Inhalt
Entwicklung zum aktiven Widerstand
Ausgangslage aus Chien 51
Laurent Gaudé betont, dass die Romane Chien 51 (2022) und Zem (2025) keine Science Fiction sind, sondern auf Zeitungslektüre beruhen: „Klimakuppeln, Eisbergjäger, Blaukrabben und Wolkenimpfungen sind keine Fiktion mehr. Und die Gebiete, in denen Sklaven den Boden durchwühlen, um unseren Energiehunger zu stillen, existieren tatsächlich.“ 1 Das erste Buch war ein Publikumserfolg, eine Verfilmung von Cédric Jimenez wird im Herbst 2025 in die Kinos kommen, mit Gilles Lellouche als Zem und Adèle Exarchopoulos als Salias. Die Adaption von „Chien 51“ wurde außerdem als Abschlussfilm der 82. Filmfestspiele von Venedig ausgewählt, die vom 27. August bis 6. September stattfinden. Die beiden Texte Gaudés entwerfen eine düstere dystopische Welt, in der das allmächtige GoldTex-Konsortium Gesellschaften in Zonen spaltet und Menschen systematisch segregiert und ausbeutet, von medizinischen „RealTests“ bis zur Zwangsarbeit in Tassilium-Minen auf Kreta. Über zwei Bände hinweg entwickeln sich die desillusionierten Protagonisten Zem Sparak und Salia Malberg von passiven Opfern zu aktiven Widerstandskämpfern, die sich gegen Verrat und Korruption stemmen und nach verlorener Identität und Heimat suchen. Der Romanzyklus, der Verrat als zentrales Motiv beleuchtet, endet nicht mit einer einfachen Erlösung, sondern mit der Akzeptanz persönlicher Schuld, der Übertragung von Erinnerungen und einem Aufruf zum unerbittlichen Kampf gegen das systemische Vergessen.
Meine Besprechung „Das neue Athen“ des ersten Bandes, Laurent Gaudés Chien 51, hat gezeigt, wie der Roman eine düstere Parabel über die Degradierung des Menschen zur Ressource erzählt und die systemische Gewalt eines entseelten GoldTex-Systems kritisiert. Im Kern ist Chien 51 ein Kriminalroman, der im dystopischen Magnapole angesiedelt ist, einer in streng segregierte Zonen unterteilten Megalopole. Diese Topographie dient als Ausdruck einer Gesellschaftsordnung, in der die privilegierte Zone 2 und die Elite von Zone 1 buchstäblich auf dem „Dreck und Schweiß der Zone 3“ aufgebaut sind. Zentral für die Erzählung ist die soziale Ungleichheit, die durch Mechanismen wie die Aufstiegslotterie „Destiny“ und das „RealTest“-Programm der Konzerne zynisch aufrechterhalten wird, wodurch Menschen aus Zone 3 als Versuchskaninchen für Prothesen dienen.
Der Protagonist, Zem Sparak, einst ein griechischer Widerstandskämpfer, wird als „Chien 51“ (Polizist Nr. 51) in der Zone 3 zum willfährigen Instrument des Systems. Seine Vergangenheit ist gezeichnet vom Verrat seines Heimatlandes Griechenland an GoldTex, ein Trauma, das ihn in drogeninduzierte Visionen einer idealisierten, aber verlorenen Athener Vergangenheit flüchten lässt. Die anfängliche Ermittlung, bei der Zem mit der Inspektorin Salia Malberg aus Zone 2 „verriegelt“ wird, enthüllt nicht nur Korruption, sondern auch die brutale „Bastonnade“-Folter, die Salia am eigenen Leib erfährt. Der Roman thematisiert somit moralische Integrität, individuelle Handlungsmacht, Erinnerung und Rache in einer Welt, in der die Erinnerung an eine bedeutsame Vergangenheit durch das „gedächtnislose“ Magnapole und die Macht von GoldTex bedroht ist.
Die Handlung des Romans spitzt sich zu, als Zem sich am Ende an Skyros (eigentlich Zacharias Solobek) rächt und ihn tötet. Dieser Skyros, der als Sonderberater des Politikers Barsok tätig war, hatte zwei Menschen ermordet: Malek Pamouk, einen Bewohner der Zone 3, der im Rahmen des „RealTest“-Programms ein experimentelles Implantat für die Reichen erhalten hatte und dessen Tod den Skandal um diese menschenverachtenden Tests aufdecken sollte. Außerdem Ira Cuprack, eine junge Frau aus Zone 3, die Kanakas Geliebte war und ebenfalls um eine Lebenserhaltung gebeten hatte, die ihr jedoch verweigert wurde. Skyros führte diese Morde auf Befehl von Golan Barsok aus, diesem aufstrebenden und populistischen Politiker, der seine Herkunft aus Zone 3 nutzte, um die Massen für sich zu gewinnen. Sein Ziel war es, seinen politischen Rivalen, Kanaka, zu diskreditieren und somit seinen eigenen Aufstieg in der Konzernhierarchie von GoldTex zu sichern.
Zems Rache an Skyros ist ein zutiefst persönlicher Akt, der durch den Verrat in seiner eigenen Vergangenheit in Griechenland und die Systemgewalt, die er miterleben musste, motiviert ist. Diese Ereignisse markieren Zems tiefgehende Müdigkeit und seine „Entsperrung“ vom System. Salia bleibt nach ihrer Folter zutiefst traumatisiert zurück, schwört jedoch, Léna Farakis, Zems verlorene Liebe, zu finden, um ihm bei der Heilung zu helfen. Damit legt der erste Band das Fundament für eine umfassendere Erkundung von Verrat, Schuld und der Möglichkeit von Erlösung in einer konzernbeherrschten Welt, wobei die mythische Tiefenstruktur und Gaudés eigenwillige Sprache eine tragisch-poetische Dystopie zeichnen.
Zwischen den Romanen Chien 51 und Zem gibt es mehrere deutliche Cliffhanger und offene Enden, die die Handlung des zweiten Bandes maßgeblich prägen und fortsetzen. Zem Sparak ist am Ende von Chien 51 nach der Aufdeckung von Lénas wahrem Schicksal und der Erschöpfung durch die Ereignisse „entsperrt“ vom Polizeidienst und „tief müde“. Sein innerer Zustand ist von Schuldgefühlen und Scham über seinen eigenen Verrat gezeichnet. Der Roman lässt seine weitere Existenz offen, wobei er in Drogen wie Okios flüchtet, um in idealisierten Visionen des alten Athens zu versinken. Es war sogar unsicher, ob er am Ende von Chien 51 starb, was in Zem sofort aufgegriffen und aufgelöst wird. In Zem ist er ein „ehemaliger, degradierter Polizist“, der nun aber als Leibwächter für Barsok arbeitet.
Salia Malberg ist am Ende von Chien 51 „zerrissen“ und „tief traumatisiert“ von der brutalen „Bastonnade“-Folter, die sie erlitten hat. Dieses ungelöste persönliche Trauma und ihre selbst auferlegte Mission sind zentrale Aspekte ihrer Charakterentwicklung in Zem, wo sie süchtig nach selbst zugefügten, kontrollierten „Bastonnaden“ im Club Itami wird und ihre Suche nach Léna intensiviert. Während in Chien 51 enthüllt wird, dass Léna Farakis bereits als „Supplétif 50“ für GoldTex arbeitete, noch vor Zem, bleibt ihr Verbleib am Ende des ersten Bandes ungewiss. Die Suche nach ihr bildet einen wesentlichen Handlungsstrang in Zem, wo sich herausstellt, dass sie noch lebt und sich dem Widerstand angeschlossen hat. Auch die weitere Entwicklung zweier zentraler Figuren der Politik bleibt am Ende des ersten Bandes offen: Barsok ist in Chien 51 ein aufstrebender Politiker und Kanaka in den „RealTest“-Skandal verwickelt. In Zem bilden sie eine „strategische Allianz“, nachdem Barsok zum „mächtigen Konzernführer“ aufgestiegen ist.
