Globale Orte, geteilte Bedeutungen: Olivier Wieviorka und Michel Winock

In ihrem Werk Les lieux mondiaux de l’histoire de France (Perrin, 2025) unternehmen die Herausgeber Olivier Wieviorka und Michel Winock gemeinsam mit einem Ensemble renommierter Historiker ein intellektuelles Wagnis: Sie dezentrieren die französische Nationalgeschichte und suchen nach jenen Orten außerhalb des vertrauten „Hexagone“, an denen das Schicksal und die Identität der Nation maßgeblich mitgeformt wurden. Das Buch bricht mit der Vorstellung einer rein binnenstaatlich isolierten Historie und entwirft stattdessen eine globale Topografie der französischen Erinnerung, die von den Schlachtfeldern Indochinas bis zu den Salons der Schweiz und den Küsten Senegals reicht.

Frankreichs Geschichte als globales Netzwerk: Orte und Räume

Das Buch verdeutlicht, dass Frankreichs Schicksal oft weit entfernt von Paris entschieden wurde. Die Autoren verknüpfen die nationale Identität mit einer Vielzahl globaler Räume, die sich in verschiedene Kategorien unterteilen lassen:

Zunächst sind da die Schauplätze militärischer Mythen und Traumata. Die Geschichte beginnt paradoxerweise in Hastings (1066), wo die normannische Eroberung England und Frankreich auf eine Weise miteinander verband, die bis heute in der Sprache und im Recht nachwirkt, obwohl Frankreich diesen Sieg lange Zeit kaum als „national“ beanspruchte. In der Neuzeit ragt Austerlitz (1805) als „Sonne des Triumphs“ und Inbegriff napoleonischen Genies heraus. Doch das Werk zeigt auch die Kehrseite: Waterloo (1815) wird als „glorreiche Niederlage“ analysiert, die paradoxerweise mehr zur Legendenbildung beitrug als viele Siege, während Orte wie Diên Biên Phu (1954) das schmerzhafte Ende imperialer Träume und den Beginn einer neuen Weltordnung markieren.

Ein zweiter Schwerpunkt liegt auf den Räumen kolonialer Ambivalenz. Die Autoren beleuchten Orte wie die vier Kommunen Senegals (Dakar, Gorée, Rufisque, Saint-Louis), in denen bereits im 19. Jahrhundert Experimente mit der französischen Staatsbürgerschaft für die koloniale Bevölkerung stattfanden. In Casablanca inszenierte sich Frankreich als moderne Schutzmacht, die Chicago nacheifern wollte, während die Umwandlung der Ketchawa-Moschee in Algier in eine Kathedrale (1832) den gewaltsamen kulturellen Bruch der Kolonisation symbolisiert. Auch die französische Konzession in Shanghai (ein abgegrenztes Stadtviertel, das unter der Verwaltung und Gerichtsbarkeit Frankreichs stand) zeigt Frankreich als imperialen Akteur, der ein „Paris des Orients“ erschaffen wollte, das jedoch ein fragiles, oft auf moralisch zweifelhaften Pakten beruhendes Gebilde blieb.

Drittens untersucht das Buch Frankreichs „Soft Power“ und intellektuelle Strahlkraft. Die Freiheitsstatue in New York wird nicht nur als Monument der Freiheit, sondern als strategisches Geschenk analysiert, das die durch das Second Empire belasteten französisch-amerikanischen Beziehungen heilen sollte. Erstaunliche Verbindungen zeigen sich in der brasilianischen Flagge, die mit dem Motto „Ordem e Progresso“ ein direktes Erbe des französischen Positivismus von Auguste Comte trägt. Auch das Institut Pasteur in Nha Trang (Vietnam), gegründet von Alexandre Yersin, wird als Ort einer „geteilten Wissenschaft“ gewürdigt, der heute als Brücke zwischen den ehemaligen Feinden dient.

Schließlich werden Orte des Exils und der politischen Symbole betrachtet. Auf St. Helena meißelte Napoleon an seinem eigenen Mythos und verwandelte das Elend von Longwood in eine weltweite Legende. Victor Hugo machte die Insel Guernsey zu einem „Geschenk an das Exil“, wo er Weltliteratur wie „Les Misérables“ schuf, während Mme de Staël das schweizerische Schloss Coppet zum intellektuellen Widerstandszentrum gegen Napoleon ausbaute. Sogar das kanadische Montréal wurde 1967 durch De Gaulles Ausruf „Vive le Québec libre!“ zu einem weltweiten Fixpunkt französischer Außenpolitik und nationaler Selbstbehauptung.

