe und ein Hauch von Hoffnung
Trotz Pauls Scheitern und seinem tragischen Ende bleibt Rimbauds Erbe im Roman bestehen, wenn auch auf eine neue und unerwartete Weise. Am Ende des Romans, nach Pauls Tod in einem Feuergefecht mit Piraten, wird Pauls Bibliothek, darunter auch die Gedichte Arthur Rimbauds, an Cush, Hargs Cousin, übergeben. Cush, der aus der Armut seiner Heimat nach Europa fliehen will und auf seiner Reise schreckliche Erfahrungen macht, findet in diesen Büchern eine neue Bestimmung. Er wird zum „Bewahrer von Rimbauds Poesie“ und plant, in sein Land zurückzukehren, um seine Toten zu ehren. Dies deutet darauf hin, dass Rimbauds literarisches Erbe, das für Paul mit Illusion und Scheitern verbunden war, für die neue Generation eine Quelle der Inspiration und des Widerstands gegen die zerstörerischen Kräfte der Moderne sein kann. Während Pauls Besessenheit ihn in einen Teufelskreis aus Selbsttäuschung und unbeabsichtigter Zerstörung zieht, bietet Cushs Entdeckung von Rimbauds Werken die Möglichkeit einer authentischeren Auseinandersetzung mit der Poesie und ihrer transformativen Kraft, jenseits von Pauls verzerrten, kapitalistischen Zielen. Der Roman endet nicht mit einem Triumph der Poesie, aber mit der Hoffnung, dass sie in neuen Händen eine tiefere, nicht-kommerzielle Bedeutung finden kann.