Überblick zu Zem
La plupart des hommes veulent durer. Je l’ai vu mille fois. Ils s’accrochent, sont prêts à supplier pour obtenir quelques jours de plus, quelques heures même, et pleurent lorsqu’ils finissent par comprendre qu’ils ne les auront pas. Moi, pas. Au moment de tout quitter, je n’ai supplié personne. Je croyais que c’était la fin. Je l’avais appelée de mes vœux. Et pourtant, je suis encore là. Je n’arrive pas à mourir. La plupart des hommes pensent que c’est une chance. Moi, je dis que c’est une malédiction.
Die meisten Menschen wollen lange leben. Das habe ich tausendmal gesehen. Sie klammern sich fest, sind bereit, um ein paar Tage mehr, sogar um ein paar Stunden mehr zu betteln, und weinen, wenn sie schließlich begreifen, dass sie diese nicht bekommen werden. Ich nicht. Als es Zeit war, alles hinter mir zu lassen, habe ich niemanden angefleht. Ich glaubte, es sei das Ende. Ich hatte es mir gewünscht. Und doch bin ich noch hier. Ich kann nicht sterben. Die meisten Männer halten das für ein Glück. Ich sage, es ist ein Fluch.
Zem, der zweite Band von Laurent Gaudés Dystopie, knüpft direkt an das Ende von Chien 51 an und vertieft die dargestellte Welt des GoldTex-Konsortiums. Zem Sparak hat den Polizeidienst quittiert und dient nun als Leibwächter des aufstrebenden Politikers Golan Barsok, der sich als Leiter der Kommission für Großprojekte etabliert hat und die Abschaffung von Klassenschranken und sozialen Spaltungen verspricht, indem er auch die Stadt wieder vereint. Zem ist weiterhin von tiefer Lebensmüdigkeit geplagt und flieht in Okios-Visionen des alten Athens, ein Rückzug, der ihn beinahe das Leben kostet, jedoch von Salia Malberg verhindert wird. Salia selbst kämpft noch immer mit dem Trauma der „Bastonnade“ und entwickelt eine zwanghafte Abhängigkeit von ähnlichen, kontrollierten „Schlägen“ im Club Itami, die ihr kathartische Visionen verschaffen. Ihre persönliche Suche nach Léna Farakis mittels ihres digitalen Assistenten Motus wird zu einem zentralen Motiv, das sie wieder mit Zem zusammenführt.
Der neue Kriminalfall, der Zem und Salia erneut als „verriegeltes“ Ermittlerduo zusammenführt, ist die schockierende Entdeckung von fünf Leichen in einem Container (D793) im Hafen von Magnapole. Die Opfer, teils Unbekannte, teils „Rebuts“ (Ausgestoßene), wurden mit Mazrapedin betäubt und starben, angeblich an Herzversagen, in einer Haltung, die an Demonstranten erinnert. Diese Inszenierung dient der Widerstandsgruppe BreakWalls dazu, eine noch brutalere Form der Ausbeutung durch GoldTex aufzudecken: die Gewinnung der neuen Energiequelle Tassilium auf Kreta, wo die lokale Bevölkerung durch die Droge Timarex zur Zwangsarbeit in Minen süchtig gemacht wird. Dieses System definiert eine „Zone 4“ der Ausgestoßenen, schlimmer als ein Sklavenschiff, die für den Komfort der Eliten in Magnapole existiert. Die Ermittlungen decken auf, dass private Sicherheitsfirmen wie NightForce, unter der Leitung von Oksana Tabor, kritische Stimmen eliminieren und die Spuren dieser Verbrechen verwischen, wobei sie auch eine Journalistin und eine kretische Informantin töten.
Der Roman greift hierbei eine Vielzahl realer zeitgenössischer Fragen und Probleme auf und überzeichnet sie zu einer beunruhigenden Dystopie. Die Allmacht globaler Konzerne wie GoldTex spiegelt die wachsende Macht von Tech- und Finanzgiganten wider, die staatliche Souveränität untergraben und öffentliche Dienste privatisieren. Die extreme soziale Spaltung und räumliche Segregation von Magnapole, die in den Zonen 1, 2 und 3 manifestiert wird, steht als Metapher für wachsende Ungleichheit und die Marginalisierung ganzer Bevölkerungsgruppen in unserer Gesellschaft. Die Manipulation und Propaganda durch Lotterien wie „Destiny“ oder Pop-Drohnen, die die Bevölkerung mit Wunschvorstellungen überfluten, erinnert an die Macht der Massenmedien und digitaler Propaganda, die politische Diskurse von Inhalten entleeren. Zudem prangert die Ausbeutung von Mensch und Natur, symbolisiert durch die Tassilium-Minen auf Kreta und die Timarex-Sucht, die rücksichtslose Gewinnung von Ressourcen in Entwicklungsländern und unethische Experimente an Armutsbetroffenen an, oft unter Missachtung von Menschenrechten. Nicht zuletzt thematisiert der Roman die Klimakrise und Umweltzerstörung, wobei der Klima-Dom die Abkapselung der Reichen vor den Folgen des Klimawandels versinnbildlicht und Geo-Engineering-Projekte als kontroverse Lösungsansätze diskutiert werden.
Aspekte einer Interpretation von Zem
Zem ist nicht nur eine Fortsetzung, sondern eine konsequente Erweiterung der dystopischen Welt, die in Chien 51 etabliert wurde. Der Roman verlagert den Fokus von einer vorwiegend internen, städtischen Dystopie auf ein globales System der Ausbeutung und des Widerstands, wobei sich die Hauptfiguren und ihre Motivationen tiefgreifend wandeln.
Die Themen wandeln sich zwischen den beiden Büchern vom internen Leid zum globalen Kampf: Während Chien 51 den „RealTest“-Skandal in Magnapole aufdeckt, enthüllt Zem eine noch zynischere „Zone 4“ auf Kreta. Diese These, dass der Wohlstand Magnapoles auf der Sklaverei Tausender beruht, wird durch die Tassilium-Minen und die Timarex-Sucht der Bevölkerung brutal konkretisiert. Das Schicksal der „Rebuts“ im Container D793 steht emblematisch für die systematische Entmenschlichung. Der Widerstand, in Chien 51 durch BreakWalls eher lokal und oft als hoffnungslos dargestellt, wird in Zem globalisiert und intensiviert. Die Inszenierung des Containers durch BreakWalls ist ein strategischer Akt der Provokation, um die Öffentlichkeit auf die Missstände aufmerksam zu machen.