Bewertung der Methode: Eine Globalisierung der „Lieux de mémoire“

Die methodische Herangehensweise von Wieviorka und Winock ist als eine konsequente Weiterentwicklung und Globalisierung von Pierre Noras Konzept der „Lieux de mémoire“ (Erinnerungsorte) zu bewerten. Anstatt eine lineare Chronologie zu verfolgen, nutzt das Buch 24 emblematische „Ankerpunkte“ im Ausland, um das nationale Narrativ zu hinterfragen. Dieser Ansatz ist aus mehreren Gründen innovativ und wissenschaftlich wertvoll:

Multiperspektivität und Dialog: Das Werk beschränkt sich nicht auf die französische Sicht. Es thematisiert die „geteilte Erinnerung“ (mémoire partagée), die oft zwischen Verherrlichung und Bestreitung schwankt. So wird etwa die Erinnerung an den Suezkanal oder die Schlacht von Diên Biên Phu sowohl aus französischer als auch aus ägyptischer bzw. vietnamesischer Perspektive beleuchtet.

Verknüpfung von Materiellem und Immateriellem: Die Beiträge untersuchen nicht nur geografische Fakten oder Architektur, sondern die Erinnerungskultur, die an diesen Orten haftet. Ein Beispiel ist die Kirche Saint-Louis-des-Français in Rom, die heute für viele Touristen mehr mit Caravaggio als mit der französischen Nation verknüpft ist.

Dekonstruktion von Mythen: Die Autoren scheuen sich nicht, nationale Mythen zu dekonstruieren. So wird die Bedeutung der Schlacht von Bir Hakeim zwar als heroischer Akt gewürdigt, aber gleichzeitig militärhistorisch in den Kontext der britischen Rückzugsgefechte eingeordnet, was die rein französische Sichtweise objektiviert.

Das Bild von Frankreich: Eine Nation jenseits ihrer Grenzen

Welches Gesamtbild dieser Nation ergibt sich abschließend aus diesem ambitionierten Vorhaben? Frankreich erscheint hier nicht als isolierte, in sich geschlossene Festung, sondern als ein dynamischer, oft widersprüchlicher globaler Akteur. Das resultierende Bild ist zutiefst ambivalent: Einerseits wird Frankreich als eine Zivilisationsmacht gezeichnet, deren Werte (Freiheit, Positivismus, Wissenschaft) eine enorme Anziehungskraft ausübten. Die universale Geltung der Ideale von 1789 wird an Orten wie New York oder Montréal greifbar.

Andererseits werden die Schattenseiten und moralischen Brüche nicht ausgespart. Das Buch dokumentiert die Arroganz der Macht in Shanghai, die Gewalt der Kolonisation in Algerien, diplomatische Schwäche in München 1938 und finanzielle Skandale wie beim Panamakanal.

Abschließend zeichnet das Werk das Bild einer „Nation, die sich im Spiegel des Fremden erkennt“. Die französische Identität wurde nicht nur in Versailles oder auf den Barrikaden von Paris geschmiedet, sondern ebenso an den Ufern des Nils, in den Bergen von Mähren und in den Reisfeldern des Tonkin. Das Buch beweist, dass man die Geschichte Frankreichs nur dann vollständig verstehen kann, wenn man bereit ist, den Blick über die Grenzen des Hexagons hinaus in die Welt zu richten.

Einzelbeiträge

Olivier Wieviorka und Michel Winock: Avant-propos

Die Herausgeber postulieren, dass die Geschichte Frankreichs nicht nur innerhalb des Hexagons, sondern maßgeblich im Ausland geschmiedet wurde. Sie identifizieren militärische Konflikte, koloniale Ambitionen und kulturelle „Soft Power“ als zentrale Motoren dieser globalen Identitätsbildung. Das Werk untersucht Orte, an denen Frankreichs Schicksal mit dem anderer Nationen in einer oft geteilten Erinnerung verschmolz. Ziel ist es, das Bewusstsein für die eminente Rolle des Auslands im nationalen Narrativ zu schärfen. Der Ertrag dieser Einleitung liegt in der theoretischen Rahmung der Nation als ein offenes, durch externe Kontakte geformtes System.

Dominique Barthélemy: Hastings

Die Schlacht von 1066 wird als ein Gründungsereignis analysiert, das England und Frankreich rechtlich und sprachlich unauflöslich miteinander verflocht. Der Autor zeigt auf, dass der Sieg lange Zeit nicht als „nationaler“ Erfolg Frankreichs wahrgenommen wurde, da man die Normannen als fremde Ethnie betrachtete. Erst die moderne Forschung erkennt die französische Prägung des Vorhabens und die dauerhafte Wirkung auf das Englische an. Die Erinnerung an den Kampf wird heute vor allem durch den Teppich von Bayeux bewahrt, der die Gefallenen beider Seiten ohne Spott würdigt. Der historische Ertrag liegt in der Erkenntnis, dass dieser Sieg auf fremdem Boden die Kapetinger erst zur Sammlung des französischen Kernlandes zwang.

Catherine Brice: Saint-Louis-des-Français à Rome : la nation contre Caravage?

