Schöne Lüge: Philippe Mezescaze

Wiedergänger

Philippe Mezescazes scheinbar autofiktionaler Roman Mercurio (Mercure de France, 2025) ist eine Meditation über Erinnerung, Begehren, Freundschaft und die Unmöglichkeit, die Wahrheit eines Menschen festzuhalten, als mentir vrai, als bella menzogna. Erzählt wird die Geschichte einer langjährigen Dreierbeziehung zwischen dem Ich-Erzähler, seinem Lebenspartner Almano und dem titelgebenden Mercurio, einer ebenso charismatischen wie widersprüchlichen Figur. Der Roman beginnt mit Mercurios plötzlicher Wiederkehr nach Jahren der Abwesenheit, gefolgt von einer vagen Andeutung einer schweren Krankheit. Doch was als dokumentarischer Erzählbericht beginnt, entfaltet sich rasch zu einem vielschichtigen poetischen Text, der mit Fiktion und Erinnerung, Mythos und Lüge spielt.

Mercurio lebt von seiner Schönheit und macht sie zur Ware in einem Spiel aus Verführung, Geld und Lüge. Seine Geschichten sind ein Geflecht aus Halbwahrheiten, erfundenen Reisen und nie realisierten Filmprojekten. Er behauptet, einen reichen Amerikaner als Gönner zu haben – doch dieser ist längst tot. Er will Schauspieler werden – aber seine Karriere bleibt ein Trugbild. So verkörpert er das Prinzip der Fiktion: Er erfindet sich selbst immer wieder neu. Mercurio ist keine Figur der Entwicklung, sondern des Verschwindens – ein flüchtiger Traum.

Im Zentrum steht die Frage: Wer oder was ist Mercurio? Eine reale Person? Ein Mythos? Ein Projektionsbild des Begehrens? Und wie verändert die sprachliche Konstruktion dieser Figur unsere Wahrnehmung von Wahrheit, Freundschaft und Subjektivität? Der Roman kreist in dichten Szenen um Wiederkehr und Verschwinden, Erfindung und Intimität, um eine Beziehung, die sich dem Verstehen entzieht und gerade darin ihre Kraft entfaltet.

Der Romanbeginn von Mercurio als poetisch-programmatische Setzung

Der erste Satz von Philippe Mezescazes Mercurio lautet: „Il était revenu pour mourir et ressusciter.“ Diese Formulierung bringt die existenzielle Schwebe, das Spiel mit Pathos und Ironie, mit Lüge und Offenbarung auf den Punkt, das den gesamten Roman durchzieht. Der Romanbeginn kündigt als poetische Setzung in nuce zentrale Motive, Haltungen und Strukturen des Gesamttextes an. Zunächst ist der Satz keine Feststellung, sondern eine Hypothese, ist kein Faktum, sondern ein Möglichkeitsraum. Das „pour“ ist intentionale Projektion, keine Tatsachenbeschreibung. Schon hier zeigt sich die Tendenz des Romans zur mythopoetischen Überhöhung, zur Ästhetisierung realer Erfahrungen in symbolischer Form. Der Tod und die Auferstehung sind religiöse, archetypische Metaphern – sie verweisen auf Transformation, aber auch auf Inszenierung. Mercurio erscheint von Beginn an nicht als psychologisch greifbare Figur, sondern als performative, märchenhafte Gestalt, als Wiedergänger.

Die Unschärfe dieser Rückkehr – zwischen Sterben und Auferstehen – wird in den folgenden Sätzen weitergeführt: Mercurio kann in das Leben des Trios (mit Almano) zurückkehren, weil dieser keine Fragen fürchtet. Die Gemeinschaft mit ihm ist geprägt von Komplizität und einem „abstinenten Blick“, der die Widersprüche nicht auflöst, sondern hinnimmt. Damit ist eine weitere zentrale Haltung des Romans benannt: das Einvernehmen im Schweigen. Die Erzählung lebt nicht von Aufklärung, sondern von atmosphärischer Verdichtung.