Die Entdeckung von Tassilium auf Kreta und die Etablierung von „Ultra Mundum“ (UM)-Gebieten zeigen, wie GoldTex über Magnapole hinaus ganze Nationen ausbeutet. Dies ist eine Eskalation der Konzernmacht, die in Chien 51 nur angedeutet wurde. Der Kampf um Tassilium entfacht einen „Politkrieg“ zwischen GoldTex und MolochFirst, der durch Pop-Drohnen-Angriffe und private Sicherheitsfirmen wie NightForce, die als Schattenarmee agieren, geführt wird. Die Kommandos von NightForce sind entscheidend für die Vertuschung von GoldTex‘ Verbrechen. Das Konzept der „Zone 4“ und die Drogen Timarex und Mazrapedin verdeutlichen eine neue Stufe der menschlichen Funktionalisierung und Kontrolle. Menschen werden nicht nur degradiert, sondern aktiv süchtig gemacht und zur Arbeit gezwungen, was Gaudé als „erfundenen Höllengarten“ beschreibt.
Gaudés Sprache bleibt eine Mischung aus technischer Kälte und poetischer Gravität. Der Kontrast zwischen nüchternen Beschreibungen (Polizeiarbeit, Datenbanken) und hochemotionalen Passagen (Okios-Visionen, Salias Wut) erzeugt eine ästhetische Spannung. Die Wiederholung von Begriffen wie „Chien“ oder „Zone“ wirkt refrainartig und unterstreicht die systemische Verankerung der Dystopie. Besonders hervorzuheben ist Salias Gebrauch obszöner Sprache, ein „Schmutzfluss“ aus Scham und Wut, der Magnapole in ihr eingeimpft hat und den sie als Akt des Widerstands entlädt. Dies ist nicht nur Ausdruck ihres Traumas, sondern auch eine bewusste Rebellion gegen die sterile Fassade des Systems.
Rückkehr nach Athen
Das Thema der Erinnerung, bereits in Chien 51 präsent, wird in Zem verstärkt. Salia und Zem kämpfen gegen das systemische Vergessen, das von GoldTex gefördert wird. Das „Aldilà“-Programm, ursprünglich zur Konditionierung der Bevölkerung gedacht, wird von Léna und Salia zu einem Werkzeug der Wahrheitsbewahrung und des persönlichen Gedenkens umfunktioniert.
Laurent Gaudé verwendet in seinen Romanen Chien 51 und Zem eine Vielzahl von Anspielungen auf das antike Griechenland und Athen, um die Themen Verlust, Identität, Erinnerung und Widerstand in einer dystopischen Zukunft zu vertiefen. Bereits die Widmung von Chien 51 adressiert „diejenigen, die Delphi nicht vergessen haben“. Ein alter Mann fordert Zem Sparak auf seiner Flucht aus Griechenland auf, Delphi nicht zu vergessen, da es der „Mittelpunkt der Welt“ und das „Innere der Mysterien“ sei, das weder gekauft noch zerstört werden könne. Delphi symbolisiert das Unvergängliche und die wahre Heimat, die jenseits materieller Eroberung liegt, und unterstreicht die Wichtigkeit der Bewahrung kultureller Identität.
Athen wird als verlorene Heimat entworfen, historisch zerstört, ist es persönliche Heimat des Protagonisten, und so wird der zweite Roman Zens Rückkehr nach Athen erzählen. Die Übernahme Griechenlands durch den GoldTex-Konzern wird als „Weltuntergang“ und als „Verrat an einem ganzen Volk“ beschrieben. Athen ist eine Stadt, die „verbrannt, zerschlagen“ wurde, deren Bürger ihre Souveränität, Rechte und Geschichte verloren haben und zu „Cilariés“ (Bürger-Angestellten) GoldTex‘ degradiert wurden.
Zem Sparak, selbst ein ehemaliger griechischer Widerstandskämpfer, trägt die Erinnerung an das alte Athen als tiefes Trauma in sich. Er flüchtet sich oft in Drogen („Okios“), um in idealisierten Schwarz-Weiß-Visionen seiner Jugendstadt zu versinken, die er als „Geisterstadt“ empfindet, in der er sich „zu Hause“ fühlt. Diese Visionen sind „Archive d’Athènes“, die ihm jedoch auch von traumatischen Ereignissen wie der Niederschlagung der Proteste berichten. Konkrete Orte wie der Hafen von Piräus, Monastiraki und später der Berg Lykabettus, die Akropolis und Filopappou in einem zerstörten Athen dienen als emotionale Ankerpunkte für Zems persönliche Geschichte und die Erinnerung an eine verlorene Vergangenheit. Am Ende des zweiten Romans kehrt Zem nach Athen zurück, das er kaum wiedererkennt. Seine Reise symbolisiert eine Rückbesinnung auf seine Wurzeln und eine Suche nach seiner Identität, die er als „Sohn Athens und Magnapoles“ annimmt.
Hierbei werden auch mythische und tragische Heldenmotive angelegt: Zem Sparak wird als postmoderner Ödipus oder Antigone interpretiert. Er folgt einem inneren Gesetz (seinem Schwur), nimmt die Schuld seiner „Familie“ (Griechenland) auf sich und reagiert mit Gewalt. Seine „lange und schmerzhafte Irrfahrt“ wird mit der Heimkehr des Odysseus nach Ithaka verglichen, wobei das Kapitel, das sein Ende beschreibt, „Ithaka“ betitelt ist und eine endgültige Flucht in die verlorene Heimat symbolisiert. Die Megastadt Magnapole selbst wird als eine „Sphäre der Hölle“, ein „Abstieg in die Unterwelt“ (Katabasis) dargestellt, den Zem durchläuft, um Erkenntnis zu erlangen.
Zem wird zu Tränen gerührt, als er den griechischen Akzent von Fragma hört. Später beruhigt er die kretischen Rebellen, indem er „Eimaste mazi sas“ („Wir sind mit euch“) auf Griechisch ruft. Die griechische Sprache wird zu einem Instrument der Identität und des Widerstands gegen die Versuche von GoldTex, kulturelle Erinnerungen auszulöschen und „alte Namen“ zu verbieten. Zems Akt, sein Gesicht mit der „roten Erde“ der Bauxitminen Kretas zu bedecken, ist ein symbolischer Akt der Wiederaneignung seiner griechischen Identität und der Ablehnung der durch GoldTex auferlegten Schande. Die kretischen Rebellen kämpfen ebenfalls darum, ihre alten Dorfnamen zurückzuerobern (z.B. Chóra Sfakíon statt Sfakion 2).
Zem beruft sich auf das „alte Gesetz der Fremden, das unsere Vorfahren ehrten“ (eine Anspielung auf die Xenia, die Gastfreundschaft der antiken Griechen), als er die Rebellen um Hilfe bittet, Léna zu finden. Charaktere wie Gobi verwenden Vergleiche mit dem Bau von Pyramiden oder römischen Straßen, um die Notwendigkeit anonymer, ausgebeuteter Arbeit für den Fortschritt zu rechtfertigen. Salia und Zem fühlen sich wie „die letzten Legionäre, die Rom vor der Plünderung verlassen“. Diese römischen Anspielungen erweitern die Antikenbezüge auf den Fall von Imperien und die zyklische Natur von Macht und Ausbeutung.
Figurenentwicklungen
Zem Sparaks Wandlung
Zem, in Chien 51 ein desillusionierter, todesmüder Polizist, entwickelt sich in Zem zu einem aktiven Sucher nach Wahrheit und seiner verlorenen Liebe Léna. Seine anfängliche Wut auf Salia, die ihn vor einer Okios-Überdosis rettete, weicht einer tiefen Verbundenheit. Die Rückkehr nach Griechenland und die (Wieder-)Annahme seines ursprünglichen Namens Stélios symbolisieren eine Rückbesinnung auf seine Wurzeln und eine Befreiung von Schuld und Scham.