Brice untersucht die französische Nationalkirche in Rom als einstiges Zentrum der monarchischen Repräsentation im Herzen der Christenheit. Die Kirche diente über Jahrhunderte als Ankerpunkt für die „natio gallicana“ und als Schaufenster nationaler Kunst und Musik. Heute wird der Ort jedoch durch den „Hypertourismus“ um die Gemälde Caravaggios dominiert, was seine ursprüngliche politische Funktion überlagert. Die Autorin zeichnet den Wandel der Kirche hin zu einem „Pantheon“ verdienter Franzosen nach, die in der Ewigen Stadt verstarben. Der Ertrag des Beitrags besteht darin, die Spannung zwischen nationaler Gedächtnispflege und globalisiertem Kulturerbe an einem sakralen Ort aufzuzeigen.

Jean-Marie Le Gall: Marignan et Pavie

Le Gall analysiert diese italienischen Schlachten als Höhepunkte und Krisenmomente französischer Hegemonialträume in der Lombardei. Er betont den internationalen Charakter der Armeen, was das moderne Narrativ rein nationaler Streitkräfte dekonstruiert. In Marignan (1515) sicherte sich Franz I. durch einen blutigen Sieg über die Schweizer den dynastischen Anspruch auf das Herzogtum Mailand, was zur dauerhaften Allianz mit den Eidgenossen sowie dem Konkordat von Bologna führte und so die Machtbasis der Krone festigte. Während Marignan heute als leichter Lernstoff für den Beginn der Renaissance dient, wurde Pavie (1525) zum Trauma der Amnesie. Dort unterlag der König beim Versuch der Rückeroberung Mailands den Truppen Kaiser Karls V. und wurde gefangen genommen, was zum definitiven Verlust der italienischen Besitzungen und zum Scheitern der Träume von einer französischen Universalmonarchie in Europa führte. Dennoch schuf die Gefangenschaft des Königs paradoxerweise das Bild des „Ritters der Künste“ und Beschützers der Literatur. Der Ertrag liegt in der Demonstration, wie militärisches Scheitern im Ausland zur ästhetischen Identitätsstiftung der Monarchie beitragen kann.

Michel Winock: Le château de Coppet

Winock beschreibt das Schweizer Schloss als intellektuelles „Elysium“, das unter Madame de Staël zum Zentrum des europäischen Widerstands gegen Napoleon wurde. Im Exil schuf sie einen Raum des freien Austauschs, der im kaiserlichen Paris unmöglich gewesen wäre. Der Beitrag beleuchtet, wie de Staël eine europäische Identität innerhalb einer französischen Seele schmiedete und liberale Ideen säte. Trotz ihres tiefen Leids in der Verbannung wurde Coppet zum Geburtsort einer modernen, grenzüberschreitenden politischen Kultur. Der wesentliche Ertrag ist der Nachweis, dass Frankreichs liberaler Geist oft im Schutz des ausländischen Exils überlebte.

Michel Kerautret: Austerlitz

Austerlitz wird als das vollkommene Meisterwerk napoleonischen Genies und Synonym für den totalen Triumph dargestellt. Der Autor erläutert, wie Napoleon den Mythos durch geschickte Bulletins selbst konstruierte und so die europäische Meinung formte. Heute hat sich die Erinnerung an den Ort weitgehend ästhetisiert und wird ohne nationale Bitterkeit als touristische Attraktion wahrgenommen. Kerautret zeigt auf, wie der „Sieg der Intelligenz“ zur Grundlage für die spätere Modernisierung Deutschlands wurde. Der Ertrag liegt in der Analyse der Transformation eines blutigen Ereignisses in ein rein ästhetisches europäisches Kulturgut.

Thierry Lentz: Waterloo, mémoire d’une défaite « glorieuse »

Lentz untersucht, wie eine vernichtende Niederlage paradoxerweise zur Geburtsstunde einer unsterblichen Legende um Napoleon wurde. Er beschreibt, wie französische Intellektuelle wie Victor Hugo das Desaster in eine Erzählung über Pech und Verrat verwandelten. In seinem Monumentalwerk Les Misérables widmete Hugo der Schlacht neunzehn Kapitel, in denen er das militärische Scheitern zu einem literarischen Sieg umdeutete und die kühne These vertrat, Napoleon habe die Schlacht aufgrund schicksalhafter Umstände fast gewonnen. Der physische Ort in Belgien wird heute mühsam zwischen nationalen Denkmälern der Sieger und der dominierenden französischen Folklore aufgeteilt. Erstaunlicherweise verlassen viele internationale Touristen das Schlachtfeld mit dem Eindruck, Napoleon habe irgendwie gewonnen. Der Ertrag besteht darin, die Macht der Erzählung über das historische Faktum des Scheiterns zu illustrieren.