Darüber hinaus bringt der Romanbeginn die poetische Sprache des Textes zur Geltung. Mezescaze arbeitet mit langen, rhythmisch gearbeiteten Sätzen, mit leicht altertümelnder Syntax, mit einem Vokabular der Schatten und Spiegelungen („ombres“, „poisons“, „spirale de l’histoire“). Diese Sprachbewegung kreiert eine dämmerhafte Erzählwelt, in der Wirklichkeit und Imagination nicht trennbar sind. Die Geschichte will nicht Chronik, sondern ästhetische Wiedererschaffung sein. Der Roman beginnt somit nicht mit einem realistischen Setting, sondern mit einem stilisierten, symbolisch aufgeladenen Auftritt einer Figur, die nicht fassbar, sondern erfahrbar ist. Insofern ist der Romanbeginn keine Einführung im klassischen Sinn, sondern eine symbolische Setzung: Er etabliert den Raum der Ambivalenz, in dem sich der Text bewegt. Was erzählt wird, ist kein Protokoll, sondern eine Möglichkeit, eine Annäherung an ein Leben, das sich dem Zugriff entzieht. Der Beginn ist somit emblematisch für die Erzählhaltung des Romans: lyrisch, melancholisch, uneindeutig bleibend.

Diese poetische Grundhaltung bleibt für den Gesamttext bestimmend. Mercurios Rückkehr bleibt vage, sein Körper ist kaum gealtert, seine Kleidung verweist auf Jugendlichkeit (Capuche, Sneakers), seine Sprache bleibt kryptisch. Er ist ein Wiedergänger, ein schöner Lügner, ein möglicherweise todkranker Betrüger – oder ein verzweifelter Freund. Der Romanbeginn lässt all dies zu und fixiert nichts.

Unterlaufen von Autofiktion

Spiralen und Ellipsen

Der Roman folgt keiner linearen Chronologie. Vielmehr ist seine Struktur zyklisch, ja spiralisch. Immer wieder kehrt Mercurio zurück, immer wieder verschwindet er. Die Erzählung bewegt sich zwischen gegenwärtigen Begegnungen (z. B. in Paris oder Barcelona) und Erinnerungen, die teilweise Jahrzehnte zurückliegen. Diese Zeitsprünge folgen keiner klaren Ordnung, sondern einem affektiven Muster: Erzählt wird, was sich im emotionalen Gedächtnis des Ich-Erzählers festgesetzt hat.

Die Handlungsstruktur des Romans ist damit bewusst episodenhaft, lose, mehr durch Atmosphäre als durch Kausalität zusammengehalten. Wiederkehrende Motive (z. B. das „Salut, ça va?“, der Katzenbesuch auf dem Balkon, das gemeinsame Essen, das Radfahren bei Nacht) schaffen eine poetische Kohärenz, die eine logische Struktur ersetzt.

Mercurio als Merkur

Mercurio bittet den Erzähler, ein Kindheitsgericht für ihn zuzubereiten, um die Erinnerung an seine Mutter neu zu durchleben. Der Akt des Essens wird zur symbolischen Wiederholung einer traumatischen Beziehung: „Je la regardais faire, elle me souriait, son sourire me semblait franc et loyal. […] Je me faisais vomir.“ Die Szene zeigt, wie tief sich psychische Verletzungen im Alltäglichen einnisten, wie Erinnerung körperlich wird.

Mercurio ist keine kohärente Figur im klassischen Sinne. Er bleibt widersprüchlich, flüchtig, brückenlos zwischen Kind und Erwachsenem, Schönheit und Zerstörung, Wahrheit und Lüge. Er erzählt widersprüchliche Geschichten über seine Herkunft (Botschaftersohn, Archäologensohn, sizilianischer Bastard), bleibt ohne klaren Beruf (mal Gigolo, mal Schauspieler, mal Nichts) und lebt ohne festen Wohnsitz. Psychologisch betrachtet ist Mercurio narzisstisch, aber auch verletzlich, aggressiv, aber kindlich. Er zeigt Züge eines Mythomanen, aber auch eines traumatisierten Subjekts. Er wiederholt obsessiv Geschichten über seinen Vater und seine Mutter, ohne je in eine heilende Verarbeitung zu gelangen. Seine Sexualität ist impulsiv, oft gewaltsam, nicht lustvoll, sondern destruktiv: „Il les écrasait, il les saccageait.“

Auf der Ebene der Metaphorik ist Mercurio eine Verkörperung des queeren Mythos: sein Name erinnert an Merkur, den römischen Gott der Reisenden, Diebe, Kaufleute – und der Vermittlung zwischen den Welten. Mercurio ist genau das: Grenzgänger, Gestaltwandler, Bote. Er hat keine Substanz, sondern wandelt ständig seine Form, seine Erzählungen, seine Rollen. Sein ständiges „Salut, ça va?“ – eine übermäßig betonte, bedeutungsleere Geste – steht exemplarisch für seine existenzielle Oberflächlichkeit, die jedoch eine tiefe Sehnsucht nach Aufmerksamkeit und Liebe verbirgt.