Je suis Zem. C’est ce nom-là que je garde. Parce que c’est moi qui l’ai choisi. Parce qu’il dira à jamais mon amputation et ces longues années à traîner mon errance. Zem, fils d’Athènes et de Magnapole. Jeune homme en colère et vieux flic fatigué. Zem l’arraché.
Ich bin Zem. Den Namen behalte ich. Weil ich ihn mir selbst ausgesucht habe. Weil er für immer von meiner Amputation und den langen Jahren meiner Wanderschaft erzählen wird. Zem, Sohn von Athen und Magnapolis. Ein wütender junger Mann und ein müder alter Polizist. Zem, der Entwurzelte.
In dieser Reflexion auf dem Lykabettus in Athen entscheidet sich Zem bewusst für diesen Namen. Dies ist eine radikale Bestätigung seiner komplexen, von Narben gezeichneten Identität und seiner Erinnerung an ein System, das Individuen auszulöschen oder neu zu definieren versucht. Indem er „Zem“ behält – einen Namen, der mit seiner „Amputation“, seiner „Wanderschaft“ und der Hybridität seiner Vergangenheit in Athen und Magnapole verbunden ist – lehnt er die reine Weste des Vergessens oder der Anpassung ab. Es ist eine Erklärung, dass seine Geschichte, einschliesslich ihrer schmerzhaften Teile, ihn definiert und nicht einfach abgetan werden kann. Es ist eine persönliche Rebellion gegen die Erwartung, seine Vergangenheit zu verleugnen, und eine starke Bekräftigung seines vielschichtigen Selbst.
Zem Sparak, ursprünglich Stélios Sparakos, ist die zentrale Figur in Laurent Gaudés Romanen Chien 51 und Zem, dessen Entwicklung sich von einem idealistischen Freiheitskämpfer zu einem desillusionierten Polizisten und schließlich zu einem Suchenden nach Identität und Wahrheit vollzieht. Seine Geschichte beginnt in Griechenland, wo er als militanter Student dem Widerstand gegen die GoldTex-Übernahme angehörte und die Konzernakquisition als „Weltuntergang“ erlebte. Dieser anfängliche Idealismus zerbrach jedoch, als er unter Erpressung – um seine große Liebe Léna Farakis zu schützen – seine Kameraden verriet, ein Akt, der seine Identität zutiefst zerstörte und ihm eine tiefe Schuld auflud. Nach seiner Flucht fand er sich als „Chien“ (Polizist) XP 51 in der verarmten Zone 3 von Magnapole wieder, ein bewusster Akt der Selbstbestrafung und des Protests gegen die „scheinbare Opulenz“ von Zone 2. Um der schmerzhaften Realität zu entfliehen, nutzte er die Droge Okios für idealisierte Visionen des alten Athens, die seine „Archive d’Athènes“ bildeten, aber auch traumatische Erinnerungen freisetzten. Ein Wendepunkt in Chien 51 war der „Pakt mit dem Toten“ nach der Ermordung von Malek Pamouk, der sein moralisches Handeln wiederbelebte. Seine anfänglich erzwungene Partnerschaft mit Inspektorin Salia Malberg entwickelte sich zu einer tiefen, vertrauensvollen Bindung, die in Zems Racheakt an Zacharias Skyros (alias Solobek) mündete, nachdem dieser Salias „Bastonnade“-Folter zu verantworten hatte. Am Ende des ersten Bandes war Zem erschöpft und bereit zu sterben.
In Zem wird Sparak durch Salias Eingreifen vor dem Tod bewahrt, was ihn zunächst wütend macht, da er sich danach sehnte. Er wird Leibwächter von Barsok, dem Leiter der Kommission für Großprojekte, und seine Untersuchungen des D793-Container-Vorfalls führen ihn und Salia erneut zusammen. Barsok schickt ihn unter dem Vorwand, Léna Farakis zu finden, nach Kreta, wo GoldTex eine neue Energiequelle, Tassilium, durch die brutale Ausbeutung der Bevölkerung und die Droge Timarex gewinnt, was eine „Zone 4“ der Ausgestoßenen schafft. Auf Kreta erlebt Zem eine tiefgreifende Wiederentdeckung seiner griechischen Identität, spricht Griechisch mit den Rebellen („Eimaste mazi sas“) und bedeckt sein Gesicht symbolisch mit der „roten Erde“ der Bauxitminen, um die Schande seiner Vergangenheit abzustreifen. Er erfährt durch Lénas digitale „Aldilà“-Nachrichten die Wahrheit über deren angebliche „Verräterei“: Beide wurden von GoldTex manipuliert und handelten im Glauben, den jeweils anderen zu retten. Diese Erkenntnis befreit ihn von seiner tief sitzenden Schuld und Scham. Ein weiterer Akt der Vergeltung ist die Tötung von Mazur Gobi, dem Erfinder des Timarex, als Rache für Fragma und die versklavten Minenarbeiter.
Zems Entwicklung kulminiert in seiner Rückkehr nach Athen. Er findet seine ursprüngliche Identität als Stélios wieder, doch er entscheidet sich bewusst, den Namen „Zem“ beizubehalten, da er seine „Amputation“ und die Jahre seiner „Irrfahrt“ symbolisiert. Er bezeichnet sich als „Zem, fils d’Athènes et de Magnapole“ und als „Assemblage de deux mondes“, der seine traumatischen Erfahrungen in Magnapole integriert. Er legt seine Scham ab und ist bereit für ein Wiedersehen mit Léna, getragen von der Überzeugung, dass „La vie plus forte que tout“ ist. Zems Reise ist eine Transformation von Resignation zu aktivem Widerstand und von einem manipulierten Opfer zu einem moralisch handelnden Subjekt. Er wird zum „Hüter der Vergangenheit“, einem lebendigen Archiv, das durch das Bewahren von Erinnerungen einen Akt des Widerstands gegen das systemische Vergessen des Konzerns darstellt und die Hoffnung auf Freiheit und Wiedergutmachung symbolisiert.
Salias Transformation
Salia durchläuft eine noch dramatischere Entwicklung. Salia wird in Chien 51 als Polizistin aus Zone 2 eingeführt, die zwangsweise mit Zem für eine Untersuchung „verriegelt“ wird („verrouillée“). Von einer pragmatischen Ermittlerin, gezeichnet von der Bestrafung mit „Bastonnade“, wird sie zur engagierten Widerstandskämpferin, die das System öffentlich anprangert.
Salia wird von Panotis mit der Bastonnade gefoltert, weil sie der Wahrheit über die Morde an Pamouk und Cuprack zu nahegekommen ist. Panotis gibt an, dies im Auftrag von Skyros getan zu haben, da sie „der Wahrheit zu nahe“ war. Die Bastonnade ist eine Form der sensorischen Überwältigung und Folter. Sie ist keine physische Verletzung, sondern ein Hämmern von Bildern und Tönen, die direkt ins Gehirn gelangen. Man kann sich das wie einen Presslufthammer vorstellen, der in den Geist eindringt. Die Intensität und Dauer dieser Einwirkung bestimmen das Ausmaß des Schadens. Die Bastonnade ist dazu konzipiert, das Gedächtnis zu löschen. Salia Malberg wird bei ihrer Bastonnade so stark exponiert, dass sie „innerlich zerrissen“ und „tief traumatisiert“ ist. Nach der Bastonnade, die ihr von Panotis zugefügt wurde, ist sie in einem Zustand, in dem sie kaum noch auf ihren Namen reagiert und oft in einem Strom unflätiger Worte versinkt, der aus ihr heraussprudelt. Sie beschreibt es als ein „Einstecken“ von „Dreck in den Schädel“. Bastonnade ist somit ein zentrales Element, das die Zerstörung des Individuums und die grausamen Methoden des GoldTex-Systems auf psychologischer Ebene darstellt.