Jean-Paul Bled: Le congrès de Vienne

Bled revidiert das Bild des Wiener Kongresses von 1815, der in Frankreich lange Zeit als Inbegriff der nationalen Demütigung galt. Er analysiert Talleyrands Versuche, Frankreich durch geschickte Diplomatie wieder in das europäische Konzert zu integrieren. Der Beitrag zeigt, wie das gegen Frankreich gerichtete System der „Barrierestaaten“ langfristig durch das Nationalitätenprinzip unterminiert wurde. Letztlich trug die französische Unterstützung für Völker wie die Rumänen dazu bei, das Erbe von Wien schrittweise abzutragen. Der Ertrag dieser Betrachtung liegt im Verständnis diplomatischer Rahmenbedingungen als Triebfeder für Frankreichs langfristige Außenpolitik.

Jean-Paul Kauffmann: Longwood, « une curieuse moisissure »

Kauffmann schildert St. Helena als den Ort, an dem der gefallene Kaiser das Elend von Longwood in eine weltweite Legende verwandelte. Ennui und feuchtes Klima dienten als Bühne für Napoleon, um durch seine Biografen an seinem eigenen Mythos als „neuer Prometheus“ zu feilen. Der Beitrag betont die bemerkenswerte Luzidität des Exilierten, der seine eigenen Fehler schonungslos analysierte. Longwood wird so zum Spiegel der französischen Geschichte, die ständig zwischen Aufstieg und tiefem Fall oszilliert. Der Ertrag liegt in der Erkenntnis, dass der wirkmächtigste französische Mythos in einer armseligen Baracke im Atlantik geboren wurde.

Julie Marquet: Pondichéry – Puducherry

Pondichéry wird als Raum kolonialer Ambivalenz dargestellt, in dem Frankreich ein „Paris des Orients“ zu erschaffen suchte. Marquet beleuchtet die strikte urbane Trennung zwischen „weißer Stadt“ und indischen Vierteln sowie die Abhängigkeit von indischen Vermittlern. Auch nach der Unabhängigkeit blieb der französische Einfluss durch gezielte Kulturdiplomatie und wissenschaftliche Institute wie das IFP gewahrt. Die Stadt dient heute als touristische „Riviera des Ostens“, die den kolonialen Charme ökonomisch verwertet. Der Ertrag des Beitrags ist die Einsicht in die Langlebigkeit von „Soft Power“ nach dem Ende der politischen Herrschaft.

Benoît Pellistrandi: La Granja de San Ildefonso, un Versailles espagnol

Dieser Beitrag präsentiert das spanische Schloss als Manifest der kulturellen und politischen Expansion der Bourbonen über die Pyrenäen. Pellistrandi zeigt, wie der erste Bourbon-König Spaniens, Philippe V., französische Architektur und Zentralisierungsmodelle importierte. La Granja steht symbolisch für die Umkehrung der kulturellen Ströme zwischen den beiden Ländern zugunsten des französischen Vorbilds. Trotz nationaler Widerstände veränderte dieser Einfluss das spanische Verständnis von Staat und Ästhetik dauerhaft. Der Ertrag des Textes ist die Erkenntnis, dass französische Identität als Modernisierungsprogramm in ein Nachbarland exportiert wurde.

Jean-Marc Hovasse: Guernesey

Hovasse beschreibt das Exil Victor Hugos auf Guernsey als eine Phase, in der die Insel zum Resonanzkörper für universelle Menschenrechtsfragen wurde. Der Dichter gestaltete sein Haus, Hauteville House, als materielles Abbild seines Geistes und als „Geschenk an das Exil“. Hier entstanden nicht nur Weltliteratur wie Les Misérables, sondern auch politische Manifeste gegen die Sklaverei und für ein vereintes Europa. Hugo verkörperte in der Ferne das „freie Frankreich“, während er dem Regime Napoleons III. trotzte. Der historische Ertrag liegt in der Analyse der Symbiose zwischen einem schöpferischen Geist und seinem geografischen Zufluchtsort.

Edward Berenson: La statue de la Liberté, don de la France, symbole de l’Amérique

Berenson analysiert die Statue als ein strategisches Geschenk, das die belasteten französisch-amerikanischen Beziehungen heilen sollte. Er schildert die enormen finanziellen Hürden und die kommerzielle Vermarktung, die Bartholdi zur Realisierung des Kolosses nutzte. Während das Denkmal in den USA heute als rein amerikanisches Symbol gilt, bewahren zahlreiche Repliken in Frankreich die Erinnerung an den Ursprung. Die Statue fungiert als „Erinnerungsort“ für die gemeinsamen Ideale der Aufklärung und der Freiheit. Der Ertrag besteht im Verständnis eines Monuments als Instrument der internationalen Diplomatie und Mythenbildung.

Yves Saint-Geours: Le drapeau brésilien

Dieser Beitrag deckt den tiefgreifenden Einfluss des französischen Positivismus von Auguste Comte auf die Staatsgründung Brasiliens auf. Das Motto „Ordem e Progresso“ auf der brasilianischen Flagge ist ein direktes Erbe dieses Gedankenguts, das von militärischen Eliten adoptiert wurde. Saint-Geours beschreibt die Gründung eines „Tempels der Humanität“ in Rio, der geistig nach Paris ausgerichtet war. Diese philosophische Ausstrahlung erwies sich als dauerhafter als viele materielle Kolonialprojekte. Der Ertrag liegt in der Erkenntnis, dass französisches Denken hier die visuelle und ideologische Identität einer fernen Nation prägte.