Kommunikation und Erzählhaltungen

Der Roman zeigt ein komplexes Wechselspiel zwischen Sprechen und Schweigen, Wahrheit und Inszenierung. Mercurio spricht viel, aber seine Aussagen sind oft leer oder widersprüchlich. Er lügt, aber nie eindeutig; er inszeniert sich, aber nie vollständig. Die anderen Figuren, vor allem der Ich-Erzähler, verzichten auf Konfrontation. Fragen werden selten gestellt, Zweifel selten ausgesprochen. Die Kommunikation folgt einer stillschweigenden Komplizität, einem queeren Code des „don’t ask, don’t tell“.

Mercurio erzählt von einem schwarzen Kater, der nachts zu ihm kommt, sich auf den Tisch legt, ihn ansieht, aber sich nicht streicheln lässt. Diese Szene ist eine Metapher für die Unverfügbarkeit von Intimität. Mercurio interpretiert den Kater als Seele eines Unbekannten, der ihn zur wahren Existenz führen wird. Die Szene verdichtet das Motiv des „Begehrens ohne Erfüllung“: der Andere bleibt fremd, und doch ist er Träger einer Hoffnung auf Erlösung.

Der Erzähler selbst wechselt zwischen distanzierter Beobachtung und poetischer Introspektion. In manchen Passagen beschreibt er Mercurio fast dokumentarisch, in anderen überhöht er ihn zu einer mythischen Figur. Seine Haltung schwankt zwischen Faszination, Ekel, Mitleid, erotischer Anziehung und ironischer Distanz. Diese Vielstimmigkeit zeigt die Ambivalenz des Begehrens und der Freundschaft: Man kann jemanden lieben, ohne ihm zu vertrauen; man kann sich mit jemandem verbunden fühlen, der einen verletzt.

Poetik der Spur

Mercurio nimmt den Erzähler mit auf eine riskante Vespa-Fahrt durch Paris. Die Geschwindigkeit, das Spiel mit dem Tod, die sinnliche Nähe werden zur Metapher für die Beziehung insgesamt: berauschend, gefährlich, destruktiv. Der Erzähler ist blind, ausgeliefert, aber er erlebt eine Art euphorischen Kontrollverlust: „Le dos de Mercurio était un mur dressé devant les images du danger.“

Der Erzähler ist Schriftsteller. Das Erzählen selbst ist ein Versuch, Mercurio zu fassen, zu bewahren, zu verstehen – aber auch ein gescheitertes Unternehmen. Der Text macht keine abschließende Diagnose, keine psychologische Deutung. Vielmehr zeigt er die Unmöglichkeit, den anderen zu begreifen. Schreiben ist Spurensicherung, nicht Auflösung. Es geht nicht um Wahrheit, sondern um Atmosphäre, Affekt, das „Gefühlte“. Der Erzähler sagt: „Un récit, c’est la vie en plus serrée.“ – Der Roman ist also nicht Lebensbeschreibung, sondern Verdichtung. Was erzählt wird, ist nicht das, was war, sondern das, was geblieben ist: Splitter, Bilder, Gesten, Stimmen.

Zur Lektüre von Abraham

Die Besprechung von Patrick Abraham zu Mercurio in La cause littéraire vergleicht die Titelfigur mit Monsieur de Bougrelon (1897) von Jean Lorrain. Abraham sieht in Mezescazes Mercurio einen modernen Wiedergänger des literarischen Dandys und Mythomanen Bougrelon: Beide Figuren sind Konstruktionen ihrer selbst, die mit schillernden Erzählungen und fabulierter Vergangenheit versuchen, eine glanzvolle Identität aufrechtzuerhalten. Der Vergleich dient Abraham als hermeneutischer Schlüssel: Mercurio wird als poetologisches Spiel mit Wahrheit und Täuschung gelesen, wobei die Figur Mercurio zwischen Melancholie, Illusion, Selbststilisierung und Narzissmus changiert. Die Titelfigur ist ein schillernder Mythomane, ein „bonimenteur“, ein sozialer Aufsteiger im Milieu der homosexuellen Subkultur. Abraham zeichnet das Porträt eines schönen, narzisstischen Gigolos, der sich seine Identität aus Lügen, sexuellen Beziehungen, Markenmode und erfundenen Karrieren zusammenspinnt. Das Spiel mit der Wahrheit kulminiert in einer möglicherweise erfundenen Krebserkrankung – ein Symptom für seine permanente Selbstinszenierung. Mercurio wird zur „projizierten Fiktion“, zur leeren Hülle, die sich über Sprache, Sex und Schein existenziell behauptet. Doch Abraham sieht darin nicht bloß moralischen Verfall, sondern literarisches Programm: ein poetisches Verfahren, das Lüge als existenzielle Strategie begreift.