Je suis Salia chienne de pute, bordée de sang, giclée, giclée, la merde des entrailles, damnée, et ça pue, ça mord, ça pisse la bouffe qui bande…
Ich bin Salia, Hurensau, voll mit Blut das spritzt und spritzt, die Scheiße der Eingeweide, verdammt, es stinkt, es beißt, es pisst, das Fressen, das einen Steifen kriegt …
Dies ist der Höhepunkt von Salias Rebellion und eine ihrer radikalsten Handlungen der Selbstdarstellung und des Trotzes. Anstatt eine rationale oder eloquent formulierte Kritik am System zu äußern, bricht Salia in einen Schwall roher, obszöner Sprache aus. Dieser „Dreckfluss“ (fleuve de boue), wie sie es selbst nennt, den sie so oft zu unterdrücken versuchte, ist eine direkte Folge der Bastonnade und eine direkte, viszerale Ablehnung der sterilisierten, kontrollierten Welt von GoldTex. Es ist ein Akt der Selbstverletzung und der Wut, der die unterdrückten, hässlichen Wahrheiten ans Licht bringt und die „Wut“ und den „Widerstand“ verkörpert, die der Roman thematisiert. Ihr Ausbruch ist ein radikaler Kontrapunkt zu der makellosen Fassade von Magnapole.
Salia Malberg durchläuft eine tiefgreifende Entwicklung von einer systemkonformen Polizistin zu einer desillusionierten und schließlich zu einer aktiven Rebellin. In Chien 51 wird sie als ehrgeizige Inspektorin der privilegierten Zone 2 eingeführt, die anfangs eine kühle, korrekte und autoritäre Haltung einnimmt und Zem Sparak, einem „Hund“ aus Zone 3, mit Verachtung begegnet. Ihre Vergangenheit ist jedoch von einem Trauma geprägt: Ihre Mutter starb früh an Krebs, und ihr Vater wurde nach Zone 3 zwangsversetzt, wo er in den „Großen Unruhen“ umkam. Diese Geschichte hatte sie weitestgehend verdrängt. Die erzwungene „Verriegelung“ mit Zem für die Ermittlung im Fall Malek Pamouk führt sie jedoch langsam an die Abgründe der Magnapole-Gesellschaft heran, und sie beginnt, in Zems „Müdigkeit“ eine tiefere Wahrheit zu spüren. Ein Wendepunkt ist die brutale „Bastonnade“-Folter, die sie auf Befehl von Solobek (Barsoks Assistent) erleidet. Zem rettet sie durch seine Intervention und verspricht, für ihre Genesung zu sorgen, und Salia schwört, als „Trägerin des Gedächtnisses“ die verlorene Léna Farakis für ihn zu finden.
Im zweiten Band Zem kämpft Salia weiterhin mit ihrem Trauma. Drei Jahre nach der „Bastonnade“ ist sie süchtig nach selbst zugefügten, kontrollierten „Bastonnaden“ im Club Itami geworden, die sie als zwanghafte Bewältigungsstrategie und als Suche nach einer kathartischen, gewaltsamen Ekstase nutzt. Sie steigert die Intensität der Bilder und Töne, da sie in diesen Momenten des „Einschlagens“ und „Aufblitzenlassens“ manchmal wunderschöne, reine Visionen von Landschaften und dem Meer erhält, die nichts mit der Hässlichkeit der Welt zu tun haben und ihr einen unbezahlbaren Wert haben. Diese Visionen sind für sie wie eine Schatzsuche. Ihre Suche nach Léna Farakis treibt sie weiterhin an, in der Hoffnung, dadurch Zem wieder näherzukommen. Die Entdeckung der fünf Leichen im Container D793 im Hafen von Magnapole führt zu einer erneuten „Verriegelung“ von Salia und Zem, was ihre ungewöhnliche Partnerschaft wiederbelebt. Salia wird unfreiwillig Zeugin und Teilnehmerin der brutalen Operationen der privaten Sicherheitsfirma NightForce, die „Unproduktive“ aus Zone 3 vertreibt und Zeugen eliminiert. Sie wird zum Teil des Kommandos, das die Journalistin Chicca Sanders ermordet, was sie in tiefe Schuldgefühle stürzt und sie sich selbst als „Monster“ bezeichnet. Zem tröstet sie in diesem Moment, und sie schließen einen Pakt, NightForce zu entlarven. Auf Kreta angekommen, wo die Bevölkerung für die Gewinnung der neuen Energiequelle Tassilium mittels der Droge Timarex versklavt wird, findet Salia eine neue Wut. In einem Akt der rasenden Wut und Rache erschießt sie Mazur Gobi, den Erfinder des Timarex und Architekten dieser Ausbeutung, um Fragma und die Minenarbeiter zu rächen.
Diese Tat markiert ihren vollständigen Übergang zum aktiven Widerstand. Salia, die ihre innere Zerrissenheit und die Lügen des Systems nicht länger ertragen kann, entscheidet sich für einen radikalen Schritt. Mithilfe ihres loyal gewordenen DataGulpers Motus, der aus Loyalität zu ihr GoldTex-Protokolle missachtet, hackt sie Barsoks feierliche Rede zur Eröffnung der „Neuen Kais“ in Magnapole. Auf allen Bildschirmen erscheint ihr Gesicht, und sie enthüllt öffentlich die systematische Ausbeutung in der „Zone 4“ (Kreta), die Lügen von GoldTex und die Existenz von Sklaven, die den Komfort Magnapoles ermöglichen. Ihre Rede ist bewusst vulgär und schockierend, eine Entladung des „Schmutzes“ und der „Scham“, die GoldTex ihr aufgezwungen hat. Nach dieser revolutionären Enthüllung entscheidet sie sich, in Kreta zu bleiben und sich den Rebellen anzuschließen, um dort weiterzukämpfen. Salia findet so ihre Identität und ihren Platz im Widerstand, indem sie die „Agentur“ zurückgewinnt und die Geschichte des Leidens und des Widerstands als „lebendiges Archiv“ weiterführt. Ihre Entwicklung ist ein Zeugnis der Möglichkeit, inmitten einer entmenschlichenden Dystopie Menschlichkeit und Widerstand zu bewahren.