Jie Jiang: La concession française de Shanghai, de la lande marécageuse au « Paris de l’Orient »

Jiang skizziert die Entwicklung der Konzession von einem Sumpfgebiet zu einem florierenden Zentrum französischer Kultur und Macht in China. Der Ort diente als exklusive koloniale Enklave, in der Haussmann’sche Stadtplanung und Architektur eins zu eins übertragen eingesetzt wurden. Paradoxerweise wurde die Konzession auch zum Zufluchtsort für chinesische Revolutionäre und zum Geburtsort der Kommunistischen Partei Chinas. Heute werden die Gebäude als kulturelles Kapital für die städtische Erneuerung unter strengen Schutz gestellt. Der Ertrag ist die Darstellung eines Raumes, der gleichzeitig imperiale Interessen und revolutionäre Gegenbewegungen beherbergte.

Guillaume Cuchet: La cathédrale Saint-Philippe d’Alger

Cuchet beschreibt die gewaltsame Umwandlung der Ketchawa-Moschee in eine Kathedrale im Jahr 1832 als Symbol des kolonialen Kulturbruchs. Der Vorgang markierte eine Abkehr von anfänglichen Versprechen, religiöse Stätten zu respektieren, und diente der Etablierung französischer Präsenz. Mit der Unabhängigkeit Algeriens 1962 wurde das Gebäude sofort wieder dem islamischen Kult zugeführt und geweiht, was seine christliche Episode beendete. Ironischerweise wurde der „neomaurische“ Stil der Kathedrale später zum ästhetischen Standard für koloniale Zivilbauten. Der Ertrag liegt im Beispiel für die Fragilität religiöser Symbole als Instrumente kolonialer Herrschaft.

Francis Démier: Le Crystal Palace de Londres

Die Londoner Weltausstellung von 1851 wird als Moment der industriellen Konfrontation und beginnenden „Entente cordiale“ analysiert. Frankreich präsentierte dort seine Luxusgüter und sein Kunsthandwerk, um sich gegen die britische Massenproduktion zu profilieren. Démier erläutert, wie französische Ökonomen dieses Ereignis als Startschuss für eine Modernisierung des nationalen Kapitalismus begriffen. Die Ausstellung förderte einen technologischen Dialog, der schließlich in den Handelsvertrag von 1860 mündete. Der Ertrag besteht in der Sichtweise auf eine internationale Bühne, die Frankreich zur wirtschaftlichen Selbsterkenntnis zwang.

Caroline Piquet: Le canal de Suez, histoire de France et d’Égypte

Der Suezkanal wird als monumentaler technischer und finanzieller Triumph des französischen Unternehmertums unter Ferdinand de Lesseps dargestellt. Piquet beschreibt die Verbindung von saint-simonistischen Idealen mit dem Ingenieurswissen der Elitehochschulen. In der ägyptischen Erinnerung bleibt der Kanal hingegen untrennbar mit Zwangsarbeit und imperialistischer Ausbeutung verknüpft. Die Krise von 1956 markierte schließlich das Ende der europäischen Vorherrschaft in der Region und den Übergang zur ägyptischen Souveränität. Der Ertrag liegt im Verständnis eines Bauwerks als Brücke zwischen nationalem Stolz und postkolonialem Konflikt.

Pascale Barthélémy: Les Quatre Communes du Sénégal

Barthélémy untersucht den Sonderstatus der vier senegalesischen Städte, deren Bewohner bereits früh die französische Staatsbürgerschaft besaßen. Diese „Originaires“ konnten politisch partizipieren, während sie gleichzeitig ihr lokales Personalstatut behielten. Der Beitrag zeigt, wie hier eine gebildete Elite entstand, die das koloniale System sowohl stützte als auch herausforderte. Heute ist dieser privilegierte Status Gegenstand heftiger Debatten über das koloniale Erbe und die Identität senegalesischer Helden. Der Ertrag ist die Erkenntnis einer komplexen Rechtsgeschichte, die einfache Dichotomien von Unterdrückung und Befreiung unterläuft.

Jean Garrigues: Le canal de Panama, un rendez-vous manqué avec l’histoire de France

Der Panamakanal wird als Symbol für das Scheitern französischer Strahlkraft und als Auslöser einer tiefen politischen Krise analysiert. Garrigues schildert, wie technische Fehleinschätzungen und die Korruption von Presse und Parlament die Dritte Republik erschütterten. Der resultierende Skandal befeuerte den Populismus und den Antisemitismus, was die französische Demokratie langfristig schwächte. Schließlich ernteten die USA die Früchte des Projekts, während es für Frankreich ein „verpasstes Date“ blieb. Der Ertrag dieser Analyse ist die Warnung vor den Gefahren von Größenwahn und mangelnder parlamentarischer Kontrolle.