Abraham ordnet den Roman in die gegenwärtige Mode der Autofiktion ein, übt daran aber grundsätzliche Kritik. Im Gegensatz zu literarischen Transfigurationsleistungen etwa eines Jean Genet sieht er in Mezescazes autofiktionalem Verfahren – in dem reale Personen wie Téchiné oder Nolot auftreten – eher eine „Regression“, ein Zurückweichen vor der „Fabel“ und eine „Obsession für das Intime“. Abraham stellt die Frage, ob dies Ausdruck von Kreativitätsmangel, Zeitgeist-Egomanie oder Marktdruck sei – lässt die Antwort jedoch offen. Gleichwohl deutet er an, dass Mercurio über diese Kritik hinauskomme, indem es das autofiktionale Verfahren selbst hinterfrage und unterlaufe. Im Mittelpunkt steht eine Art „triade exquise“: der Erzähler, sein Gefährte Almano und Mercurio. Trotz immer neuer Hinweise auf Mercurios Unwahrheiten bleiben Erzähler und Almano fasziniert. Abraham fragt, warum: Ist es die Flucht vor der Banalität? Die Anziehungskraft des schillernden Dandys? Oder ein Wunsch nach ästhetischer Kompensation für das eigene „bürgerlich-konforme“ Leben? Diese Perspektive offenbart eine doppelte Reflexion: Die Faszination für Mercurio wird zur Metapher für die Anziehungskraft der Fiktion selbst – ein Spiel mit Enttäuschung und Illusion. In der Lüge erkennt Abraham ein „mentir-vrai“ im Sinne Artauds oder Genets: Fiktion als höhere Wahrheit, als Möglichkeit, über Inszenierung und Fälschung emotionale oder existentielle Wahrheiten zu erzeugen. Die Fiktion wird hier nicht negiert, sondern durchgespielt – auch wenn der Text formal eine autobiographische Struktur vorgibt. Der Schluss der Rezension nimmt diese Dialektik auf: Mercurio steht für Literatur selbst – mit ihren „Lehren, Arrangements, Verzauberungen, Träumen und Lügen“, die unsere „graue Realität“ durchbrechen. Mezescaze inszeniert demnach zwar einen autofiktionalen Text, der scheinbar dem Realismus verpflichtet ist, nutzt diese Form aber, um sie zu unterwandern. So wird Mercurio zur komplexen Weiterentwicklung seines Erzählprojekts seit Deux garçons (2014), das Mezescaze mit einem melancholischen Blick auf verlorene Schönheit, queere Erinnerung und literarische Transfiguration ausstattet.

Philippe Mezescaze, Deux garçons.

Fatalement guéri!

Mercurio ist ein Roman über das Begehren nach dem Undarstellbaren. Mercurio selbst ist weniger ein Mensch als ein Prinzip: das Prinzip der Unfassbarkeit, der schönen Lüge, der Sehnsucht ohne Ziel. Die Beziehung zu ihm ist asymmetrisch, brüchig, aber auch unauflöslich. Die Erzählung wird dadurch nicht zur Therapie, sondern zum Raum einer poetischen Wahrheitsfindung. Der Schluss des Romans bringt diese Ambivalenz auf den Punkt. Mercurio ruft: „Je suis guéri, fatalement guéri!“ Dieser Satz lässt sich sowohl als Triumph wie als Todesurteil lesen. Das Wort „fatalement“ kippt die Aussage ins Tragische. Heilung wird zur Endgültigkeit, zur Erschöpfung. Der Roman endet mit einem Ausruf, nicht mit einer Antwort – ein Schluss, der keine Gewissheit bringt. Eine vorerst letzte Nachricht Mercurios vor dem Bruch mit den beiden verhöhnt die Binarität von Wahr und Falsch:

Dernier message aux deux petits-bourgeois. Vous devriez lire l’entièreté de La Comédie humaine de Balzac, pour acquérir un peu plus de complexité et de profondeur et surtout obtenir l’intelligence du cœur sur la réalité des êtres et les pathologies sociales dont vous faites partie, pour vous sortir de votre conformisme bourgeois. Vous êtes des personnes de peu d’esprit, vous qui vous croyez fins, vous n’êtes que deux petits prétentieux incultes, au narcissisme morbide, avec un pauvre langage d’appréhension de la réalité. De toute façon je sais que vous n’avez même pas le niveau pour comprendre cela. Maintenant, propos à un fouille-merde et petit mouchard. André te méprise, je ne suis pas sûr que tu sois vraiment allé le voir. Si c’est le cas André a été lâche de te recevoir, de toute façon il a toujours été lâche. Tu n’as aucune légitimité morale ni même intellectuelle pour me juger, la seule que tu possèdes est immorale. Si tu savais avec qui je passais mon temps chaque fois que je disais que j’étais avec André, tu te rendrais compte qu’il n’est pas grand-chose dans la hiérarchie bourgeoise que je fréquente et tu baverais de jalousie. La vérité ne se trouve pas dans ton petit cerveau malheureux. Il ne faut pas voir les choses de manière bêtement binaire, ou vraies ou fausses. Le vrai et le faux se parlent, le dépassement et la synthèse des deux amènent à la vérité. Le faux exprime donc quelque chose qu’il ne faut surtout pas rejeter. Se contenter de réfuter ce n’est pas comprendre, il faut voir ce que contient de vrai la réfutation. Rien de plus facile que de critiquer, de voir quelque chose par le caractère négatif ; c’est surtout le goût des imbéciles. Mais si on ne voit que la négation, on ignore le contenu qui lui est affirmatif, on le dépasse sans se trouver à l’intérieur et l’on n’a pas pénétré l’objet. Reconnaître ce qui est bien et vrai exige une maturité, la vanité en est flattée, on croit dépasser ce que l’on réfute, mais on ne le dépasse ni le pénètre. Élève et enrichis-toi l’esprit plutôt que de trouver satisfaction à t’occuper des morts dans tes livres, à ce que je sais. Ce qui est historique du passé est mort. C’est un cœur défunt en proie au désespoir qui s’occupe de ce qui est mort et des cadavres, à vagabonder de tombe en tombe.

Letzte Nachricht an die beiden Kleinbürger. Ihr solltet Balzacs gesamte Comédie humaine lesen, um etwas mehr Komplexität und Tiefe zu erlangen und vor allem die Intelligenz des Herzens für die Realität der Menschen und die sozialen Pathologien, zu denen ihr gehört, zu erlangen, um euch aus eurem bürgerlichen Konformismus zu befreien. Ihr seid geistlos, ihr haltet euch für schlau, aber ihr seid nur zwei kleine, ungebildete Angeber mit einem morbiden Narzissmus und einer armseligen Sprache, um die Realität zu begreifen. Ich weiß sowieso, dass ihr nicht einmal das Niveau habt, um das zu verstehen. Nun zu einem Scheißkerl und kleinen Verräter. André verachtet dich, ich bin mir nicht sicher, ob du ihn wirklich besucht hast. Wenn ja, war André feige, dich zu empfangen, aber er war ja schon immer feige. Du hast weder moralische noch intellektuelle Legitimität, mich zu verurteilen, die einzige, die du hast, ist unmoralisch. Wenn du wüsstest, mit wem ich meine Zeit verbrachte, wenn ich sagte, ich sei mit André zusammen, würdest du erkennen, dass er in der bürgerlichen Hierarchie, in der ich verkehrte, nicht viel bedeutet, und du würdest vor Neid sabbern. Die Wahrheit findet sich nicht in deinem kleinen, unglücklichen Gehirn. Man darf die Dinge nicht so dumm binär sehen, entweder wahr oder falsch. Wahr und falsch sprechen miteinander, die Überwindung und Synthese beider führt zur Wahrheit. Das Falsche drückt also etwas aus, das man auf keinen Fall ablehnen darf. Sich mit einer Widerlegung zufrieden zu geben, bedeutet nicht, etwas zu verstehen. Man muss sehen, was an der Widerlegung wahr ist. Nichts ist einfacher, als zu kritisieren, etwas negativ zu sehen; das ist vor allem die Vorliebe der Dummköpfe. Aber wenn man nur die Verneinung sieht, ignoriert man den bejahenden Inhalt, man geht daran vorbei, ohne sich darin zu befinden, und man hat das Objekt nicht durchdrungen. Das Gute und Wahre anzuerkennen erfordert Reife, die Eitelkeit wird dadurch geschmeichelt, man glaubt, das zu überwinden, was man widerlegt, aber man überwindet es nicht und dringt auch nicht in es ein. Bildet euch und bereichert euren Geist, anstatt euch damit zu befassen, was in euren Büchern über die Toten steht, soweit ich das beurteilen kann. Was historisch in der Vergangenheit liegt, ist tot. Ein totes Herz, das der Verzweiflung verfallen ist, beschäftigt sich mit dem, was tot ist, und mit Leichen, und wandert von Grab zu Grab.

Der Roman fragt letztlich: Wie erinnern wir das, was nicht fassbar war? Wie lieben wir das, was sich uns entzieht? Und wie schreiben wir über das, was uns überlebt hat?


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