Barsoks ambivalente Rolle
In Chien 51 ist Barsok ein aufstrebender Politiker, der das „Pilotage“-Protokoll für die Polizei initiiert. In Zem hat er sich als Führungspersönlichkeit etabliert, dem Zem als Leibwächter dient, und er spielt eine entscheidende Rolle in den politischen Entwicklungen der Stadt. Barsok wird als ehrgeiziger Kandidat für die Sicherheitskommission eingeführt, der geschickt seine Herkunft aus der verarmten Zone 3 nutzt, um sich als Populist zu inszenieren, der die „Demütigung“ der dortigen Bewohner versteht. Er verspricht, das „zonage humiliant“ zu beenden und Magnapole zu vereinen, indem er Zone 2 und Zone 3 zusammenführt. Barsok instrumentalisiert den Mord an Malek Pamouk, um seine politische Botschaft zu untermauern, indem er das Verbrechen als Folge der Verachtung der Zone 2 darstellt und nach Veränderung ruft. Er ist der Initiator des „Verrouillage“-Programms, das Polizisten aus Zone 2 und 3, wie Salia Malberg und Zem Sparak, paart, offiziell zur Stärkung der Polizeibehörden, doch sein Rivale Kanaka wirft ihm vor, die Morde zur Diskreditierung seiner Kandidatur genutzt zu haben. Barsok gesteht Sparak indirekt seine machiavellistische Denkweise ein, indem er die Frage stellt, ob man einem General die Toten seiner siegreichen Schlacht vorwerfe, womit er verdeutlicht, dass für ihn der Zweck die Mittel heiligt. Nach der Eliminierung von Skyros, dem wahren Verräter, rekrutiert er Sparak und enthüllt manipulativ, dass auch Léna Farakis, Zems große Liebe, als „Supplétif 50“ für GoldTex gearbeitet hat, um Sparaks emotionale Abhängigkeit zu festigen.
Im zweiten Band Zem ist Barsok weiter aufgestiegen und verkörpert nun das Gesicht des „Neuanfangs“ bei GoldTex. Als Chef der Sicherheitskommission arbeitet er pragmatisch mit seinem ehemaligen Rivalen Kanaka, dem Leiter der Direktionskommission, zusammen. Er ist der Motor der „Grands Travaux“ und propagiert weiterhin den populistischen Slogan „Une seule zone pour une seule ville!“ Barsok hegt eine globale Vision für GoldTex und strebt danach, MolochFirst und andere „Sociétés Monde“ zu übertreffen, insbesondere durch die Ausbeutung der neuen Energiequelle Tassilium. Ursprünglich rekrutierte er Zem zynisch als seinen Leibwächter, nachdem Zem einen ersten Krankenhausaufenthalt hatte, und bezeichnete ihn als „suizidal“ und ideal, um eine Kugel für ihn abzufangen. Er steht jedoch in Zems Schuld, da dieser ihm im Stadion das Leben rettete. Barsok beauftragt Zem mit der Untersuchung des D793-Container-Vorfalls und zeigt sich überrascht von den brutalen Methoden von NightForce und Oksana Tabor, wobei er Morde abstreitet, was auf echte Unkenntnis oder eine Strategie der plausiblen Leugnung hindeuten könnte. Er enthüllt Zem die Wahrheit über die Tassilium-Ausbeutung auf Kreta und die Rolle des „Consulors“ und schickt Zem unter dem Vorwand, Léna Farakis zu finden, dorthin, um den Consulor zu überwachen und gegebenenfalls zu eliminieren. Auf Zems Bitte hin sorgt Barsok für die medizinische Versorgung der schwer verletzten Salia Malberg, was seinen Pragmatismus und seine Bereitschaft zeigt, Schulden einzulösen.
Insgesamt lässt sich Barsok als ein skrupelloser, aber charismatischer Anführer interpretieren, der ein Meister der politischen Inszenierung ist und die Hoffnungen der Bevölkerung für seine eigenen Aufstiegspläne nutzt. Seine Fähigkeit, Menschen zu motivieren und für sich einzunehmen, steht im Kontrast zu seiner Bereitschaft, über Leichen zu gehen oder von Morden zu profitieren. Barsok symbolisiert die korrupte und ausbeuterische Natur der Konzernherrschaft, die sich hinter glänzenden Versprechungen und populistischen Reden verbirgt. Er repräsentiert die kalte Logik der Macht, die letztlich alle menschlichen Beziehungen und Ideale untergräbt, um die Dominanz von GoldTex zu sichern. Seine Entwicklung vom ambitionierten Kandidaten zum mächtigen Konzernführer verdeutlicht die umfassende Durchdringung und Kontrolle des Systems durch Konzerne, die sowohl auf lokaler als auch auf globaler Ebene agieren.
Die Wiederentdeckung von Léna
Léna Farakis, Zems große Liebe, die in Chien 51 als Verräterin oder verschollen galt, wird in Zem als aktive Anführerin der kretischen Rebellen enthüllt. Ihre hinterlassenen Botschaften im „Aldilà“ entlarven die manipulierte Natur ihres und Zems „Verrats“ und ebnen den Weg für Zems persönliche Befreiung.
In Chien 51 wird sie als Zems große Liebe aus seiner Jugend in Griechenland eingeführt. Sie war eine hitzköpfige und idealistische Aktivistin in der griechischen Untergrundbewegung, die sich mit Zem gegen die Übernahme ihres Landes durch GoldTex auflehnte und den Schwur teilte, dass „das Leben immer wichtiger bleiben würde als die Politik“. Nach der brutalen Niederschlagung des Aufstands wurde Zem erpresst und gezwungen, seine Freunde und Kameraden zu verraten, um Léna zu schützen. Für Zem war der Glaube, Léna gerettet zu haben, eine Art Wiedergutmachung für seinen Verrat. Diese Vorstellung wird jedoch in Chien 51 durch Barsoks manipulatives „Dankeschön“ zutiefst erschüttert, als er Zem enthüllt, dass Léna Farakis bereits als „Supplétif 50“ für GoldTex gearbeitet hatte – noch vor ihm selbst (Supplétif 51). Dies verwandelte Zems Akt der Rettung in eine bittere Selbsttäuschung und ließ ihn in tiefster Schuld und dem Gefühl des Verrats zurück, da sie – so die erste Schlussfolgerung – ihn ebenfalls verraten haben könnte.
In Zem erhält Léna Farakis‘ Geschichte eine wichtige Wendung, die ihr eine neue Identität als Symbol des Widerstands verleiht und Zems Verständnis ihrer gemeinsamen Vergangenheit verändert. Barsok offenbart Zem, dass Léna eine erfolgreiche Karriere im Bereich der „Contre-Concurrence“ bei GoldTex gemacht hatte, bevor sie vor sieben Jahren eine Versetzung beantragte, um Rebellen in Kreta auszubilden, die sich gegen MolochFirst auflehnten. Schließlich desertierte sie von GoldTex und schloss sich der kretischen Rebellion an. Diese Enthüllung stellt sie als eine Frau dar, die dem System den Rücken kehrte und sich aktiv dem Widerstand verschrieb, was Zem tief berührt und ihm die Gewissheit gibt, dass etwas in ihr „nicht gealtert“ ist. Salia findet später durch ihren DataGulper Motus heraus, dass Léna ein digitales „Aldilà“-Konto unter Zems ursprünglichem Namen „Sparakos“ eingerichtet hat. Durch die dort hinterlassenen Nachrichten erfährt Zem die volle Wahrheit: Léna hatte ebenfalls unter Zwang die Namen ihrer Genossen preisgegeben, in der Hoffnung, ihn zu retten, und wurde wie er gebrochen und zur „Supplétive“ gemacht. Diese Erkenntnis befreit Zem von seiner Schuld und Scham, da er nun versteht, dass ihre „Verrätereien“ von GoldTex manipuliert wurden, um sie zu brechen und ans System zu binden. Am Ende des zweiten Bandes wird bekannt, dass Léna sich nach Athen begeben hat, um dort den Widerstand gegen MolochFirst zu organisieren. Léna entwickelt sich somit von einer idealistischen Aktivistin, die vermeintlich zur Verräterin wurde, zu einer aktiven Anführerin des Widerstands und einer Figur, die durch Erinnerung und gemeinsame traumatische Erfahrungen eine tiefgreifende und unzerbrechliche Verbindung zu Zem bewahrt.