Daniel Rivet: Casablanca

Casablanca wird als koloniales Laboratorium für urbane Modernität und architektonische Experimentierfreude präsentiert. Rivet beschreibt die Stadt als Projektionsfläche für französische Energie, die sich im „Chicago des Maghreb“ frei entfalten konnte. Unter Lyautey entstanden innovative Viertel, die westliche Standards mit lokalen Formen im „neomaurischen“ Stil verbanden. Doch die moderne Fassade überdeckte soziale Spannungen und das explosive Wachstum von Elendsvierteln. Der Ertrag liegt in der Darstellung Casablancas als Raum, in dem Frankreich seine Träume von Fortschritt und Macht physisch manifestierte.

Annick Guénel und Anne-Marie Moulin: L’Institut Pasteur de Nha Trang

Die Autorinnen beleuchten das Erbe von Alexandre Yersin, der in Vietnam ein Zentrum zur Erforschung von Seuchen und Landwirtschaft begründete. Yersin wird als leidenschaftlicher Forscher gezeichnet, dessen Werk heute als Brücke für eine „geteilte Wissenschaft“ zwischen Frankreich und Vietnam dient. Die Tatsache, dass sein Grab und Institut bis heute als Nationaldenkmäler geehrt werden, belegt eine ungewöhnliche Kontinuität über die Dekolonisation hinaus. Yersin wurde als „Schutzgeist“ der Stadt in die vietnamesische Nationalgeschichte integriert. Der Ertrag ist der Nachweis, dass wissenschaftliches Wirken eine dauerhafte Versöhnung zwischen ehemaligen Feinden fördern kann.

Raphaële Ulrich-Pier: Munich

München wird als Symbol für diplomatische Schwäche und den verhängnisvollen Verrat an einem Verbündeten im Jahr 1938 analysiert. Die Autorin zeigt auf, wie der „München-Komplex“ seither als dauerhaftes negatives Referenzmodell in der französischen Außenpolitik fungiert. Während Daladier die Realität der Niederlage ahnte, ließ sich die Öffentlichkeit fälschlicherweise durch einen vermeintlichen Frieden beruhigen. Der Beitrag macht deutlich, dass der Begriff „munichois“ bis heute als politisches Schimpfwort für Feigheit verwendet wird. Der Ertrag besteht in der Erkenntnis, wie ein ausländischer Verhandlungsort zum ewigen Mahnmal für nationale Identität und Ehre wurde.

Jean-François Muracciole: Bir Hakeim, mythe et lieu imparfait

Die Wüstenschlacht von 1942 wird als ein zentrales Ereignis der Mythenbildung der Freien Franzosen dargestellt. Muracciole betont die Vielfalt der Truppen, in denen Soldaten aus den Kolonien die Mehrheit bildeten und für das Ansehen de Gaulles kämpften. Der Beitrag dekonstruiert das militärische Narrativ, indem er aufzeigt, dass die strategische Bedeutung der Schlacht oft übertrieben wurde. Dennoch verschaffte der heroische Widerstand gegen Rommel dem gaullistischen Kampf die notwendige internationale Legitimität. Der Ertrag liegt im Verständnis, wie eine punktuelle Verteidigungsleistung zur Gründungssage eines neuen Frankreichs veredelt wurde.

Ivan Cadeau: Diên Biên Phu

Diên Biên Phu wird als das traumatische Ende des französischen Kolonialreiches in Asien und als militärisches Desaster analysiert. Cadeau erklärt die Schlacht als Resultat sich gegenseitig beeinflussender Strategien, das schließlich zur totalen Kapitulation führte. Die Niederlage markierte den schmerzhaften Moment der erzwungenen Dekolonisation und den Rückzug Frankreichs aus Indochina. Für die vietnamesische Seite bleibt der Ort hingegen der Inbegriff des Sieges eines Volkes über die koloniale Unterdrückung. Der historische Ertrag besteht darin, den Ort als Wendepunkt zu begreifen, an dem Frankreichs globale Machtansprüche endgültig zerbrachen.

Paul Dietschy: Mimoun triomphe au Stade olympique de Melbourne

Alain Mimouns Marathonsieg von 1956 wird als patriotischer Triumph gewürdigt, der eine zerrissene Kolonialidentität versöhnte. Mimoun, als Sohn Algeriens und dekorierter Kriegsveteran, verkörperte ein Frankreich, das sich zeitgleich im schmerzhaften Algerienkrieg befand. Sein Sieg über den Rivalen Zátopek wurde in der Heimat als „sportliches El Alamein“ und Zeichen nationaler Stärke gefeiert. Die Republik erhob ihn daraufhin zum Vorbild für Integration und militärische Tugendhaftigkeit. Der Ertrag liegt in der Demonstration, wie sportliche Erfolge in der Ferne zur inneren Stabilisierung einer Nation in der Krise beitragen können.