Politische Deutung
Laurent Gaudés Romane Chien 51 und Zem bieten eine dystopische politische Deutung gegenwärtiger gesellschaftlicher und politischer Tendenzen, wobei der zweite Band die in Chien 51 etablierten Themen vertieft und auf eine globale Ebene erweitert. Geographisch konzentriert sich Chien 51 primär auf die interne Dystopie Magnapoles, die soziale Ungleichheit innerhalb der Stadtmauern und die tiefgreifenden persönlichen Auswirkungen der Konzernherrschaft und des Verrats auf Zem Sparak. Der politische Kampf ist noch eher latent, individualistisch und auf die Aufdeckung von Korruption innerhalb des Systems fokussiert (z.B. „RealTest“).
Zem globalisiert die dystopische Erzählung. Es zeigt die internationale Reichweite von GoldTex‘ Ausbeutung und die Entstehung einer globalen „Zone 4“ außerhalb Magnapoles. Der Widerstand wird kollektiver, organisierter und aktiver, mit Schauplätzen in Kreta und Athen. Der Fokus verschiebt sich von individueller Resignation zu kollektiver Handlungsmacht, der Wiederherstellung von Identität durch Widerstand und der Konfrontation mit einem umfassenden globalen Konzernimperium.
Chien 51 zeichnet ein Bild einer Gesellschaft, die von der Allmacht des GoldTex-Konzerns dominiert wird. Der Konzern GoldTex hat wie ein Souverän Staaten wie Griechenland aufgekauft und regiert nun über deren Bürger, die zu „Cilariés“ (Bürger-Angestellten) degradiert werden. Dies spiegelt eine Warnung vor dem wachsenden Einfluss globaler Konzerne und der schwindenden Souveränität von Nationalstaaten wider. Die Megastadt Magnapole ist in streng hierarchische Zonen unterteilt: Zone 1 für die Eliten, Zone 2 für die Privilegierten und Zone 3 als Müllhalde der Gesellschaft, geprägt von Armut, Smog und Gewalt. Der Wohlstand von Zone 2 basiert direkt auf der Ausbeutung von Zone 3. Die Trennung wird durch Checkpoints aufrechterhalten, die mit Verachtung verwaltet werden. Die Stadt ist einem umfassenden Überwachungsnetzwerk unterworfen, und das System arbeitet aktiv am Vergessen kollektiver Geschichte.
Zentrum der Aufdeckung ist der „RealTest“-Skandal, bei dem Programm werden Menschen aus Zone 3 als unwissende Versuchskaninchen für experimentelle Implantate für die Reichen verwendet. Pamouk war selbst ein „RealTest“-Opfer und wollte diesen Skandal mit seinem Tod aufdecken. Zem Sparaks anfängliche Handlungsmacht ist gering, sein Weg ist von Selbstbestrafung und dem Wunsch nach Erlösung geprägt. Zems Rache an Skyros ist ein zutiefst persönlicher Akt, der durch seine eigene Vergangenheit motiviert ist.
Die politische Intrige dreht sich um den aufstrebenden, populistischen Politiker Golan Barsok, der seine Herkunft aus Zone 3 nutzt, um die Massen für sich zu gewinnen. Er initiiert das „Verrouillage“-Programm, das Polizisten aus Zone 2 und 3 paart, offiziell zur Stärkung der Polizeibehörden. Barsok instrumentalisiert aber auch den Mord an Malek Pamouk und später an Ira Cuprack, um seinen Rivalen Attilio Kanaka, den Leiter der Gesundheitskommission, zu diskreditieren und dessen Wahlkampf zu sabotieren. Er bedient sich hierfür Zacharias Solobek (alias Skyros) als ausführenden Sonderberater. Barsoks machiavellistische Denkweise artikulierte die Ansicht, dass der Zweck die Mittel heiligt, wenn es um Machtgewinn geht.
Zem führt die politische Analyse fort, indem es die dystopische Vision globalisiert und intensiviert. GoldTex operiert nicht nur in Magnapole, sondern weltweit in sogenannten „Ultra Mundum“ (UM)-Gebieten, die außerhalb der direkten GoldTex-Zonen liegen. Es herrscht ein intensiver globaler Wettbewerb mit anderen Großkonzernen wie MolochFirst um Ressourcen und Macht. Die Entdeckung der neuen Energiequelle Tassilium auf Kreta führt zur Schaffung einer „Zone 4“ – einer noch brutaleren Form der Ausbeutung. Die lokale Bevölkerung wird durch die stark süchtig machende Droge Timarex zur Zwangsarbeit in den Minen versklavt, wobei Mazrapédine zur Linderung der Entzugserscheinungen dient. Der ehemalige Lithium-Magnat Mazur Gobi ist der Architekt dieser „Zone 4“.
Barsok ist zum Leiter der Kommission für Großprojekte aufgestiegen und bildet eine pragmatische Allianz mit Kanaka. Er treibt große Infrastrukturprojekte voran und propagiert weiterhin eine populistische Rhetorik der Einheit („Eine einzige Zone für eine einzige Stadt!“). Trotzdem profitiert er von brutalen Methoden, bestreitet aber, direkte Befehle zu Morden gegeben zu haben.
Zum Schluss von Zem
Der Schluss von Zem ist keine Auflösung ins Positive, sondern ein hoffnungsvoller, wenngleich ernüchternder Ausblick auf individuellen Widerstand und neugewonnene Handlungsfähigkeit. In Chien 51 kulminiert Zems Handlung in einem Racheakt gegen Skyros. In Zem verschiebt sich der Fokus auf aktive Rebellion, das Aufdecken von Missständen und die Suche nach einem größeren Sinn durch den politischen und persönlichen Kampf. Salia wird zur öffentlichen Stimme des Widerstands, während Zem seine verlorene Heimat und Liebe wiederfindet und sich von seiner Schuld befreit.
Salia entscheidet sich, bei den Rebellen in Kreta zu bleiben und zu kämpfen. Ihr Höhepunkt ist die öffentliche Enthüllung von GoldTex‘ Verbrechen während der „Fünfhundert-Tage-Feier“ in Magnapole. Durch den Hack von Motus durchbricht sie die Propaganda und klagt das System in einer wütenden Rede an. Dies ist ein Akt der Befreiung von ihrer eigenen Scham und des ihr zugefügten Schmutzes, ein Zeugnis ihres Wandels von einer Systemmitläuferin zu einer leidenschaftlichen Rebellin. Ihre Rede ist ein Aufruf an die „Cilariés“, den Komfort abzulegen und ein authentischeres Leben zu suchen.
Je m’appelle Salia Malberg. Je suis née à Magnapole, en zone 3, parmi vous. Je vous connais. Je vous ai croisés. Je vous ai souri. J’ai fait l’amour avec certains d’entre vous durant les LOve Day. J’ai aimé les récompenses de GoldTex : les grades, les félicitations. Mais aujourd’hui, je suis la première cilariée à quitter volontairement Magnapole. Le monde dans lequel vous vivez est pourri. Quelque chose ment. Tout le temps. Il y a quelques semaines, un container est arrivé au port, rempli de corps. C’étaient des gens qui voulaient essayer de vous prévenir que GoldTex exploite, sur des terres lointaines, des hommes, des femmes et des enfants. Cela n’a servi à rien. GoldTex a tout étouffé. Alors ce soir, c’est à moi de vous le dire : il y a un autre monde. Loin de vous. Il ne ressemble pas à ce que vous dit Barsok. Il est plus violent, plus ravagé mais aussi plus beau que ce que vous pensez. Je vous parle aujourd’hui pour vous dire que nos dirigeants ont inventé une zone 4 que vous ne voyez pas, et qui n’existe que pour votre confort. Je vous parle pour vous dire que vous avez des esclaves sans le savoir. GoldTex vous dit qu’elle rejette les Rebuts. Ce n’est pas vrai. Elle les exploite. GoldTex vous dit qu’elle est, à elle seule, le monde entier, ce n’est pas vrai. Il y a d’autres mondes. GoldTex prétend que nous allons être riches et prospères mais elle ne dit pas que MolochFirst vient de lui voler le tassilium. Moi, Salia Malberg, née parmi vous, je vous le dis. Il est possible de tout quitter. Je vous le dis. Le confort vous soumet. Ne vivez plus dans un monde qui prévoit tout, dans un monde qui a tué la rencontre et l’inattendu. Tout peut être renversé. Les Sociétés Monde sont comme les empires, ce sont des géants aux pieds d’argile.
Mein Name ist Salia Malberg. Ich wurde in Magnapole, Zone 3, unter euch geboren. Ich kenne euch. Ich bin euch begegnet. Ich habe euch angelächelt. Ich habe mit einigen von euch während der LOve Days geschlafen. Ich habe die Belohnungen von GoldTex geliebt: die Ränge, die Glückwünsche. Aber heute bin ich die erste Cilarie, die Magnapole freiwillig verlässt. Die Welt, in der ihr lebt, ist verdorben. Etwas stimmt nicht. Schon eine ganze Zeit. Vor einigen Wochen kam ein Container im Hafen an, voller Leichen. Es waren Menschen, die euch warnen wollten, dass GoldTex in fernen Ländern Männer, Frauen und Kinder ausbeutet. Es hat nichts genützt. GoldTex hat alles vertuscht. Deshalb ist es heute Abend an mir, euch zu sagen: Es gibt eine andere Welt. Weit weg von euch. Sie ist nicht so, wie Barsok euch erzählt. Sie ist gewalttätiger, zerstörter, aber auch schöner, als ihr denkt. Ich spreche heute zu euch, um euch zu sagen, dass unsere Führer eine Zone 4 erfunden haben, die ihr nicht sehen könnt und die nur zu eurem Komfort existiert. Ich spreche zu euch, um euch zu sagen, dass ihr Sklaven habt, ohne es zu wissen. GoldTex sagt euch, dass sie die Ausgestoßenen ablehnt. Das ist nicht wahr. Sie beutet sie aus. GoldTex sagt euch, dass sie allein die ganze Welt ist, das ist nicht wahr. Es gibt andere Welten. GoldTex behauptet, dass wir reich und wohlhabend werden, aber sie verschweigt, dass MolochFirst ihr gerade das Tassilium gestohlen hat. Ich, Salia Malberg, geboren unter euch, sage es euch. Es ist möglich, alles hinter sich zu lassen. Ich sage es euch. Der Komfort unterwirft euch. Lebt nicht länger in einer Welt, die alles vorhersieht, in einer Welt, die Begegnungen und das Unerwartete zerstört hat. Alles kann umgestürzt werden. Die Weltkonzerne sind wie Imperien, sie sind Riesen auf tönernen Füßen.
Dieser Auszug ist ein radikales Manifest der Rebellion und Entfremdung Salias. Sie nutzt die feierliche Einweihung der Neuen Kais, um öffentlich die Wahrheit über GoldTex zu enthüllen, indem sie die Übertragung der Zeremonie hackt. Ihre Rede ist eine brutale Abrechnung mit dem Konsumismus und der Heuchelei der Gesellschaft von Magnapole. Salia stellt sich als eine von ihnen vor, eine „cilariée“ aus Zone 3, um dann radikal mit dieser Identität zu brechen. Sie erklärt sich zur „ersten cilariée, die Magnapole freiwillig verlässt“, was eine Abkehr vom vorherrschenden System darstellt. Sie deckt die Gräueltaten von GoldTex auf, insbesondere die Existenz der „Zone 4“ auf Kreta, wo Menschen versklavt und ausgebeutet werden, um Tassilium zu gewinnen, und die „Rebuts“ nicht weggeworfen, sondern „ausgebeutet“ werden. Die Leichen im Container D793 waren Freiwillige, die die Welt warnen wollten, was GoldTex unterdrückte. Salia fordert die Bevölkerung auf, ihr komfortables, aber lügenhaftes Leben zu hinterfragen und sich der „Unterwerfung“ durch den Komfort zu entziehen. Sie betont, dass „alles umgeworfen werden kann“ und die „Weltgesellschaften“ Riesen auf tönernen Füssen sind. Der Auszug kulminiert im oben zitierten Schwall obszöner, roher Sprache, den sie als „fleuve de boue“ (Dreckfluss) bezeichnet. Dieser Ausbruch ist ein Akt der Befreiung von der Scham und Wut, die GoldTex in ihr hervorgerufen hat, und dient als Spiegelbild der „Verkommenheit“ Magnapoles. Es ist eine zutiefst persönliche und gleichzeitig politische Erklärung, die das System nicht nur intellektuell, sondern auch viszeral angreift.
Zem, befreit von seiner Schuld durch die Erkenntnis über Lénas wahren „Verrat“, entscheidet sich, nach Athen zurückzukehren, um Léna zu finden. Er nimmt seinen ursprünglichen Namen Stélios Sparakos nicht wieder an, sondern behält den Namen „Zem“, der die Jahre seiner Wanderschaft symbolisiert – eine Verschmelzung seiner griechischen Herkunft und Magnapole-Erfahrung. Sein Glaube, dass „das Leben stärker ist als alles andere“, und die Suche nach Léna geben ihm einen neuen Lebenssinn und eine Form der Freiheit. Die symbolische Geste der Berührung – Zems Hand, die Lénas Gesicht streichelt – soll dreißig Jahre der Abwesenheit, Scham und Entschuldigungen auslöschen.
Obwohl die Protagonisten einen neuen Sinn finden, enden die Romane nicht mit einer vollständigen Auflösung der dystopischen Bedrohungen. Der globale Kampf zwischen GoldTex und MolochFirst um Tassilium geht weiter. Der Widerstand auf Kreta und in Athen bleibt aktiv, aber sein endgültiger Ausgang ist offen. Der Schluss bekräftigt die Wichtigkeit von Wahrheit, Identität und Widerstand gegen ein entmenschlichendes System. Es ist ein Appell zur Wachsamkeit und zur Weigerung, die „Wirklichkeit“ der Mächtigen zu akzeptieren, und betont, dass auch kleine, persönliche Akte des Widerstands und des Erinnerns von Bedeutung sind.
Anmerkungen- Vgl. Actualitte.com.>>>