Olivier Dard: De Gaulle au balcon de Montréal (24 juillet 1967)

Der Ausruf „Vive le Québec libre!“ wird als bewusster Akt der Geschichtskorrektur und Unterstützung für die französische Identität in Kanada analysiert. Dard zeigt auf, dass de Gaulle beabsichtigte, die historische Niederlage von 1763 symbolisch ungeschehen zu machen. Die Rede löste ein diplomatisches Erdbeben aus, gab den Quebecern jedoch ein neues Gefühl von Stolz und internationaler Anerkennung. Der Besuch institutionalisierte eine dauerhafte kulturelle Kooperation zwischen Paris und dem Quebecer Volk. Der Ertrag ist das Verständnis für die Macht eines einzelnen Satzes, der die postkoloniale Solidarität weltweit neu definierte.

Marie-Bénédicte Vincent: Baden-Baden

Baden-Baden wird in seiner Doppelrolle als mondäne „Sommerhauptstadt“ des 19. Jahrhunderts und als Militärstandort nach 1945 beleuchtet. Vincent beschreibt die Zeit der Besatzung, in der Musik gezielt als Instrument der Umerziehung der deutschen Bevölkerung eingesetzt wurde. Der Ort erlangte Berühmtheit als Zuflucht de Gaulles während der Krise im Mai 1968, wo er sich bei General Massu rückversicherte. Diese Episode verdeutlicht die enge Verflechtung von militärischer Macht und persönlicher politischer Autorität in Zeiten der Not. Der Ertrag besteht in der Sicht auf einen „neutralen Boden“, der zum Symbol der deutsch-französischen Aussöhnung wurde.

Vergleich mit Patrick Boucherons Histoire mondiale de la France

Patrick Boucherons Sammelband Histoire mondiale de la France (Seuil, 2017, im Folgenden: HM) verfolgt das Ziel, Frankreich nicht als isolierte Einheit, sondern als einen offenen Raum darzustellen, der untrennbar mit der Weltgeschichte verknüpft ist. Methodisch bricht das Werk mit linearen Nationalerzählungen und nutzt stattdessen 146 prägnante Daten als Ankerpunkte, um die Geschichte Frankreichs „von außen“ oder durch globale Strömungen neu zu beleuchten. Diese Herangehensweise zielt darauf ab, identitäre Verengungen aufzubrechen und die Vielfalt sowie die ständigen Migrationen und kulturellen Transfers sichtbar zu machen, die das Land geformt haben.

Thematisch deckt der Band einen gewaltigen Zeitraum ab, der bereits vor 40.000 Jahren mit der prähistorischen Kunst beginnt, um den „Mythos der Ursprünge“ zu neutralisieren. Die Beiträge behandeln ein breites Spektrum von der Neolithisierung, die als Import aus dem Orient verstanden wird, über die globale Vernetzung durch die Pest im 14. Jahrhundert bis hin zur Ausstrahlung der Aufklärung und den Schattenseiten des Kolonialismus. Es geht dabei weniger um die Expansion eines „globalen Frankreichs“ als vielmehr darum, wie globale Ereignisse – wie das Klima oder weltweite Handelsströme – die französische Geschichte im Kern mitbestimmten.

Im Vergleich zu „Les lieux mondiaux“ (LM) von Wieviorka und Winock zeigen sich deutliche Gemeinsamkeiten in der Absicht, die nationale Geschichte zu dezentrieren und den Blick über das „Hexagon“ hinaus zu richten. Beide Werke verfolgen einen polyphonen Ansatz, bei dem eine Vielzahl von Fachhistorikern zusammenarbeitet, um ein facettenreiches und akademisch fundiertes Bild der Nation zu zeichnen, das über bloße Mythen hinausgeht. Sie teilen die Überzeugung, dass die französische Identität maßgeblich durch den Kontakt mit dem Fremden und an Orten außerhalb der eigenen Grenzen geschmiedet wurde.

Ein wesentlicher Unterschied liegt jedoch in der chronologischen Tiefe und dem strukturellen Fokus. Während Boucherons Werk bis in die Urgeschichte zurückgreift, um die räumliche Kontinuität als „Mirage“ zu entlarven, konzentriert sich „Les lieux mondiaux“ stärker auf die Neuzeit und Moderne. Zudem nutzt Boucheron Daten als methodische Einstiegspunkte, um eine „Geschichte in Bewegung“ zu skizzieren, wohingegen Wieviorka und Winock eine Topografie von Erinnerungsorten (Lieux de mémoire) erstellen, die sich physisch außerhalb Frankreichs befinden.

Auch lässt sich feststellen, dass Boucherons Ansatz explizit politischer motiviert ist, da er die Geschichte Frankreichs gegen reaktionäre Vereinnahmungen verteidigen und als Teil eines globalen Netzwerks begreifen will. „Les lieux mondiaux“ wirkt eher wie eine räumliche Erweiterung des klassischen Konzepts der Erinnerungsorte, die untersucht, wie konkrete Schauplätze im Ausland – von St. Helena bis Shanghai – zu Ankerpunkten des nationalen Narrativs wurden.

In der vergleichenden Betrachtung von und wird deutlich, dass beide Vorhaben das Ziel verfolgen, die nationale Geschichte zu dezentrieren und sie als Teil eines globalen Geflechts zu begreifen. Dennoch unterscheiden sie sich in ihrer analytischen Stoßrichtung.

Am Beispiel von Hastings (1066) lässt sich diese Differenz anschaulich zeigen, da derselbe Autor, Dominique Barthélemy, in beiden Werken die normannische Eroberung analysiert. In HM dient das Datum dazu, den „Mirage“ einer räumlichen Kontinuität aufzulösen und zu zeigen, wie die Kapetinger erst durch diesen Sieg auf fremdem Boden zur Sammlung des französischen Kernlandes gezwungen wurden. LM hingegen betrachtet den Ort Hastings als einen Ankerpunkt dauerhafter Verbundenheit, der England und Frankreich rechtlich wie sprachlich unauflöslich miteinander verflocht und so beweist, dass nationale Identität oft jenseits der eigenen Grenzen entsteht.

Auch bei der Betrachtung des Suezkanals (1869) zeigen sich unterschiedliche Akzente: In LM wird der Kanal als ein monumentaler Triumph der französischen Ingenieurskunst und der „Soft Power“ inszeniert, wobei die symbolische Überwindung des Unmöglichen im Vordergrund steht. HM hingegen ordnet das Ereignis in ein globales industrielles Regime ein und analysiert den Kanal als Instrument einer weltweiten Machtverschiebung und wirtschaftlichen Beschleunigung. Während LM also das französische Prestige am Nil feiert, begreift HM den Kanal als Fenster, durch das die ökonomischen Kräfte der Welt auf Frankreich einwirken.

In Bezug auf Brasilien fokussiert LM auf die materielle Repräsentation des französischen Einflusses, insbesondere auf die brasilianische Flagge und den Tempel der Menschheit in Rio, die als steinerne und stoffliche Zeugen für den Erfolg von Auguste Comtes Positivismus dienen. HM wählt eine breitere ideengeschichtliche Perspektive und untersucht, wie dieser französische Denkexport die visuelle und ideologische Identität einer fernen Nation im Kontext der dortigen republikanischen Revolution prägte. Hier wird die Gemeinsamkeit beider Werke deutlich: Beide begreifen Frankreich als eine Zivilisationsmacht, deren Werte eine weltweite Anziehungskraft ausübten.

Schließlich verdeutlicht die Episode um De Gaulle in Montréal (1967), wie unterschiedlich politische Symbole gewertet werden können. In LM liegt der Fokus konkret auf dem Balkon des Rathauses als physischem Resonanzkörper für eine historische Rechnungsbegleichung mit der Niederlage von 1763. HM analysiert den Ausruf „Vive le Québec libre!“ hingegen als einen Moment, der die postkoloniale Solidarität weltweit neu definierte und die französische Identität in Nordamerika symbolisch wiederaneignete.

Insgesamt leistet Les lieux mondiaux de l’histoire de France eine konsequente Dezentrierung der Nationalgeschichte, indem es den Blick auf jene Ankerpunkte außerhalb des „Hexagone“ lenkt, an denen das Schicksal der Nation maßgeblich mitgeformt wurde. Das Werk erweitert das klassische Konzept der Erinnerungsorte um eine globale Dimension und zeigt, dass die französische Identität kein isoliertes Produkt ist, sondern in ständigem Austausch durch militärische Triumphe, koloniale Ambivalenzen und kulturelle „Soft Power“ geschmiedet wurde. Es macht deutlich, dass Orte wie St. Helena, Shanghai oder Casablanca integrale Bestandteile eines „weltweiten Archivs“ der französischen Geschichte sind, wobei es stets die Spannung einer „geteilten Erinnerung“ zwischen nationaler Verherrlichung und lokaler Kritik thematisiert.

Im Kontrast zur Histoire mondiale de la France, die primär danach fragt, wie globale Strömungen – wie Klima, Seuchen oder Migration – das französische Territorium von außen formten, sucht dieses Werk die Präsenz Frankreichs in der Welt. Während Boucherons Ansatz und kollektives Werk eher zeitlich-chronologisch orientiert ist und mit 146 markanten Daten versucht, den „Mythos der Ursprünge“ zu neutralisieren, verfolgt das Vorhaben von Wieviorka und Winock eine räumlich-topografische Strategie, die konkrete Schauplätze im Ausland als Fixpunkte des nationalen Narrativs analysiert. Während Patrick Boucherons Histoire mondiale de la France die Welt in Frankreich sucht und fragt, wie globale Ströme das Territorium formten, spürt das von Wieviorka und Winock herausgegebene Werk Les lieux mondiaux de l’histoire de France der Präsenz Frankreichs in der Welt nach und untersucht Orte, an denen die nationale Identität im Spiegel des Fremden geschmiedet wurde.


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